»Hi«, sagte sie und wünschte sich sofort, ihr wäre etwas Originelleres eingefallen.
Stan sah zu ihr auf, ohne Augenkontakt herzustellen. Sein Blick erforschte ihren Körper auf eine Art, mit der nur ein Mann in seinem Gewerbe davonkommen konnte. Er kritzelte etwas auf ein Blatt Papier vor sich.
»Name?«
»Jennifer. Äh … Adams.«
Stan notierte das auf seinen Block. »BH-Größe?«
Jennifer musste ein bisschen darüber lächeln, wie geradeheraus und begeisterungslos Stan war – so gar nicht wie die betrunkenen Verbindungsstudenten, die ihr sonst diese Frage stellten.
»85 D.«
Er fuhr mit seinem Gekritzel fort, scheinbar mehr an seinem Block interessiert als an Jennifer selbst. Sie wollte gern seine Aufmerksamkeit gewinnen, aber möglichst ohne dabei närrisch oder unprofessionell zu wirken.
»Tanzerfahrung?«
»Ähm … ein Jahr Ballett und zwei Jahre Cheerleading.«
»Partner?«
»Wie bitte?«
Stans Augen verließen plötzlich den Schreibblock und stellten zum ersten Mal direkten Kontakt mit Jennifer her.
»Mit wie vielen Leuten hast du es getrieben?«
»Oh. Ähm … warum ist das …?«
»Beantworte die scheiß Frage.«
Jennifer blinzelte und versuchte sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen. »Vier.«
Mit einem Stöhnen machte Stan eine weitere Notiz.
»Darf ich wissen, warum das eine Rolle spielt?«
»Ich will hier Versautheit. Verdorbene Schlampen. Hast du viel Erfahrung mit deinen vieren gesammelt?«
»Ich, ähm … ich meine, ich kenne mich ganz gut aus, ja.«
Stan verdrehte die Augen. »Alles Männer?«
Jennifer unterdrückte ein Lachen. Sie wollte wirklich nicht albern sein, aber Stans beiläufige Erkundigung nach den intimsten Details ihres Sexlebens waren so ganz verschieden von jedem Vorstellungsgespräch, das sie je erlebt hatte.
»Es tut mir leid, das ist …«, begann sie zu erklären, doch Stan unterbrach sie.
»Wenn das für dich komisch ist, dann kannst du dich gleich verpissen. Wenn du mit mir nicht übers Rohreverlegen reden kannst, wie soll ich glauben können, dass du damit klarkommst, deine Kleider vor fünfzig Handbetrieblern auszuziehen? Es gibt nicht viel, was mich noch überraschen würde, und ich weiß jetzt schon, dass du es garantiert nicht schaffst. Ich hatte mal ein Mädchen hier, das hat Fetischpornos gemacht. Die hat mit einem Pferd gefickt. Das hat sie mir frei raus gesagt und ich hab sie vom Fleck weg eingestellt. Worauf ich hinaus will, ist: ich scher mich einen Dreck um die schüchterne und reservierte Show, und wenn ich Geld daraus schlagen soll, dass Kerle dich vögeln wollen, dann will ich wissen, was für eine Art Sexpartner du bist.«
»Ich verstehe«, sagte Jennifer, die sich jetzt umso mehr um professionelles Verhalten bemühte. »Ähm … Ja. Alle von denen waren Männer.«
»Fühlst du dich mit Frauen wohl?«
»Wohl inwiefern?«
»Na ja, sagen wir mal wohl genug, um eine Muschi auf der Bühne zu lecken. Vor einem Haufen grölender Wichser, zum Beispiel.«
»Ich denke schon«, sagte Jennifer. Sie betete, dass er übertrieb und hoffte, er würde ihr das nicht anmerken. »Außerdem war ich zwar nur mit vier Männern richtig zusammen, aber theoretisch ist da noch was in der Jugendhaft passiert.«
»Das ist großartig«, sagte Stan. Er legte den Stift weg und faltete die Hände. »Erzähl mir davon.«
23:00 Uhr
Als der für Tragic Jack gedachte Anruf ankam, benutzte Jeremy die Telefonzelle vor dem One-Night Stan's gerade als Toilette. Nachdem er sich ein Taxi gerufen und erklärt hatte, dass das Stan's »der Stripklub mit dem großen Schild mit den Titten, wo ständig Leute auf dem Parkplatz erstochen werden« war, legte er auf und lehnte seine Stirn gegen seinen über das Telefon geschlungenen Arm. Er schloss die Augen und versuchte den Alkohol bei sich zu behalten.
Eine Kippe hätte seinen Magen beruhigt. Bei Gott, er wünschte sich, bis morgen gewartet zu haben, um mit dem Rauchen aufzuhören. Er hätte bei Wendy's gegessen für eine Zigarette, jetzt sofort.
Nachdem er ein paar Minuten lang am Telefon gelehnt hatte, war ihm mehr oder weniger entfallen, wo er sich befand. Geistesabwesend holte er seinen Pimmel aus der Hose und entfesselte die Hölle. Das war dann auch der Zeitpunkt, an dem die draußen wartende Frau entschied, dass sie eigentlich gar nicht so dringend telefonieren musste.
Nach geschlagenen dreißig Sekunden verrichteter Notdurft begann das Telefon unter Jeremys Arm zu klingeln. Es erschreckte ihn so sehr, dass er gegen eine der Seitenwände sprang und über den kompletten Hörer pinkelte.
Es gab nur wenige Menschen – betrunken oder sonst wie – die auch nur das geringste Interesse dafür verspürten, etwas anzufassen, das sie mit Urin durchnässt hatten, aber das Klingeln verursachte Jeremy Kopfschmerzen und er wollte die Telefonzelle nicht mitten beim Pissen verlassen.
Er nahm den Hörer mit zwei Fingern auf und hielt ihn nicht ganz ans Ohr.
»Hallo?«, meldete er sich und nahm an, dass es wahrscheinlich das Taxiunternehmen war, das wissen wollte, wie groß die Titten auf dem Neonschild waren.
»Jack?«, sagte eine Reibeisenstimme am anderen Ende der Leitung.
Jeremy kicherte, weil ihm seine Unterhaltung mit Caleb über falschverbundene Anrufe wieder einfiel.
»Ja, hier ist Jack. Hör mal. Ich glaube …«
»Nein, du hörst zu«, unterbrach ihn die Stimme. »Ich rede, du hörst zu. Warum hat das Telefon siebenmal geklingelt, bevor du abgenommen hast?«
»Ich war am Pissen«, sagte Jeremy, ohne über seine Antwort nachzudenken.
»Verfickte Scheiße. War meine Nachricht nicht deutlich genug? Elf Uhr, pünktlich. Was passiert wohl, wenn ein anderer Klugschwätzer abnimmt, während du pissen gehst?«
»Hör mal, Mann«, begann Jeremy, aber die Stimme fiel ihm wieder ins Wort.
»Nein, du hörst verdammt noch mal zu , Arschloch! Ich rede. Schon vergessen? Ich will dir nicht noch mal sagen müssen, dass du deine blöde Fresse halten sollst. Du und ich werden ein scheiß langes Gespräch führen müssen, wenn du jemals wieder für uns arbeiten willst. Jetzt hol das Geld aus dem Wartungsschuppen am nordöstlichen Ende vom Sunset Park. Dann geh zurück zu deinem Motelzimmer. Ich treffe dich da bei Sonnenaufgang.« Jeremy suchte nach einer Antwort, aber da der Mann am anderen Ende auflegte, bevor ihm irgendetwas einfallen konnte, stand er nur mit offenem Mund da. Irgendwann bemerkte er, dass er aufgehört hatte zu pinkeln.
23:01 Uhr
»Okidoki. Dann lass deinen Schwanzspitzer mal sehen«, sagte Stan.
Jennifer blinzelte. »Oh. Dürfen wir überhaupt …? Ich dachte, das Gesetz verbietet … unten ohne.«
»Was bist du? Ein Bulle?«
»Äh … nein?«
»Okay, dann zeig mir deine Muschi.«
Jennifer zögerte einen Moment, aber ihr fiel keine Strategie ein, um Zeit zu schinden. Sie vermutete ihre einzige Chance darin, zu tun, was er sagte und sich dabei so ungezwungen wie möglich zu geben. Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Jeans und zog sie herunter, heilfroh darüber, dass sie sich heute rasiert hatte.
»Was zum Teufel machst du da?«, sagte Stan.
»Ich … du hast gesagt …« Jennifer bedeckte sich.
»Du kannst dich nicht einfach so zeigen! Das ist nicht sexy. Bin ich etwa dein scheiß Gynäkologe? Du musst dich präsentieren.«
Jennifer zog ihre Hose wieder hoch. Ihr Gesicht war vor Wut und Scham gerötet. »Mir war nicht klar, dass du wolltest …«
»Der heikelste Teil des Tanzens ist es, deine Schnecke zu entblättern. Das verlangt ein gewisses Können. Was du gerade getan hast, war ausnahmslos das schlimmste Strippen, das ich je gesehen habe.«
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