Renée Toft Simonsen
SAGA Egmont
Karlas Welt
Aus dem Dänischem von Julia Pfeiffer nach
Karlas Kabale
Copyright © 2011, 2018 Renée Toft Simonsen und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711516065
1. Ebook-Auflage, 2018
Format: EPUB 2.0
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Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.
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Für Ulrikke, Jens Kristian, Hugo, Ida Marie und alle anderen Herzenskinder dieser Welt …
Dank gilt meinem allerliebsten Ehegatten, denn du bist mein Leuchtfeuer. Du bist der beste Kritiker, den sich eine Frau wünschen kann und du bist derjenige, der die Schriftstellerei mit deinem starken Glauben an meine Fähigkeiten als Autorin in Gang gebracht hat.
Am Eingang zu dem großen, gelben Haus stand ein kleines Schild. Auf diesem Schild stand:
Hir wohnen wir alle zusamen, is doch klar
Es war ein Schild, das Karla selbst gemalt und dort angebracht hatte, weil nie ein richtiges Namensschild gemacht wurde. Im Inneren des Hauses kreischte eine hohe Mädchenstimme: „Das mach ich nicht, da geh ich garantiert nicht mit! Ich kenne diese Cecilie nicht einmal!“
Ein spindeldürres Mädchen mit schulterlangem, blonden Haar und großen, blauen Augen rauschte durch das Wohnzimmer und trat gegen Sofa und Stühle. Es war Karla und sie war rasend. Mama hatte nämlich gesagt, dass eine ältere Dame, die Cecilie hieß, auf sie aufpassen sollte. Karla konnte einfach nicht verstehen, warum sie nicht woanders bleiben konnte und warum sie nicht einfach alleine zu Hause bleiben durfte. Solche alten Damen waren nichts für sie. Karla war schon fast zehn Jahre alt und hätte doch ohne weiteres einen Nachmittag alleine verbringen können. Karla hasste es, wenn Entscheidungen einfach über ihren Kopf hinweg getroffen wurden. Das Nervigste am Kind sein war, dass die Erwachsenen die ganze Zeit über alles Mögliche bestimmten, was sie nichts anging.
Ich stelle mich tot, dachte sie sich. Ich rühre mich einfach nicht vom Fleck. Ich bleibe hier am Boden liegen und mache mich schwer – soll mich Mama doch dorthin schleifen!
So war Karla; ein selbstständiges Mädchen, das immer dazu bereit war Widerstand zu leisten, wenn es etwas nicht wollte. Karla war auch ein Mädchen, das ständig auf pfiffige Ideen kam und immer wieder für kräftigen Radau sorgte. Ein Mädchen, das Dinge machte, bevor es darüber nachdachte.
„Jetzt komm schon! Wir müssen fahren, sonst schaffe ich es nicht rechtzeitig zu meinem Treffen“, rief Mama und kam ins Wohnzimmer, wo sich Karla auf den Teppich, zur Hälfte gar unter den Couchtisch, gelegt hatte.
„Das lässt du bitte schön bleiben“, sagte Mama. Ihr war sofort klar, was Karla im Schilde führte.
„Ich sage es dir nur ein einziges Mal. Du wirst dorthin gehen und wenn ich dich tragen muss. Aber wenn ich das muss, dann werde ich mir eine Strafe überlegen.“
„An welche Strafe denkst du denn?“, fragte Karla.
„Hmm, ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht so etwas wie, dass du eine ganze Woche lang keine Freundinnen mit nach Hause nehmen darfst und kein Taschengeld am Freitag.“
„Das traust du dich nicht“, erwiderte Karla, „ich habe morgen etwas mit Katrine ausgemacht.“
„Na das ist aber ärgerlich. Denn daraus wird dann wohl nichts, wenn du jetzt nicht freiwillig mitkommst.“ Mama wandte sich um. „Du hast zwei Minuten.“
Karla überlegte, was dafür und was dagegen sprach, das zu tun, was von ihr verlangt wurde. Ihr Körper lag schwer auf dem weichen Teppich und ihre Zehen krümmten und streckten sich abwechselnd.
„Ich freu mich schon drauf, erwachsen zu sein“, sagte sie laut zu sich selbst, während sie langsam auf die Beine kam. Sie dachte sich, wenn sie einmal groß wäre und von zu Hause wegzöge, dann gäbe es niemanden mehr, der über sie bestimmen würde. Vielleicht würde sie Mama niemals mehr besuchen. Nein, Mama könnte sie ihretwegen tausend Jahre lang vermissen, aber Karla wäre das egal. Wenn sie einmal groß wäre, dann würde die dumme Mama sie jedenfalls nicht mehr tragen können. Bis dahin wäre sie viel zu groß und viel zu schwer.
Karla ging mit steifem Körper und beleidigter Mine aus der Tür und setzte sich schmollend ins Auto.
„Guten Tag, Karla“, sagte Cecilie, „wie schön, dass du mich besuchen möchtest.“ Cecilie konnte Karla ansehen, dass sie nicht gut gelaunt war und Mama fuchtelte wild mit ihren Armen, um deutlich zu machen, dass die Situation vollkommen verrückt war. Cecilie tat, als hätte sie von alledem nichts bemerkt.
„Mich besuchen nicht mehr so viele Leute und weil ich schon eine alte Dame bin, komme ich auch nicht mehr so viel raus. Deshalb liebe ich es, Besuch zu bekommen. Es ist schön, jemandem zum Reden zu haben. Man kann ganz schön einsam werden, wenn die Beine nicht mehr richtig mitmachen.“
„Tschüss, bis später“, sagte Mama und eilte zur Tür hinaus, während Cecilie weiter mit Karla sprach. Karla wollte nicht einmal auf Wiedersehen sagen. Sie starrte einfach nur auf den Boden.
„Früher habe ich gehen und rennen können, genau wie du. Und das habe ich auch wirklich gemacht; jeden einzelnen Tag! Ach, was habe ich nur immer alles vorgehabt. Ich habe so viele Pläne und Freundinnen gehabt mit denen ich spielen wollte. Natürlich habe ich nicht so viel spielen können, wie ihr es heutzutage könnt. Ich habe ja schließlich arbeiten müssen.“
Während Cecilie redete, mischte sie Karten. Sie glitten in- und auseinander. Nicht ein einziges Mal verlor sie eine Karte, obwohl es ziemlich schwer ging. Cecilies Finger waren ein bisschen krumm und steif. Aber trotzdem war sie wirklich gut im Kartenmischen. Sie begann, die Karten in gleich großen Stapeln aufzulegen, die jeweils aus vier Stück bestanden. Die allerletzten vier Karten behielt sie in der Hand, während sie eine von ihnen umdrehte. Es war eine Sieben.
„Hmm, na sowas, auf Wiedersehen und ab mit dir. Geh doch dorthin, wo die Siebener wohnen.“
„Hast du arbeiten müssen, als du noch ein Kind warst?“, fragte Karla. Jetzt war sie neugierig geworden. „Kinder arbeiten doch nicht, oder?“
„Oh doch! Als ich noch klein war, haben Kinder arbeiten müssen. Wir haben im Haus und auf dem Feld helfen müssen, wann immer es nötig war. Und das ist fast immer der Fall gewesen. Das waren andere Zeiten damals, als ich ein Kind war. Ich bin auf einem Hof auf dem Land aufgewachsen und meine Mutter und mein Vater haben immer viel zu tun gehabt. Sie haben die Tiere füttern und den Garten und die Felder pflegen müssen und wir Kinder haben kräftig mit angepackt. Das ist notwendig gewesen, denn sonst hätten wir kein Geld bekommen. Und kein Geld hätte kein Essen bedeutet.“ Karla hob den Kopf, damit sie besser hören konnte, was Cecilie sagte. Es klang merkwürdig, dass sie arbeiten musste, als sie ein Kind war. Karla kannte keine Kinder, die arbeiteten. Es war zumindest niemand in ihrer Klasse, der das machte. Sie mussten vielleicht ein bisschen mithelfen den Tisch zu decken oder den Müll hinaustragen – das musste Katrine zumindest – aber niemand musste so richtig arbeiten. Die Kinder, die Karla kannte, sollten ganz im Gegenteil lieber den ganzen Tag lang spielen. Manchmal waren es sogar die Erwachsenen, die sie zum Spielen ermunterten, wenn sie nichts machten.
„Ich muss nicht arbeiten, aber ich soll dafür die ganze Zeit spielen“, sagte Karla.
„Das klingt aber auch ganz schön anstrengend“, sagte Cecilie.
„Die Erwachsenen können ziemlich merkwürdig sein. Sie mögen es nicht, wenn die Kinder nicht spielen oder nichts machen. Waren deine Eltern geschieden?“, wollte Karla gerne wissen.
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