»Unsere Eltern«, sagte Bobbo, »sind gesandt, um uns in Versuchung zu führen!« Er genoß Ruths Abhängigkeit von ihm, die Art und Weise, wie der Blick ihrer dunklen, tiefen, leuchtenden Augen ihm durch das Zimmer folgte. Er schlief gern mit ihr. Sie war eine warme, dunkle, immerwährende Zufluchtsstätte, und wenn Licht war, konnte er immer noch die Augen schließen.
»Vielleicht heiraten sie«, sagte Brenda zu Angus, »und ziehen beide aus.«
Ruth verbrauchte mehr heißes Wasser, als Brenda erwartet hatte, vor allem im Bad. In Hotels ist das heiße Wasser umsonst.
»Ich glaube kaum«, sagte Angus. »Ein Junge wie Bobbo muß eine kluge Wahl treffen, was seine zukünftige Frau anbelangt, mit einem Blick für Geld und Beziehungen.«
»Ich hatte weder das eine noch das andere«, sagte Brenda, »und trotzdem hast du mich geheiratet!« Und sie küßten sich, voller Sehnsucht, endlich wieder allein zu sein, ohne die jüngere Generation.
Bobbo ging zurück aufs College, bestand seine letzten Buchprüferexamen und holte sich eine Leberentzündung. Ruth stellte fest, daß sie schwanger war.
»Heiraten!« sagte Bobbo entsetzt.
»Sie ist eine Perle unter den Frauen«, sagte Brenda. »Ich weiß nicht, wie dein Vater ohne sie auskommen soll. Sie ist tüchtig und pflichtbewußt und gut .«
»Aber was werden die Leute sagen ?«
Brenda tat so, als hätte sie nichts gehört und bot das Haus zum Verkauf an. Sie und Angus zogen wieder ins Hotel, jetzt, wo Bobbo auf eigenen Beinen stehen konnte. Audrey Singer gab ihre Verlobung mit einem anderen bekannt. Bobbo trank eine halbe Flasche Whisky, erlitt einen bösen Rückfall und heiratete Ruth, als diese im fünften Monat schwanger war. Hepatitis ist eine deprimierende, schwächende Krankheit, und Bobbo kam es zu der Zeit so vor, als hätte seine Mutter recht, und eine Frau wäre wie die andere. Ruths großer Vorteil war, daß sie da war.
Auf dem Gang zum Standesamt trug Ruth ein Hochzeitskleid aus weißem Satin, und Bobbo erkannte, daß er sich womöglich geirrt hatte. Zwischen den einzelnen Frauen konnte es beträchtliche Unterschiede geben. Er glaubte, die Leute hämisch kichern zu hören. Kaum war das Baby geboren, da ging sie mit dem nächsten schwanger.
Danach bestand Bobbo darauf, daß Ruth eine Spirale trug, und sah sich nach geeigneteren Empfängerinnen seiner Zuneigung und sexuellen Energie um. Er fand sie problemlos, als erst mal die Auswirkungen seiner Hepatitis nachgelassen hatten. Er verabscheute Unehrlichkeit und Heuchelei und teilte Ruth stets mit, was geschehen war und was demnächst geschehen würde, wenn es sich einrichten ließ. Er sagte ihr, daß auch sie frei für sexuelle Experimente ihrerseits war.
»Wir werden eine moderne offene Ehe führen«, hatte er ihr erklärt, bevor sie heirateten. Sie war im vierten Monat, und es ging ihr ziemlich schlecht.
»Natürlich«, sagte sie. »Was bedeutet das?«
»Das bedeutet, daß wir beide unsere Leben voll ausleben und stets ehrlich zueinander sein müssen. Die Ehe muß unsere Leben wie ein schützender Mantel umhüllen und darf sie nicht beschneiden. Wir müssen das als Startpunkt betrachten, nicht als Ziellinie.«
Sie hatte zustimmend genickt. Manchmal preßte sie, um ihre Übelkeit zurückzudrängen, ihren Mund mit den Fingern zusammen. Das tat sie auch jetzt, während er über seine persönliche Freiheit sprach. Er wünschte, sie würde es nicht tun.
»Wahre Liebe ist nicht besitzergreifend«, erklärte er ihr. »Nicht unsere Art häusliche, dauerhafte Liebe. Eifersucht ist, wie jedermann weiß, ein gemeines, niedriges Gefühl.«
Sie hatte ihm beigepflichtet und war ins Badezimmer gerannt.
Bald stellte er zu seiner Bestürzung fest, daß sich sein Vergnügen an sexuellen Experimenten durch das Wissen steigerte, daß er es schließlich seiner Frau erzählen würde. Als Zeuge erotischer Ereignisse stand er außerhalb seines eigenen Körpers. Die Erregung wurde größer und die Verantwortung geringer, da er alles mit Ruth teilen konnte.
Ihnen war beiden klar, daß die Schuld an allem Ruths Körper trug. Er hatte diesen Leib notgedrungen und irrtümlicherweise geheiratet und würde ihm gegenüber seine grundsätzlichen Pflichten erfüllen, aber nie würde er sich mit diesen gewaltigen Ausmaßen abfinden; Ruth wußte das nur zu gut.
Lediglich seine Eltern schienen zu erwarten, daß er sich wie ein treuer, netter Ehemann verhielt, so wie sich Angus Brenda und Brenda Angus gegenüber benahm. Sie behandelten Bobbo und Ruth wie einen richtigen Ehemann und eine richtige Ehefrau und nicht wie ein Paar, das versehentlich geheiratet hatte.
Ruth hatte die Babys im Kinderwagen durch den Park geschoben und sich mit Süßigkeiten und romantischen Liebesromanen – darunter die von Mary Fisher – getröstet, während Bobbo in der Welt vorangekommen war.
Kurz nachdem sie nach Eden Grove gezogen waren, hatte Bobbo auf einer seiner Partys in einem überfüllten Raum Mary Fisher gesehen, und sie hatte ihn gesehen und zu ihm gesagt: »Ich möchte Klientin von Ihnen werden.«
Und er hatte gesagt: »Sofort.«
Und die Vergangenheit verblaßte für Bobbo, einschließlich der Leiden und Ekstasen, die er bei Audrey Singer kennengelernt hatte, und die Gegenwart wurde übermächtig, und die Zukunft verwandelte sich in ein wunderbares gefährliches Mysterium.
So begann die Affäre. Bobbo und Ruth fuhren Mary Fisher von der Party nach Hause. Um sich unverzüglich ins Vergnügen stürzen zu können, hatte Mary Fisher ihren Rolls-Royce voller Ungeduld leider sehr unglückselig geparkt, denn sie behinderte eindeutig den Verkehr; während sie mit dem Gastgeber flirtete, schleppte die Polizei ihren Wagen ab.
Sie würde, so sagte sie, am Morgen ihren Diener Garcia schicken, um das alberne Vehikel abzuholen. Doch jetzt, sagte sie, könnten Bobbo und Ruth sie auf der Heimfahrt mitnehmen?
»Selbstverständlich!« rief Bobbo. »Selbstverständlich.«
Ruth hatte angenommen, daß Mary Fisher gemeint hatte, sie selbst sollte auf dem Heimweg abgesetzt werden, doch als Bobbo an der Ecke Eden Avenue und Nightbird Drive stoppte, erkannte sie ihren Irrtum.
»Begleite sie wenigstens bis zur Tür«, protestierte Mary Fisher, ein Akt der Herablassung, den Ruth ihr nie verzieh, doch Bobbo meinte nur lachend:
»Irgendwie glaube ich nicht, daß Ruth so leicht das Opfer einer Vergewaltigung werden könnte, oder, Darling?« Und Ruth erwiderte loyal: »Das macht mir absolut nichts, Miss Fisher. Wir wohnen in einer Sackgasse, da ist das Wenden in der Dunkelheit so schwierig! Und wir haben die Kinder ohne Babysitter gelassen. Ich muß wirklich so schnell wie möglich heim.«
Aber niemand hörte ihr zu, also stieg sie hinten aus – Mary Fisher saß vorn, neben Bobbo –, und noch bevor die Tür zufiel, hörte sie Mary Fisher sagen: »Du wirst mir nie verzeihen. Ich wohne so weit draußen. Fast an der Küste. Genau genommen, direkt an der Küste.« Und Bobbo entgegnete: »Glaubst du, ich weiß das nicht?«, und dann schlug die Tür zu, und Ruth stand im Dunkeln, während die kräftigen roten Rücklichter des Wagens in der Finsternis davonschossen. Mit ihr fuhr Bobbo nie so: rrrum, rrrum! Und sie bat Bobbo nie um einen Gefallen, fragte nie, ob er sie mal mitnehmen oder was für sie besorgen könnte; stets machte er ein Riesentheater, wenn sie es tat. Wie konnte Mary Fisher es wagen? Und wieso bezauberte ihn ihre Anmaßung, anstatt ihn abzustoßen? Eine Fahrt bis zur Küste , während Ruth lieber durch den Regen lief, bloß um Bobbo nicht fünfzehn Sekunden lang aufzuhalten.
Sie ging nach Hause und dachte darüber nach und lag die ganze Nacht lang wach. Selbstverständlich kam Bobbo nicht heim, und am Morgen schrie Ruth die Kinder an, bevor sie sich klar machte, daß es nicht fair war, ihren Kummer an ihnen auszulassen; sie riß sich zusammen und aß vier getoastete Brötchen mit Aprikosenmarmelade, als das Haus still und sie alleine war.
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