—38 Prozent sagen: Wir brauchen mehr Personal.
—31 Prozent: Wir brauchen weniger Personal.
—31 Prozent bekunden: Wir brauchen anderes Personal beziehungsweise andere Kompetenzen.
—Im Durchschnitt wird ein Substitutionspotenzial traditioneller Jobs in Höhe von 31 Prozent angenommen.
—Digitalisierung (67 Prozent), neue Produkte/Geschäftsfelder (41 Prozent), künstliche Intelligenz (37 Prozent) und die weitere Globalisierung (35 Prozent) sind die häufigsten Gründe, die zu einer Veränderung der Personalstruktur führen.
—62 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass sie Covid-19 als Chance sehen, um ihre Personalstruktur anzupassen.
—48 Prozent der Befragten erwarten höhere Kosten, wenn die Workforce Transformation nicht aktiv umgesetzt wird.
Fazit: Für drei Viertel der Vorstände und Geschäftsführer in unserer Umfrage hat die digitale Transformation bereits begonnen, beziehungsweise sie sehen sie in ihrem Unternehmen bis zum Jahr 2025 angekommen. Das ist aus unserer Sicht und vor dem Hintergrund der von der Corona-Pandemie verursachten gegenwärtigen Probleme ein relativ kurzer Zeitrahmen. Sorgen bereitet uns vor allem die prozentuale Lücke zwischen den Unternehmen, die angeben, dass sich in ihrer Organisation die Personalstruktur komplett oder teilweise ändert beziehungsweise ändern muss (77 Prozent), und den Unternehmen, die strategische Personalplanung schon als Steuerungsinstrument einsetzen (52 Prozent).
Umfrage zur Workforce Transformation unter 252 Vorständen (Oktober 2020)
In ein Verhältnis setzen können wir diese Zahlen auch zu den Aussagen von 35 Prozent der Befragten: »Wenn wir Workforce Transformation nicht aktiv umsetzen, verlieren wir unsere Wettbewerbsfähigkeit«, und 48 Prozent sagen: »Wenn wir Workforce Transformation nicht aktiv umsetzen, rechnen wir mit deutlich erhöhten Kosten.« Das sollte uns alle alarmieren.
In Zeiten, die so herausfordernd sind wie diese und in denen sich Ereignisse immer schwerer vorhersehen lassen, sollten Unternehmen Steuerungsinstrumente nutzen, die ihnen mehr Vorausschau ermöglichen und eine Basis für ihre Entscheidungen liefern können. Sie müssen sich sowohl mehr Klarheit über den Status quo und den künftigen Soll-Zustand ihrer Belegschaft verschaffen als sich auch in Echtzeit verschiedene Zukunftsszenarien vor Augen halten können.
Die Corona-Krise und ihre disruptiven Folgen
Das Schlagwort von der Disruption traditioneller Geschäftsmodelle und der Art und Weise des Zusammenarbeitens ist ja schon seit Jahren im Schwange – allerdings immer unter dem Vorzeichen, dass es ausschließlich die neuen Technologien seien, die solche Prozesse vorantrieben. Das bleibt natürlich nach wie vor richtig. Aber jetzt wird uns überdeutlich vor Augen geführt, dass das Zusammenwirken dieser Pandemie mit ebendiesen neuen digitalen Möglichkeiten zu einer Beschleunigung dieser disruptiven Entwicklungen geführt hat – und das in ungeheurem Tempo.
Immer häufiger ist in diesem Zusammenhang neuerdings vom »New Normal« die Rede. In der Tat scheint das, was über Monate hinweg seit Frühjahr 2020 als Ausnahmesituation betrachtet wurde, bleibende Wirkung auch für die Zukunft zu entfalten. »Wir leben in einer völlig neuen Welt«, sagt zum Beispiel Nestlé-Chef Ulf Schneider. »Es gibt keine Rückkehr zu der Zeit vor der Krise.«
Das Homeoffice könnte sich zum neuen Standard der Arbeit für Unternehmen entwickeln. So will zum Beispiel der Versicherungskonzern Allianz die Hälfte der Geschäftsreisen und ein Drittel seiner Büroflächen einsparen. Bei der Deutschen Post DHL heißt es, dass die Corona-Krise als Katalysator gewirkt habe, dass sich auch künftig Büro-Präsenz und Homeoffice viel besser kombinieren ließen. Siemens jetziger Vize und zukünftiger CEO Roland Busch macht sich für einen dazu gehörenden, neuen Führungsstil stark: »Sie müssen weniger hierarchisch lenken, interne Silos niederreißen und in der Organisation Freiräume schaffen für Menschen, die neue Themen angehen.« Die neuen Lektionen reichen bis hin zur »bionischen Organisation«, in der Fähigkeiten von Mensch und Maschine verbunden werden, nicht nur um Prozesse effizienter zu gestalten, sondern auch um Innovation spürbar zu befeuern, wie es Dietmar Eidens von Merck in diesem Buch (Seite 41) beschreibt.
An einer weitergehenden Zukunftsvision arbeitet gerade Südkorea, eines der kreativsten und innovativsten Hightech-Powerhouses dieser Welt. Die Regierung hat unlängst ein Konzept vorgelegt, das sie »Untacting Economy« nennt, in der menschliche Interaktion zunehmend virtuell und sehr stark durch Bots unterstützt ist. Kurz: Es geht darum, menschliche Kontakte zu verringern oder durch Maschinen zu ersetzen. Für die südkoreanische Regierung liegt der Hauptfokus ihres 94 Milliarden US-Dollar teuren »New Deal«-Programms auf solcher Kollaboration zwischen Mensch und Maschine, durch die menschliche Nahkontakte – Stichwort: Social Distancing – weitgehend vermieden werden (sollen). Denn wir dürfen uns nichts vormachen: Das Corona-Virus wird so schnell wohl nicht aus der Welt verschwinden. Aber das ist natürlich nicht der einzige Grund für die Entwicklung einer »Untacting Economy«, wie es in einem koreanischen Regierungspapier heißt: »Untact is the idea of a future built around doing things without direct contact with others. Examples include self-service retail and contactless payment. The New Deal will promote ›untact industries‹ (e. g. remote healthcare, virtual offices, e-commerce support for small and medium sized enterprises). The idea of building an ›untact world‹ is driven by much more than the corona virus. The Korean government believes that it will support both the competitiveness of the economy by becoming a leader in ›untacting technologies‹ and improve the environment.«
Festhalten können wir aber auf jeden Fall, dass uns ebendieses Virus in kaum vorstellbarer Geschwindigkeit um fünf bis zehn Jahre weiter in die digitale Zukunft katapultiert hat. Die Transformation, die in Vor-Corona-Zeiten schon auf Hochtouren lief, hat sich noch einmal beschleunigt.
Auch Microsofts CEO Satya Nadella stellt fest: »Wir haben in zwei Monaten zwei Jahre digitaler Transformation erlebt.« Und das durchaus nicht nur im Bereich der Unternehmensorganisation. Vom schnell eingerichteten E-Learning an weiterführenden Schulen über virtuelle Museumsbesuche und Konzerte bis hin zu den kleinen Buchhändlern in den Stadtquartieren, die während des Frühjahrs-Lockdowns auf Onlinebestellungen umsattelten und die Bücher per Fahrrad an die Kunden auslieferten.
Unternehmen revolutionieren und vereinfachen jetzt ihr Betriebsmodell, sie automatisieren, wo immer es geht. Diese Schübe haben wir oben unter dem Kernwort »Workforce« beschrieben. So ist zum Beispiel der E-Commerce-Markt in den USA in drei Monaten so stark gewachsen wie in den letzten zehn Jahren davor, wie die Bank of America ausrechnete. Auch wir in Deutschland erleben den Boom von Zalando, Delivery Hero und vielen weiteren Onlinehändlern hautnah.
Diese Krise hat uns also vor allen Dingen gezeigt, was alles möglich ist, auch wenn es zuvor von vielen für nicht möglich gehalten wurde, wenn nicht gar dem Unternehmenserfolg abträglich, wenn die Arbeitsabläufe nicht in gewohnter Manier erfolgen. Vielleicht stellen wir ja fest, dass am Ende noch so viel mehr möglich ist.
Wir erleben, das Digitalisierung in kürzester Zeit an Tempo gewinnen kann. »Dass mobiles Arbeiten und mobiles Lernen zum Standard werden könnten, schien bislang undenkbar. Jetzt aber werden wie unter einem Brennglas die immensen Potenziale sichtbar, die digitale Technologien grundsätzlich bieten«, sagt Achim Berg, Präsident des deutschen IT-Branchenverbands Bitkom, in dem mehr als 2700 Unternehmen organisiert sind. Für Berg ist die Krise ein digitaler Wendepunkt und ein Weckruf, die Digitalisierung nun massiv voranzutreiben. Es dürfe dabei kein Zurück in den Vorkrisenmodus geben. Die Weichen dafür werden aber jetzt gestellt. Doch die Antworten von Unternehmen fallen dabei höchst unterschiedlich aus.
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