Nach wem suchen wir? Und wo? Glücklicherweise heißt es in Apostelgeschichte 17, dass Gott „keinem von uns fern“ ist. Einige Sätze später fügte Tozer in Das Wesen Gottes in Anlehnung an Apostelgeschichte 17 diesen Gedanken hinzu: „Aufgrund eines verborgenen Gesetzes der Seele neigen wir dazu, unserem geistigen Gottesbild nachzustreben.“4
Wenn wir uns also alle auf unser geistiges Gottesbild zubewegen, dann sollten wir uns auf das richtige Bild zubewegen, die richtige Vorstellung von Gott. Um es noch einmal zu sagen: Ja, wir alle bewegen uns irgendwann auf unsere Vorstellung von Gott zu – aber manche bewegen sich vielleicht auf ein fehlerhaftes oder sogar schädliches Bild von Gott zu. Da dieses Bild von Gott das Wichtigste an uns ist – weil es unsere Identität prägt, uns Sicherheit und Sinn und einen Auftrag gibt und unser Handeln und unsere Herzenshaltung bestimmt –, sollte es das richtige sein.
Wie sieht Ihr Bild von Gott aus?
Wenn Sie vor einem Zeichenblock säßen und ich würde Sie bitten, ein Bild von Gott zu zeichnen: Was würden Sie dann malen? Ich spreche hier nicht von einem Bild, auf dem jemand aus Haut, Fleisch und Knochen zu sehen ist, sondern von einem Bild dessen, was Gott im Kern für Sie ist.
Jeder hat ein Bild von Gott im Kopf, und es gibt Tausende verschiedener Ansichten. Manche sind gut, aber manche sind auch nicht ganz richtig. Ihre Vorstellung von Gott kann auf viele unterschiedliche Dinge zurückzuführen sein. Vielleicht haben Ihre Eltern Ihnen schon in Ihrer Kindheit von Gott erzählt, und Sie haben viele dieser Vorstellungen übernommen. Manche davon waren hilfreich, manche schädlich. Natürlich haben das religiöse Umfeld und der Teil der Welt, in dem Sie aufgewachsen sind, bei der Entstehung Ihres Gottesbildes ebenfalls eine große Rolle gespielt.
„Aufgrund eines verborgenen Gesetzes der Seele neigen wir dazu, unserem geistigen Gottesbild nachzustreben.“
A. W. Tozer
Vielleicht hat auch ein Dozent Ihr Gottesbild geprägt. Sie haben in einem Seminarraum gesessen, und ein intelligenter Mensch mit vielen akademischen Titeln hat behauptet, dass Gott nur ein Mythos sei, und das hat Ihre Sicht von Gott geprägt.
Oder vielleicht hat Ihre Gemeinde Ihr Gottesbild geprägt. Egal, in welcher Glaubensrichtung Sie aufgewachsen sind: Sie hat Ihr Gottesbild geprägt – manchmal zum Guten, manchmal aber auch nicht.
Vielleicht haben auch Freunde Ihnen durch Taten oder Worte gezeigt: So ist Gott, und das hat Ihre Vorstellung von Gott beeinflusst.
Oder vielleicht haben Sie zugelassen, dass Ihre Lebensumstände Ihr Bild von Gott prägen. Vielleicht sind Sie der Auffassung, Gott habe sich nicht für Sie eingesetzt oder habe seinen Teil einer Abmachung nicht eingehalten, von der Sie dachten, Sie hätten sie mit ihm getroffen. Oder er hat Sie irgendwie enttäuscht, und das hat Ihr Bild von Gott negativ beeinflusst.
Ich habe kürzlich etwas über einen Pionier des Fernsehens gelesen, der sagte, er wolle nichts mit Gott zu tun haben. Er bezeichnete sich selbst als Atheist, weil er, als er noch jung gewesen war und sein Vater im Sterben lag, vergeblich für dessen Heilung gebetet hatte. Wenn Gott angeblich so gut sei, warum hatte dieser gute Gott seinen Vater dann nicht gerettet? Dieser eine Augenblick schmerzhafter Verwirrung und Enttäuschung prägte seine Sicht von Gott für den Rest seines Lebens.
Und im Grunde könnte man das Gleiche von uns allen sagen. Durch irgendetwas, das wir gelernt, gehört oder erlebt haben, entstand in unserem Kopf ein bestimmtes Bild von Gott. Es gibt zwar unzählig viele Vorstellungen davon, wie Gott ist und wie er aussieht, aber einige davon begegnen uns häufiger als andere.
Ein bunter Haufen Götter
Für manche Menschen ist Gott „der alte Mann da oben“ – der Opa-Gott. Ich will mich an dieser Stelle nicht über irgendeine Vorstellung von Gott lustig machen. Ich möchte nur helfen, das ans Tageslicht zu bringen, was manche von uns denken, und einigen unserer geringeren Götter die Masken vom Gesicht reißen. Opa-Gott gibt es schon seit ewigen Zeiten. Kein Wunder also, dass er inzwischen etwas betagter geworden ist. Er hat einen langen weißen Bart und eine beruhigende Stimme, die wie die von Morgan Freeman klingt. Er schreitet mit einem Zwinkern im Gesicht und Süßigkeiten in der Hand durch den Himmel. Er hört schon etwas schlecht, also sollten Sie etwas lauter sprechen, wenn Sie ihm etwas sagen wollen, und machen Sie um Himmels willen keine so laute Musik in der Kirche!
Opa-Gott hat den Anschluss an unsere moderne Kultur verloren und hat auch noch nicht gelernt, wie man Textnachrichten schreibt. Wenn er mal sein altes Tastenhandy gegen ein Smartphone eintauscht, wird er sicher die Schrift so groß einstellen, dass sie die Enkel noch vom anderen Ende des Zimmers aus lesen können. Er ist sanft und freundlich, aber er wird Ihnen ganz sicher nicht mit der Fernbedienung Ihres Fernsehers oder den komplexen Fragen Ihres Alltags helfen können. Er hat etwas vom Nikolaus, also vergessen Sie nicht, ihm die Stiefel rauszustellen. Oder auch nicht.
Oder vielleicht sehen Sie Gott nicht als Opa, sondern als jemanden, der viele Regeln aufstellt und wie ein Schiedsrichter Punkte zählt. Beim Schiedsrichter-Gott geht es immer nur um das, was man tun soll und was man nicht tun darf. Wenn Sie in die Kirche gehen, bekommen Sie einen Punkt. Wenn Sie über einen Autofahrer schimpfen, der Sie geschnitten hat, verlieren Sie zwei Punkte. Dieser Gott hat Sie immer im Visier, bewertet, urteilt und zählt mit. Er macht sich ständig Notizen über Sie. Sie haben etwas Gutes gedacht? Das wird aufgeschrieben. Sie hatten eine schlechte Einstellung? Es werden Punkte gelöscht. Man muss sehr vorsichtig sein, um bei diesem Gott nicht in Ungnade zu fallen. Und man muss sich sehr anstrengen, wenn man bei diesem Gott weiter mitspielen will. Letzten Endes drückt einem dieser Gott vor den Toren des Himmel einen computergenerierten Kontoauszug mit Soll und Haben in die Hand. Wenn man Glück hat, ist man im Haben und darf rein. Juhu! Wenn man dieser Vorstellung von Gott folgt, steht der Himmel nur für diejenigen offen, die keine roten Zahlen schreiben. Und das kann Ihnen nur dann gelingen, wenn Sie sich mehr Mühe geben und genügend gute Dinge tun, damit die Waagschale sich zu Ihren Gunsten neigt.
Manche halten Gott für eine nebulöse Kraft, eine Art positive Energie oder Licht. Diese göttliche kosmische Kraft hat weder Namen noch Gesicht und ist wahrscheinlich weder Person noch Persönlichkeit. Diese „Kraft“ ist weit weg, abstrakt und undefinierbar. Wenn alle Variablen zufällig stimmen, können wir sie anzapfen. Das merken wir in Form eines Impulses, eines guten Gefühls, bestimmter atmosphärischer Schwingungen oder dass wir uns auf mysteriöse Weise in einem harmonischen Einklang mit dem Universum befinden. Menschen mit diesem Gottesbild sprechen oft von Spiritualität, aber sie beschreiben damit keinen Gott, den man persönlich kennenlernen kann. Bei dieser Vorstellung von Gott geht es nur darum, dass es irgendwo da draußen im Universum etwas gibt, das größer ist als wir und das sich meistens gut und richtig anfühlt. Es strahlt wie Licht und ist geheimnisvoll und größer als wir. Aber man kann nicht genau sagen, was es wirklich ist.
Vielleicht ist Gott für Sie aber auch ein rücksichtsloser Schläger, der immer auf einen Streit aus ist. Dieser wütende Gott schubst die Menschen gern willkürlich herum und zahlt es ihnen heim. Es macht ihm Spaß, Strafen zu verteilen. Damit eines klar ist: Dieser Gott kann Sie nicht besonders gut leiden. Im Gegenteil. Er kann es kaum erwarten, Sie mit einem ordentlichen Schwinger umzunieten. Wumm! Und, tschüss, Sie sind erledigt.
Wenn Sie clever sind, gehen Sie dem wütenden Gott aus dem Weg. Wer würde das nicht tun? Sie sind einmal in eine Kirchengemeinde gegangen, in der dieser Gott zu Hause war, und haben gemerkt, dass dort nicht viele Leute hingingen. Puh. Das ist kein Gott, den Sie jede Woche anbeten wollen. Warum sollte man sich das mehr als ein Mal antun? Er wartet doch nur darauf, Sie in Stücke reißen zu können.
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