Als Hauptauftragnehmer wählte die ESA für die Realisierung des Projektes Airbus in Toulouse aus, die sich mit ihrem Systemvorschlag gegenüber anderen bedeutenden Mitkonkurrenten durchgesetzt hatte. Der offizielle Programmstart erfolgte im Juli 2015. Danach führte Airbus eine Ausschreibung durch, in dem die Entwicklung und der Bau der Subsysteme ausgeschrieben wurden. Im nachfolgenden Wettbewerb setzten sich neben der ArianeGroup GmbH in Lampoldshausen für das Antriebssystem noch folgende weitere Hauptauftragnehmer durch: Airbus Spanien: Struktur/Abschirmung/Thermal-Design. Airbus in den Niederlanden für die Solargeneratoren. CRISA in Spanien: Elektrik. Antwerp Space: Kommunikation. Airbus Friedrichshafen ist verantwortlich für die Auslegung des elektrischen Systems, die Betreuung der Instrumente und die AIT-Aktivitäten an und mit der Raumsonde (AIT ist die Abkürzung für Assembly Integration & Test).
Das Angebot der ArianeGroup GmbH in Lampoldshausen für das Antriebs- und Lageregelungssystem wurde vom Hauptauftraggeber am höchsten bewertet. Hier war sicher die jahrzehntelange Expertise in vielen vorangegangenen ESA-Missionen wie Exomars, Herschel/Planck, das Automated Transfer Vehicle (ATV) und das Orion-Antriebsmodul mit ausschlaggebend. Und natürlich das Wissen, dass dort immer ein bisschen mehr möglich gemacht wird als anderswo. Flexibilität ist eine der großen Stärken der Spezialisten im Hardthauser Wald (in dem Lampoldshausen liegt). Somit konnten für den Standort Lampoldshausen die Arbeiten offiziell mit der Auftragserteilung im Juni 2016 durch den Hauptauftragnehmer Airbus Toulouse beginnen. Als Nutzlast hat JUICE insgesamt elf Instrumente aus den verschiedenen beteiligten ESA-Mitgliedsstaaten an Bord. Deutschland ist dabei mit zwei Instrumenten an der Mission beteiligt, nämlich mit GALA (dem GAnymed Laser Altimeter) vom Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR) und mit SWI (für Submillimeter Wave Instrument) vom Max Planck Institut in Göttingen. Mit GALA wollen die Wissenschaftler die Topographie des Mondes, sowie die durch die Gezeiten verursachten Änderungen seiner Form untersuchen. Durch diese Messungen erhofft man sich einen indirekten Nachweis der Existenz eines Ozeans unter der dicken Eisschicht. Mit SWI wird die Stratosphäre und die Exosphäre des Jupiters untersucht und die Exosphären und Oberflächen der Eismonde. Die anderen Forschungsinstrumente an Bord der Sonde kommen aus Frankreich, Italien, Holland, Schweden und England. Sie werden von den dortigen Agenturen und Institutionen entwickelt und national finanziert. Für manche dieser Experimente könnte es übrigens aus heutiger Sicht zeitlich sehr eng werden, das „Fenster“ für die finale Integration noch zu erreichen. Hier gilt: Wer nicht rechtzeitig fertig wird, bleibt daheim.
Das Antriebssystem von JUICE
Die großen Herausforderungen der Mission an die Raumsonde gelten insbesondere auch für das Antriebssystem. Sollte ein Instrument bei der Ankunft im Jupitersystem nicht funktionieren, wäre das ein herber Verlust, aber die Forschungsreise könnte trotzdem fortgesetzt werden. Funktioniert jedoch das Antriebssystem nicht, dann bedeutet das automatisch das Aus für die Mission. Deswegen stand das CPS (für: Chemical Propulsion System) schon während der Vorstudienphasen im Brennpunkt der Aufmerksamkeit der ESA. So mussten neue Tanks für die große erforderliche Menge an Treibstoff entwickelt werden. Es mussten viele Redundanzen eingebaut werden für den Fall, dass einzelne Komponenten versagen sollten. Und es wurde eine große Anzahl von Tests, beispielsweise mit dem Haupttriebwerk, durchgeführt, um sicher zu stellen, dass das komplette System den besonderen Bedingungen der Reise und des mehrjährigen Aufenthaltes im Jupitersystem widerstehen kann. Die JUICE-Plattform ist bislang die größte Satelliten-/Raumsondenstruktur die in Lampoldshausen mit einem Antriebssystem ausgestattet wurde. Das CPS von JUICE besteht dabei aus den folgenden Hauptkomponenten:
Zwei Tanks für insgesamt drei Tonnen Treibstoff (Hydrazin) und Oxidator (Stickstofftetroxid), die innerhalb der Zentralstruktur der Sondenplattform übereinander installiert sind.
Drei Helium-Drucktanks für die Bedrückung der Treibstofftanks. Sie werden benötigt, um den Triebwerken über die komplette Missionsdauer hinweg ausreichend Treibstoff für den Betrieb zuzuführen.
Ein Triebwerk mit einer Leistung von 400 Newton für die Hauptmanöver, wie zum Beispiel das Abbremsen zum Einschwenken in das Jupitersystem.
Für Lageregelung und Orbitanpassungen sind sechs 10 Newton- und vier 22 Newton-Triebwerke an Bord. Dieses System ist aus Redundanzgründen doppelt vorhanden. Es gibt also ein zweites, paralleles System mit weiteren sechs 10 Newton- und vier 22 Newton-Raketenmotoren. Die insgesamt acht 22 Newton-Triebwerke bilden außerdem den Plan B für das Abbremsmanöver. Sollte aus irgendeinem Grund das 400 Newton-Triebwerk versagen, wäre das alles entscheidende „Orbit-Insertion-Maneuvre“ auch mit diesen Triebwerken möglich.
Redundante Ventile und Regler zur zeitweisen Isolation und Regelung von Druck und Treibstoff.
Filter, welche die empfindlichen Bauteile vor potenziellen Partikeln schützen.
Eine große Anzahl von Sensoren zur Überwachung von Druck und Temperatur.
Ein weit verzweigtes Rohrleitungssystem, welches das gesamte CPS miteinander verbindet.
Seit der Projektauswahl bei der ESA im Mai 2012 steht der Starttermin Juni 2022 eisern und unverrückbar fest. Das ist gelinde gesagt ungewöhnlich in der Raumfahrt, wenn nicht gar einzigartig. Aber jetzt wird doch langsam die Zeit knapp. Jede noch so kleine Abweichung in der Fertigung bringt den kompletten Zeitplan in Gefahr und erfordert neue Wege, um es dennoch zu schaffen. So wurde entschieden, nicht wie geplant lediglich das Antriebssystem in Lampoldshausen zu integrieren, sondern auch vorher und teilweise sogar parallel den Harness (das ist die komplette elektrische Verkabelung) vorzubereiten. Auch Teile der MLI, das ist die „Multi Layer Insulation“, quasi der „Pullover“ des Satelliten und das, was später so schön silbern und golden glänzt wurden dort angebracht. Daneben wurde auch an der Struktur noch geändert und ergänzt. Zeitweise arbeiteten vier Teams von unterschiedlichen Firmen an unterschiedlichen Subsystemen gleichzeitig an der Satellitenstruktur. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Am Wochenende und über die Feiertage. Teilweise sogar im Mehrschichtbetrieb.
Um Zeit zu sparen war das CPS schon so weit wie möglich vorintegriert und getestet worden. Im September 2019 wurde die Satellitenplattform angeliefert und danach wurde in Rekordzeit das Antriebssystem in diese Struktur integriert. Es waren sieben unglaublich intensive Monate. Bevor JUICE zur nächsten Station geschickt wurde, musste das komplette System noch ausgiebig getestet werden. Im April 2020 verließ die Struktur den ArianeGroup-Standort Lampoldshausen in Richtung Friedrichshafen. Dort erfolgt nun die finale Integration. Weitere Subsysteme werden dort fertiggestellt und integriert, die Instrumente werden dort eingebaut und die Sonde wird für die abschließenden Gesamttests vorbereitet. Diese werden nahezu das gesamte Jahr 2021 in Anspruch nehmen. Bei allen Herausforderungen zeigte sich hier die Kraft einer gemeinsamen Vision und einer gemeinsamen Aufgabe. Es war egal, von welcher Firma und aus welchem ESA-Mitgliedsland jemand kam und welche Muttersprache jemand sprach. Alle, wirklich alle kämpften um das gemeinsame Ziel, den Zeitplan für einen Start im Jahr 2022 einzuhalten.
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