Meinem Kollegen Lewis Sarsley von der »Chicago Post« war es indessen gelungen, echte Binchos zu interviewen. Es waren Emigranten von der vertriebenen Partei der Serviles, die sich nach Guatemala gerettet hatten. Sarsley hatte ein Gespräch mit dem Führer dieser Partei, dem General Escobar. Er hielt dem amerikanischen Journalist einen längeren Vortrag über die Niedertracht und Grausamkeit des Diktators Iriarte und versicherte, das freie Volk von Bimini würde den schnöden Tyrannen schon in den nächsten Wochen verjagen und die einzigen verfassungstreuen Freunde der republikanischen Freiheit wieder ans Ruder setzen, die bewährten Serviles. Das wollte Escobar durch indianische Spione erfahren haben, die er manchmal durch die Wälder nach Bimini schicke. Es schien, daß doch nicht das ganze Land mit Stacheldraht eingezäunt war.
Sarsley fragte natürlich begierig, was die Spione über die Zustände in Bimini sonst erzählten. Aber General Escobar wußte entweder nichts oder hatte geheime Gründe, nichts zu verraten; der geriebene alte Gauner beantwortete alle Fragen mit neuen Tiraden über die Freiheit, das Sonne-Mond-Sterne-Weltkugel-Vulkan-Adlerbanner von Bimini und über die Vortrefflichkeit der Serviles. Nun ist dieser Lewis Sarsley ein findiger Bursche; es gelang ihm, in Guatemala einen jener indianischen Spione zu entdecken, von denen Escobar gesprochen hatte. Das gab einen sensationellen Artikel! Leider schien dieser Indianer, als er mit Sarsley sprach, zu viel Pulque im Leibe gehabt zu haben, denn was er über Bimini berichtete, klang vollkommen besoffen. Ein unerhörtes Gefasel von blauen Lichtern, gelben Soldaten und dem aztekischen Gott Quetzalcoatl! Der arme Sarsley konnte kein Wort von dem Unsinn verstehen und klammerte sich nur an die »soldatos amarillos«. Gelbe Soldaten! Ha, so waren Japaner in Bimini!
Für einen großen Teil der Jingopresse galt das als erwiesen. Mir schienen die gelben Soldaten eher weiße Mäuse zu sein.
Wer aber waren doch die geheimnisvollen Fremden in Bimini, deren Existenz auch Escobar zugab? Von Japanern hatte er nichts gesehen, dagegen hatten weiße Fremde, »Gringos«, an der Seite Iriartes gegen die Serviles gekämpft, damals vor fünf Jahren, als der Diktator die Freiheit von Bimini vergewaltigt hatte.
Sarsleys Bericht war der einzige, in dem etwas Positives stand. Die anderen Korrespondenten hatten mit mehr oder weniger Talent die Tatsache verschleiert, daß sie nichts gesehen und nichts erfahren hatten.
Mir schien es klar, daß in den Vereinigten Staaten selbst manche Leute mehr von den Geheimnissen von Bimini wissen mußten, als diese Sonderberichterstatter. Wer hatte denn den gewissen Stacheldraht bezahlt? Wer die diskreten Uniformen der biminesischen Hafenpolizei? Die Sache sah mehr als verdächtig aus; sie roch ordentlich nach einer großen und smarten Spekulation.
Die Zeitungen schienen mir im Grunde vorwiegend der gleichen Ansicht zu sein. Ich ordnete die mehr betrachtenden Artikel über das Rätsel von Bimini und suchte die vorhandenen Meinungen zu analysieren. Es gab wohl eine ganze Anzahl Blätter, die so taten, als glaubten sie an die Legende von den gelben Soldaten oder die den Rest ihrer ranzig gewordenen Kriegsphrasen billig losschlugen und deutsche Intrigen an der Binchoküste entdeckt haben wollten; aber der tiefere Zweck dieses Geschreis schien mir klar genug: sie wollten das Staatsdepartement in Washington durch ihre Angriffe zwingen, Kriegsschiffe nach La Libertad zu schicken oder sonst auf geeignete Weise das Rätsel zu lösen, hinter dem die Herausgeber dieser Zeitungen ja doch auch großzügige Schiebungen irgendeiner amerikanischen Finanzgruppe vermuteten.
Andere Zeitungen sprachen ganz offen von Kupfer, Petroleum, nannten auf gut Glück die Morgan-Gruppe und den Oiltrust als die Leute, die das Land Bimini zeitweilig von der Weltwirtschaft abgesperrt haben sollten, sicher aus vortrefflichen Gründen und nicht zum Schaden des Präsidenten Iriarte. Ich übergehe das ganz amüsante Gerede einiger Boulevardblätter, die mit nichts geringerem zufrieden sein wollten, als mit der Feststellung, daß man in Bimini endlich El Dorado entdeckt habe, das langgesuchte Goldland der Conquistadoren, oder nein, man hatte vielmehr Ponce de Leons Jungbrunnen gefunden, ein Wasser, in dem faustgroße Radiumklumpen herumschwammen, und das alternde Menschen ein bißchen anders verjüngen konnte als der Herr Professor Steinach in Wien.
Nachdem ich alle erreichbaren Artikel über das Problem von Bimini gelesen hatte, war ich etwas enttäuscht; es lag, für einen guten Nachrichtenleser deutlich erkennbar, auf dem Grunde dieses Geplätschers eine ganz gemeine Finanztransaktion. Ich war überzeugt, daß man nicht nach Bimini fahren mußte, um ihr auf die Spur zu kommen; eine Reise nach Washington hätte mir auch genügt. Die größten amerikanischen Zeitungen hätten ihren Korrespondenten in Washington wegen grober Pflichtversäumnis eine Nase schicken sollen, statt eigens gecharterte Schiffe vergeblich nach La Libertad fahren zu lassen. Was konnte denn klarer sein, als daß man im Staatssekretariat des Äußeren in Washington ganz genau alle etwaigen Vorgänge im Inneren des »verschlossenen Landes« kannte? Daß Uncle Sam zwischen Mexico und dem Panamakanal geheimnisvollen Fremden gestatten würde, sich einzunisten, war eine blödsinnige Hypothese. Die Vereinigten Staaten haben die Regierung Iriartes in Bimini bisher noch nicht anerkannt und unterhalten keine offiziellen Vertreter im Lande der Binchos, aber ganz bestimmt unoffizielle Agenten. Wenn die Washingtoner Bundesregierung den ganzen Bimini-Rummel in den Zeitungen sich austoben ließ, ohne zu der Sache das Wort zu ergreifen, bedeutete dies nichts anderes, als daß in Bimini irgendwelche Interessen der amerikanischen Wirtschaft durch Schweigen und Zuwarten am besten gefördert werden konnten. Welche, hätte ich in Washington wahrscheinlich erfahren können; ich bilde mir ein, mit Diplomaten besser umgehen zu können als der durchschnittliche amerikanische Reporter.
Aber war es mir denn um das Geheimnis von Bimini zu tun? Mir war es, belieben sie sich zu erinnern, um eine Winterreise in die Tropen zu tun. Nach Washington zu reisen, in drei Tagen herausbringen, daß man in Bimini Kupferlager oder Erdölquellen entdeckt hat, zehn Zeilen nach Kopenhagen kabeln, die Kupferoder Petroleumpreise auf dem Weltmarkt zu erschüttern und einige Finanzleute damit zu ruinieren, andere damit bereichern, das lockte mich wenig. Was immer das Geheimnis von Bimini sein mochte, es würde zur Not interessant genug sein, ein Dutzend Reisefeuilletons damit aufzuputzen. Zwar schien mir die Aktualität der ganzen Affäre bereits im Abnehmen; entweder wegen der abweisenden Haltung der Bundesregierung oder aus irgendwelchen anderen Gründen begann der ganze Bimini-Lärm bereits zu verstummen. Vielleicht wußte der eine oder andere Zeitungsherausgeber schon, wer die mysteriösen Fremden in Bimini waren und fand es einträglich, solche Wissenschaft nicht vorzeitig zu verbreiten. Kurz, die Hochflut der Artikel war entschieden vorbei, und mir konnte das sehr recht sein. Ich brauchte Monate, um meine Reise nach Bimini zu vollenden, und hatte kein Interesse daran, wenn während dieser Zeit das große Rätsel von einem anderen enthüllt wurde, oder wenn mir an der Grenze von Bimini aufgeregte Kollegen zwischen den Beinen herumliefen. Ich beschloß, das Land des Geheimnisses in aller Gemütlichkeit und Stille allein zu durchforschen; desto besser, wenn unterdessen die Welt Bimini und die Binchos wieder gründlich vergessen haben würde.
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