ROBERT FEUSTEL / NANCY GROCHOL / TOBIAS PRÜWER / FRANZISKA REIF (HG.)
WÖRTERBUCH DES BESORGTEN BÜRGERS
Robert Feustel:Studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Leipzig und Madrid, wurde mit einer Kulturgeschichte des Rauschs 2012 promoviert und verdient seine Brötchen an der Universität Leipzig. Seine Interessen liegen im Bereich der politischen Theorie und der Wissens- bzw. Wissenschaftsgeschichte. Veröffentlichungen u. a.: »Grenzgänge. Kulturen des Rauschs seit der Renaissance«, »Die Kunst des Verschiebens. Dekonstruktion für Einsteiger«.
Nancy Grochol:Studierte Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft in Leipzig und Reykjavik. Sie arbeitete in verschiedenen Forschungsprojekten. Mittlerweile ist sie freiberufliche Lektorin (mit dem Schwerpunkt Wissenschaft) und berät Unternehmen bei deren interner und externer Kommunikation. Nebenbei schreibt sie journalistische und sprachkritische Texte.
Tobias Prüwer:Studierte Philosophie und Geschichte in Leipzig und Aberdeen. Seit 2009 Theaterredakteur beim kreuzer. Wenn er nicht über Inszenierungsstrategien schreibt, beschäftigt er sich u. a. für Der Freitag, Jungle World, Nachtkritik und Jüdische Allgemeine mit Comics und Körperpolitiken, Heavy Metal und Arthouse, Essay und Kritik. Veröffentlichungen u.a.: »Humboldt reloaded. Kritische Bildungstheorie heute«, »Fürs Leben gezeichnet: Body Modification und Körperdiskurse«.
Franziska Reif:Studierte Linguistik und Anglistik und arbeitet als Autorin, Lektorin und Übersetzerin. Ihre Themen sind u. a. Arbeit und Geld, Industrie und Natur sowie sprachliche Phänomene jeder Art. Veröffentlichungen: mit T. Prüwer: »A wie Asozial. So demontiert Hartz IV den Sozialstaat«, mit Prüwer und Tim Tepper: »Weltnest Leipzig«.
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1. Auflage der erweiterten Ausgabe, Februar 2018
print-ISBN 978-3-95575-088-6
e-ISBN 978-3-95575-597-3
Cover: Oliver Schmitt
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!!1!1!! !!1!1!! Fünf Ausrufezeichen sind »ein sicheres Zeichen dafür, daß jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt«, witzelt eine Figur im Terry-Pratchett-Roman Mummenschanz . Ausrufezeichen müssen dazu herhalten, die Unmöglichkeit des Schreiens im geschriebenen Wort aufzufangen. Und weil die Frustration besorgter Bürger kaum zu steigern ist angesichts der Manipulationen und Bedrohungen, die das deutsche Volk erleiden müsse, ertönt jeder Satz mit zornbebender Stimme. Die Zahl der Ausrufezeichen markiert die Erregungsleiter. Zwei, drei wirken ruhig und besonnen. Ab acht wird die Wut anschaulich, bei 30 droht die Halsschlagader zu platzen. Die alte Kunst der Argumentation ist einem marktschreierischen Überbietungswettkampf gewichen: Jede noch so absurde Aussage beweist ihren Wahrheitswert anhand der Häufung einer Punkt-Strich-Kombination am Satzende. Die erregte Gesellschaft hat ihr Lieblingszeichen gefunden. Im Eifer des Gefechts und in Unkenntnis der Feststelltaste schleicht sich hin und wieder eine 1 ein, was der Angelegenheit beinahe einen typographischen Charme verleiht. Das wäre eine Randnotiz, würden die Besorgten nicht auf die Reinheit der deutschen Sprache pochen, die ein Ausrufezeichen nur bei einem Satz mit Imperativ vorsieht. Also wirklich selten. Und immer nur eins. [ rf ]
• 89 89 1989 war das Jahr, in dem mächtig was los war im Osten. Die Leute gingen in vielen Städten auf die Straße, riefen unter anderem »Wir sind das Volk« und am Ende gab es keine DDR mehr − so die verkürzte Wahrnehmung. Die wackeren Gida-Montagsspaziergänger meinen, Parallelen zur Gegenwart zu erkennen. »Ihr habt es geschafft, dieses Unrechtsregime dahin zu schicken, wo es hingehört, auf den Müllhaufen der Geschichte«, ruft Michael Stürzenberger am Jahrestag des Mauerfalls 2015 von der Leipziger Legida-Bühne. Und legt den Zuhörern nahe, es ein gutes Vierteljahrhundert später wieder so kommen zu lassen. Ähnliches schwebt auch Redner Graziano vor, der hofft, »dass wir alle gemeinsam es doch schaffen werden, dieses Regime zum Umdenken zu bringen, genau wie damals vor der Wende 1989. Sowas kann sich von heute auf morgen ändern und ihr wisst es: Das geht ruckzuck.« Weil ein Häufchen Getreuer in Leipzig alleine nicht in der Lage ist, derart Großes zu vollbringen, fallen die Namen von Städten, in denen der Protest ebenfalls lodert: Chemnitz, Duisburg und Kassel sind zu hören, Stendal, Goslar, Gera. Es seien viele »Patrioten« regelmäßig auf der Straße, »die dieses Regime nicht mehr länger ertragen können«. Im »Regime« und den abendländischen Protesten dagegen findet am selben Tag eine weitere Rednerin nicht nur Parallelen. Eigentlich sieht sie keine Unterschiede mehr zwischen früher und heute: Leute werden von Arbeitgebern und Kollegen wegen ihrer politischen Meinung schikaniert, die Kanzlerin ist eine ehemalige IM ( Erika ), Parteien und Presse sind gleichgeschaltet. »Wir sind das Volk!« und »Merkel muss weg!« sekundieren die Zuhörer und sind sich sicher, dieses Regime knickt vor ihnen ein, wie 89 der DDR-Staatsapparat. [fr]
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