„Schon richtig, um neun geht’s los. Aber ich bin fast immer so früh hier. Da habe ich den Ballettsaal für mich und kann mich in Ruhe aufwärmen und dehnen.“
Unvermittelt vollführte er einen nurejewesken Sprung, landete punktgenau direkt vor mir und ging nahtlos in eine hofknicksähnliche, bodentiefe Verbeugung über. Sein Arm stieg elegant in die Höhe und überreichte mir die vier Opernkarten aufgefächert wie eine Rose.
„Hey, cool!“, rief ich begeistert aus und nahm die länglichen Pappzettel entgegen. „Sogar zwei und zwei zusammen, genial!“, stellte ich nach kurzem Blick auf den Aufdruck fest. „Dass du das geschafft hast …!“
Murat richtete sich ebenso elegant auf, wie er niedergesunken war und zeigte in einem breiten Grinsen seine weißen Zähne.
„Ich habe einen ganz guten Kontakt zum KBB, und die haben immer welche in Reserve“, erklärte er stolz.
„KBB?“
„Künstlerisches Betriebsbüro.“
Ich wollte lieber nicht nachfragen, welcher Art dieser Kontakt war. Jedenfalls profitierte ich davon.
Murat gehörte zu der Sorte Mensch, die nicht lange stillsitzen oder -stehen kann. Wahrscheinlich muss man als Tänzer so sein. Während ich noch glücklich die Karten in meiner Hand studierte, hatte er sich auch schon radschlagend entfernt und landete an der Stange, wo er ein Bein hoch in die Luft warf und in einer Weise gegen den Spiegel drückte, in welcher ich mir gewiss das Hüftgelenk ausgekugelt hätte.
„Uff!“, stieß ich bewundernd hervor. „Und das machst du jeden Morgen?“
„Fast jeden“, antwortete Murat und zwinkerte mir zu, indem er das Bein wechselte.
Ich hätte natürlich noch lange so stehen und seinen beeindruckenden Übungen zuschauen können. Aber allmählich kam ich mir etwas verloren vor. Er erwartete hoffentlich nicht, dass ich mitmachen würde!
„Na dann, tausend Dank für die Karten!“, bekräftigte ich also. Möglicherweise hatte ich das noch gar nicht in aller Deutlichkeit gesagt. „Was kriegst du dafür?“, fügte ich hinzu, obwohl ich längst registriert hatte, dass auf jeder Karte „0,00 €“ vermerkt war.
„Kein Geld“, antwortete Murat vergnügt.
„Und was kann man dir sonst mal Gutes tun?“
„Man? Was du mir Gutes tun könntest, da würde mir bestimmt was einfallen!“ Sein breites Grinsen bekam etwas Anzügliches.
„Oh, ich soll gewissermaßen in Naturalien zahlen?“, stieg ich auf das unmissverständliche Angebot ein und musterte seinen knackigen Körper demonstrativ ab. „Das lässt sich sicher einrichten. Und wann?“
Ich bemerkte, wie er an mir vorbei in Richtung Eingang schielte. Als ich seinem Blick folgte, sah ich die Wanduhr über der Tür sieben Minuten vor acht anzeigen.
„Du bestehst auf sofortiger Zahlung?“, schloss ich mit erhöhtem Puls. „Ist das nicht ein bisschen gefährlich?“
„Nö“, antwortete er gelassen. „Vor halb neun wird hier kein Mensch aufkreuzen. Und wenn doch, hab ich aus Versehen den Schlüssel innen steckengelassen.“
So ein Schlitzohr! Sah ganz so aus, als habe er etwas geplant mit mir. Mit der Nummer, die er jetzt vollführte, hätte er im Zirkus auftreten können: Mit traumwandlerischer Sicherheit und überaus geschmeidig vollführte er einen zeitlupenartig langsamen Handstandüberschlag in meine Richtung, und irgendwie schaffte er es dabei, sein zerfetztes Shirt ganz selbstverständlich über die Handgelenke zu Boden rutschen zu lassen und mit auf diese Weise entblößtem Oberkörper in meinen Armen zu landen – jawohl, in meinen Armen, denn ich konnte nicht anders, als begeistert zuzupacken, als ich diesen spitzenmäßig definierten, schweißglänzenden Torso plötzlich so unverhüllt direkt vor mir sah. Hinzu kam Murats moschusartiger Duft.
„Vorsicht, deine schönen Klamotten!“, raunte er mir aus nächster Nähe ins Gesicht.
So plötzlich, wie er in meinen Armen aufgetaucht war, so plötzlich hatte er sich wieder befreit und war in zwei nun schnelleren Überschlägen wieder in Richtung Stange davongewirbelt.
„Ich dachte, du verlierst auf dem Rückweg auch noch deine Hose“, witzelte ich.
„Die sitzt zu eng, da brauch ich fremde Hilfe!“, rief Murat mir vergnügt von der Stange aus zu, indem er vorgeblich versuchte, das Beinkleid durch laszive Beckenbewegungen abzuschütteln. Die Art und Weise, in welcher sein prächtiger Arsch sich dabei wiegte und anspannte, reizte mich bis aufs Blut.
„Aber vorher sind sowieso erst mal deine Klamotten dran, du hast noch viel zu viel an!“, rief er mir über die Schulter zu.
„Aber ohne solche Zirkuseinlagen, das könnte böse enden!“, lachte ich und ließ mir im selben Moment meine Tasche und das Jackett von den Schultern rutschen.
Murat war nicht weit genug von mir entfernt, als dass ich mir auf dem Weg zu ihm sämtliche Klamotten hätte vom Leib reißen können, aber immerhin blieben Hemd, Schuhe und Strümpfe auf der Strecke, bis ich von hinten an ihn herantrat. Natürlich spürte er mich und ließ sich mir mit einem tiefen Seufzer entgegenfallen. Muskulöse Schultern drückten gegen meine nackte Brust, und ich vergrub mein Gesicht in seinem kurzen, festen Kopfhaar. Gleichzeitig hakte ich beide Daumen in den Bund seiner Balletthose. Doch ehe ich ihn gänzlich ausziehen konnte, wirbelte er mit einem ungeduldigen Aufstöhnen zu mir herum, und wir schienen sabbernd und lechzend einander auffressen zu wollen. Schließlich stieß ich ihn ein kleines Stück von mir weg, um an ihm hinunterschauen zu können. Das massive Paket in seinem Schritt hatte sich entfaltet zu einer schräg in die Höhe drängenden Wurst, deren rosige Spitze bereits über den Rand der engen Hose schaute. Ehe wir es uns versahen, hatte ich ihm das tatsächlich sehr fest um seine athletischen Formen liegende, letzte Kleidungsstück mit einer entschlossenen Bewegung bis zu den Fesseln heruntergezogen, und Murat schüttelte es hektisch ab. Nun stand er splitternackt, wie Gott ihn erschaffen hatte, vor mir und blinzelte mir mit seinen tiefdunklen Augen fast benommen entgegen. Der Anblick seines durchtrainierten Körpers ließ ich für ein paar Sekunden atemlos innehalten. Unser erstes Treffen in Sebastians spärlich beleuchteter Wohnung war in permanentem, stimmungsvollem Halbdunkel abgelaufen. Jetzt, in der schonungslosen Beleuchtung des lichtdurchfluteten Ballettsaals waren Atmosphäre und Optik jenem ersten Erlebnis denkbar entgegengesetzt, was jedoch, wie ich begeistert feststellte, Murats Perfektion in keiner Weise einen Abbruch tat.
Als wollte er mich aus meiner Erstarrung reißen, vollführte er jetzt einen wollüstigen Beckenschwinger und versetzte mir so einen Schubser mit seinem vorwitzig in die Höhe ragenden Penis.
Andächtig fuhr ich daraufhin endlich, von den runden Schultern beginnend, mit beiden Händen über die mustergültig definierte Muskulatur an Armen, Brust und Seiten, streichelte über seine spärlich behaarte, leicht raue Haut. Nach anfänglicher Passivität schaute Murat zwischen uns hinunter, um dann, wie es schien, in aller Ruhe meine Hose zu öffnen. Im Nu rutschte der geschmeidige Stoff an meinen erregten Beinen zu Boden, und in einer Aufwallung heftiger Ungeduld zog ich mir selbst den als Letztes verbliebenen Slip herunter.
Begleitet von lüsternem Keuchen aus zwei Kehlen schlugen unsere steifen, heißen Schwänze zusammen, rieben sich aneinander, balgten förmlich, bis es Murat nicht mehr in dieser für ihn womöglich allzu unspektakulären Position zu halten schien. Den Tänzer verlangte es nach raumgreifenden Posen, danach, seine Lust in kunstvoller Bewegung zum Ausdruck zu bringen. Plötzlich reckte er ein Bein senkrecht in die Höhe, sodass es zusammen mit dem anderen eine einzige, massive Säule aus Muskeln und Sehnen zu bilden schien. Sein fester Arsch spannte sich dabei ebenso maximal an wie die vielen, deutlich ausgeprägten Muskeln an seinem Oberkörper, den er dabei mit langen Armen waagerecht zur Stange hinüberreckte. Der ganze Kerl bot einen Anblick perfekter Körperbeherrschung und kraftvoller Anspannung – das Einzige, was im völligen Gegensatz dazu verletzlich und ungeschützt wirkte, war sein zartes, inmitten der harten Hinterbacken sich darbietendes Arschloch. Ohne seine Körperhaltung zu verändern, drehte Murat sich langsam um die Achse seiner Beine, bis die weit aufgespreizte Öffnung genau vor mir zuckte und um Zuwendung zu betteln schien.
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