Cloud Computing steht im Kontext des seit den 1980er-Jahren zunehmend verbreiteten Konzepts des sog. IT-Outsourcing, das vor allem für die Vielzahl der Unternehmen relevant wird, für die IT zwar wichtig ist, jedoch nicht zu ihren eigenen Kernkompetenzen zählt.49 Die Cloud-Technologie in ihrer heutigen Form ist jedoch eine deutliche Modifikation bzw. Weiterentwicklung klassischer Outsourcing-Konzepte.50 So ermöglicht die für Cloud Computing charakteristische vollständige Entkopplung von Kundenstandort und Rechenzentrum eine wesentlich höhere Flexibilität aufgrund der Verteilbarkeit der ausgelagerten Dienste auf unterschiedliche Standorte.51 Zudem sinkt die Abhängigkeit des Kunden vom Anbieter, da er jederzeit auf unterschiedliche Cloud-Dienste von unterschiedlichen Anbietern zugreifen kann und sich im Regelfall nicht langfristig an einen Dienstleister binden muss.52 Das hat allerdings auch zur Folge, dass der Kunde keine individuelle Anpassung der angebotenen Dienste durch den Anbieter erwarten kann, sondern dass er diese regelmäßig selbst vornehmen muss.53
3. Das Application-Service-Provider-Modell
Das sog. Application-Service-Provider-Modell (ASP) ist ein direkter Vorläufer des Cloud Computing in der Variante des Software-as-a-Service (dazu siehe unten). Auch beim ASP werden dem Kunden bedarfsorientiert Softwareanwendungen zur Verfügung gestellt, etwa über einen Terminal-Server-Zugang.54 Der Anbieter stellt die Anwendung i.d.R. über das Internet oder ein privates Datennetz bereit und übernimmt für den Kunden Aufgaben wie Administration, Datensicherung sowie das Einspielen von Upgrades oder Patches.55 Hier unterscheidet sich ASP vom sog. Applikations-Hosting, bei dem ebenfalls eine Software zur Verfügung gestellt wird, der Kunde aber Administration usw. selbst übernimmt.56 Ebenso wie das eigentliche Cloud Computing ist auch das ASP-Modell eine besondere Form des IT-Outsourcing.57 Wenn das ASP-Konzept heute trotz der großen Parallelen zu Cloud Computing (speziell SaaS) als weitgehend durch letzteres überholt anzusehen ist, so liegt das daran, dass bei ASP-Modellen praktisch keine gemeinsame Nutzung physischer Ressourcen stattfindet, sondern für jeden Nutzer eine dezidiert-individuelle Infrastruktur bereitzustellen ist, weshalb die gewünschten Skaleneffekte letztlich oft nicht erreicht werden.58
Eher eine (in der Rückschau in mancherlei Hinsicht durchaus prophetische) Vision aus den Anfangszeiten des Internets als eine tatsächlich relevante Vorläufertechnologie des Cloud Computing verbirgt sich hinter dem Stichwort „Utility Computing“. Der Informatiker John McCarthy sagte anlässlich eines Vortrags auf dem MIT Centennial 1961 voraus, dass es eines Tages möglich sein werde, Rechnerleistung im Rahmen der öffentlichen Versorgung vergleichbar mit dem Strom- oder dem Telefonnetz zu beziehen.59 Nachdem einige frühe Versuche, diese Vision in die Tat umzusetzen gescheitert waren, nicht zuletzt wegen fehlender Verbreitung des Internets und unzureichender Hardware, wurde sie mit dem Aufkommen von Cloud Computing wieder aufgegriffen und ist heute in mancher Hinsicht bereits Realität.60
42S. Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 13ff. 43S. Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 15f. 44Meir-Huber, Cloud Computing, S. 19; Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 7 mit einem Beispiel; Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 24. 45Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 25. 46Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 25f. 47Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 25f. 48Vgl. dazu Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 7; außerdem zur deutlich höheren kommerziellen Bedeutung von Cloud Computing gegenüber der Grid-Technoplogie Meir-Huber, Cloud Computing, S. 19. 49Vgl. Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 16. 50Schmidt-Bens, Cloud Computing, S. 2f. 51Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 26f., die allerdings auch ein Beispiel für Prozesse benennen, die sich nicht für eine Auslagerung in die Cloud eignen. 52Schmidt-Bens, Cloud Computing, S. 3. 53Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 27. 54Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 16f. 55Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 23. 56Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 23. 57Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 7; Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 24. 58Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 17; auch Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 7, wonach es sich bei ASP und SaaS um „das gleiche Modell, [...] aber unterschiedliche Entwicklungsstufen und Ausprägungen“ handelt. 59Vgl. das abgedruckte Originalzitat bei Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 19; ferner Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6; siehe aber auch Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 2, wo das Konzept des Utility-Computing dem kanadischen Forscher und Wissenschaftsminister Douglas Parkhill zugeschrieben wird, wobei dessen Buch erst 1966 erschien. 60Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 19.
Cloud-Services werden in unterschiedlichen Modellen angeboten, die üblicherweise in die drei Kategorien SaaS, PaaS und IaaS unterteilt sind.61 Teilweise wird die Kombination der Modelle auch als Everythingas-a-Service (EaaS) bezeichnet.62
1. Software-as-a-Service (SaaS)
Das bislang wohl am weitesten verbreitete Modell zur Bereitstellung von Cloud-Anwendungen läuft unter der Bezeichnung „Software-as-a-Service (SaaS)“.63 Hier stellt der Provider eine Software zur Verfügung, die vom Endkunden über einen Webbrowser benutzt, jedoch hinsichtlich Wartung, Aktualisierung, Fehlerbeseitigung usw. ausschließlich vom (Cloud-) Provider betrieben wird.64 Der Nutzer kann somit von unterschiedlichen (auch mobilen) Endgeräten aus jederzeit auf seine Anwendungen (Dokumente) zugreifen, ohne dass die entsprechende Software auf den Endgeräten noch installiert sein muss.65 Unter die Rubrik „SaaS“ fallen z.B. klassische Webmail-Dienste wie „Web.de“ oder „Microsoft Hotmail“ sowie etwa SalesForce CRM oder Google Docs.66 SaaS bietet eine breite Palette von Einsatzmöglichkeiten und ist deshalb sowohl für kommerzielle (Business) als auch für private Nutzer von großem Interesse.67 Google bietet z.B. Tabellenkalkulations-, Textverarbeitungs- und Präsentationssoftware via SaaS an, was für Firmenkunden besonders interessant sein kann.68
Herkömmliche Webmail-Dienste bilden i.Ü. den ersten – bislang nicht immer als solchen benannten – Berührungspunkt zwischen Cloud Computing (in Form von SaaS) und strafprozessualen Ermittlungen, da die Möglichkeiten des Zugriffs von Ermittlern auf in Webmail-Accounts gespeicherte E-Mails Gegenstand einer breiten Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum ist (dazu näher siehe unten). Sofern zunehmend Firmen dazu übergehen sollten, Teile ihrer betriebsbezogenen Unterlagen (z.B. Buchhaltung) über SaaS-Anwendungen zu verwalten,69 können vergleichbare Probleme zukünftig auch vermehrt in Wirtschaftsstrafverfahren auftreten, wenn die Ermittler bei Durchsuchungen in den Firmengebäuden auf der dort vorgefundenen Hardware keine Daten finden.
2. Platform-as-a-Service (PaaS)
Unter dem Schlagwort „Platform-as-a-Service (PaaS)“ versteht man die Bereitstellung einer Entwickler-Plattform, auf der die Nutzer – es wird sich regelmäßig um Web-Entwickler handeln – eigene Programme kreieren und hosten können.70 Geläufige Beispiele hierfür sind die „Google App Engine“ oder „Microsoft Windows Azure“. Solche Anwendungen stellen dem Benutzer eine vollständige Entwicklungsumgebung für Programmierarbeiten zur Verfügung.71 PaaS-Angebote sind die Basis für die Entwicklung von SaaS-Anwendungen, die bei Nutzung von PaaS-Technologien produziert werden können, ohne dass der Entwickler eigene IT-Kapazitäten vorhalten muss.72 Der PaaS-Anbieter legt zur Ermöglichung einer umfassenden Automatisierung regelmäßig bestimmte Rahmenbedingungen fest, etwa die Programmiersprache und verwendbare Bibliotheken, während der Kunde im Übrigen seine Programme nach eigenem Belieben gestalten kann.73 Häufig liegen bereits einzelne Komponenten einer Entwicklung als vom Anbieter bereitgestellte Dienste vor.74
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