Herausgegeben von
Thomas Ballhausen und Sophie Reyer
Unter redaktioneller Mitarbeit
von Noémi Kolbus
Anthologie
Ballhausen, Thomas; Reyer, Sophie (Hg.): Sagen reloaded / Thomas
Ballhausen, Sophie Reyer (Hg.), Czernin Verlag 2020
ISBN: 978-3-7076-0705-5
© 2020 Czernin Verlags GmbH, Wien
Unter redaktioneller Mitarbeit von Noémi Kolbus
Umschlaggestaltung und Satz: Mirjam Riepl
ISBN Print: 978-3-7076-0705-5
ISBN E-Book: 978-3-7076-0706-2
Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien
Vorbemerkung
Elisa Asenbaum | Der Rachen der Hexe
Thomas Ballhausen | Judy zieht in den Krieg
Xaver Bayer | Die Legende vom Basilisken
Alexandra Bernhardt | ANO KATO
Hannah Bründl | wir kennen das ende nicht, wir kennen nur das wasser
Lucas Cejpek | Die große Kurve
Daniela Chana | Die Spinnerin am Kreuz
Peter Clar | Über den See, über das Wäldchen
Michaela Debastiani | Der Zaungast
Sophie Esterer | Der Schleuserkönig: Eine sagenhafte Satire
Thomas Fröhlich | Das Zicklein und der Wolf
Michaela Frühstück | Hechten
Petra Ganglbauer | Wie Graz zu seinem Namen kam. Keine sagenhafte Reise
Walter Grond | Die Teufelsmauer zu Spitz
Marlene Hachmeister | Dämon Wind
Jack Hauser & David Ender | Wilde wilde Jagd
Elias Hirschl | Hin und weg
Sabina Holzer | Bas il isk
Udo Kawasser | Klushund reloaded
Robert Kleindienst | Schnee von gestern
Margret Kreidl | Die schwarze Frau. Augenzeugen
Michael Mastrototaro | Drei Falten ergeben Dreifaltigkeit
Hanno Millesi | Saint Vitus’ Licht (aka die Dienstbotenmadonna)
Clemens Ottawa | Der Teufel vom Krapfenwaldl
Judith Nika Pfeifer | mountainbrut
Sophie Reyer | Meermaids
Chris Saupper | HUSQVARNA UNIVERSAL. Ein Treatment
Nikolaus Scheibner | Der Basilisk
Sabrina Schmidt | Der Teufel muss ein Wiener sein. Eine verzweigte Geschichte mit verhängnisvollen Entscheidungen
Stefan Schmitzer | Drei Raben
Bernd Schuchter | Der Felsenzinken
Marion Steinfellner | Winddämonin
Christoph Szalay | Der Höllenstein oder which Violence to portray HOW?
Katharina Tiwald | Attilas Grab reloaded
Erwin Uhrmann | Der Goldwäscher, der Mönch, die reiche Familie, der arme Fährmann und die Donaunixe
Zarah Weiss | Die Kemenate
Herbert J. Wimmer | das glück in der taborstrasse
Christa Agnes Tuczay | Sage, Gerücht, Alltagsgeschichte
Über die Autorinnen und Autoren
»and knives and questions, which, unanswered
close the covers of a book we insist on living in«
Jim Carroll: Living at the Movies
Mit der vorliegenden Anthologie haben wir uns als Herausgeberteam den Wunsch nach einer ambitionierten, vielschichtigen Auseinandersetzung mit dem österreichischen Sagenschatz erfüllt – eine vorsätzlich literarische Wunscherfüllung, die, so ist zu hoffen, auch ganz im Sinne einer wohlwollenden Leserschaft geschehen ist. Die Sage, klar abzutrennen von den verwandten Textsorten Märchen oder Legende, sollte dabei, so unser schon vor Jahren in Gesprächen ausformulierter Gedanke, sowohl auf ihre Verbindungen von Geschichte, Geschichten und Geschichtsschreibung hin befragt werden als auch auf die Kontexte eines zu problematisierenden Erzählens. In der Umsetzung ist dies weit lustvoller und lebendiger als es in diesen etwas spröde anmutenden Sätzen anklingen mag, stehen im Zentrum der Sagen doch oft Fragen und Herausforderungen, die auch in unseren Tagen nichts von ihrer grundsätzlichen Bedeutung eingebüßt haben. Es sind die sprichwörtlich großen Themen, denen wir in unserer menschlichen Zerbrechlichkeit, Schönheit oder auch Schrecklichkeit weder entkommen können noch wollen.
Um diese Aktualisierungen zu gewährleisten, wollten wir unseren Autorinnen und Autoren möglichst viele Freiheiten gewähren, ohne aber auf die einfache, doch wahre Klausel zu vergessen, dass wenige, doch verbindliche Vorgaben anregender wirken können, als wenn einfach alles erlaubt ist (oder zu sein scheint). So entschieden wir uns zuletzt für zwei strukturelle Spielregeln: Einerseits sollte ein deutlicher Bezug zu einer österreichischen Sage, den darin eingelagerten Motiven und dem jeweiligen Bundesland eingelöst werden, andererseits, ganz gemäß den vorliegenden Sagensammlungen, sollte der neue literarische Text im Umfang eher knapp bemessen sein. Dass die Kürze der durch die Sagenforschung zusammengetragenen Texte wohl auch den Bedingungen des Sammelns an sich geschuldet ist, sei an dieser Stelle schon erwähnt – nachdem wir aber sonst keinerlei weitere Vorgaben machen wollten, konnte diesem Umstand von unserer Seite aus Rechnung getragen werden: Neben einer ausführlichen Nachbemerkung, die alle Aspekte der österreichischen Sagen, ihrer Geschichte, Verbreitung und Erforschung vorstellt, haben wir den biografischen Anhang um grundsätzliche Informationen zu den Sagentexten, auf die jeweils Bezug genommen wurde, ergänzen können. Ganz vorsätzlich haben wir auf einen Wiederabdruck der ursprünglichen Texte verzichtet, die ja nicht nur ohnehin leicht verfügbar sind, sondern vielleicht auch eher von den hier erstmals zusammengestellten Beiträgen abgelenkt hätten. Die gelungene Auseinandersetzung mit den Sagen zeigt sich in ihrer lustvollen kritischen Befragung und Aktualisierung, das Spektrum der literarischen Annäherungen reicht dabei von der klassischen Nacherzählung bis zum interaktiven Spiele-Text, von der lyrischen Prosa bis zum filmischen Treatment, vom Essay bis zur dramatischen Szene. Die Zusammenstellung im Band folgt, nach langer Überlegung, einer alphabetischen Ordnung gemäß den Nachnamen der Autorinnen und Autoren – so hat sich nicht nur eine wünschenswerte Durchmischung nach Bezugstexten und Bundesländern ergeben, vielmehr konnten wir so auch verhindern, das insbesondere in unserer Gegenwart so kritisch zu durchleuchtende Moment der Grenze erneut zu bestätigen oder gar zu verfestigen. Vielmehr, und das ist uns mit den hier versammelten Texten hoffentlich gelungen, war es uns ein übergeordnetes Anliegen, das Wandern von Motiven, Bildern und Fragen nachzuzeichnen und dem menschlichen Grundbedürfnis des Erzählens gemeinsam nachzuspüren.
Wir danken deshalb an erster Stelle allen Autorinnen und Autoren, die unserer Einladung so bereitwillig gefolgt sind und uns alle mit ihren Texten beschenkt haben; wir danken dem Team des Czernin Verlags, das unseren Vorschlag mit großer Begeisterung aufgenommen und in allen Phasen der Erarbeitung unterstützt hat, und last, but not least danken wir Noémi Kolbus, die unsere fordernde editorische und redaktionelle Arbeit mit humorvoller Unerschütterlichkeit und viel Elan begleitet hat.
Thomas Ballhausen & Sophie Reyer
(Wien, im Sommer 2020)
Elisa Asenbaum
Der Rachen der Hexe
Am Abend des 11. März 1936 * 1ging ein junger Bursche durch das Dorf, als ihm ein Mädchen begegnete, welches seine Schürze um den Kopf geschlagen hatte. Man sah nur ihre Augen hervorblitzen, denn sie hatte die Schürze über das Haupt und seitlich bei den Ohren kreuz und quer über Mund und Nase gefaltet, das Band auf dem Hinterkopf zu einem Knoten festgezogen, schwebten die Enden flatternd im Wind.
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