– Ich hätte die Geschichte von Anfang an merken müssen, aber ich konnte doch nicht ahnen, daß Du so ein Lump wärst.
Er nahm eine ernste Miene an:
– Bitte, mäßige Dich in Deinen Ausdrücken.
Sie empörte sich gegen diese Zurechtweisung:
– Was, ich soll Dich mit Handschuhen anfassen? Du benimmst Dich gegen mich, seitdem ich Dich kenne, wie ein Lump, und ich soll es Dir nicht sagen dürfen? Du betrügst alle Welt, nutzt alle Welt aus, amüsierst Dich wo Du kannst und nimmst Geld woher Du es kriegst! Und ich soll Dich wie einen anständigen Kerl behandeln?
Er stand auf und sagte mit zitternder Stimme:
– Halte den Mund oder ich schmeiße Dich raus!
Sie stotterte:
– Rausschmeißen? Rausschmeißen? Hier, hier Du mich? Du mich? Du? Du?
Sie konnte vor Wut nicht mehr sprechen und schrie ihm endlich, als ob plötzlich die Pforten ihres Zornes gesprengt wären, ins Gesicht:
– Rausschmeißen? Du vergißt, daß ich die Wohnung hier bezahlt habe vom ersten Tage an! Ja, ab und zu hast Du sie wohl mal auf Deine Rechnung genommen, aber wer hat sie gemietet? Wer hat sie behalten? … Ich! Und Du willst mich hier rausschmeißen? Halt Du den Mund, Du Taugenichts! Du denkst wohl, ich weiß nicht, wie Du Magdalenen die Hälfte von ihrer Erbschaft gemaust hast! Glaubst Du, ich weiß nicht, daß Du mit Susanne geschlafen hast, um sie zu zwingen, Deine Frau zu werden!
Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie:
– Von der wirst Du nicht sprechen! Das verbiete ich Dir!
Sie rief:
– Du hast mit ihr geschlafen, das weiß ich!
Er hätte alles über sich ergehen lassen, aber diese Lüge brachte ihn in Wut. Bei den Wahrheiten, die sie ihm vorhin ins Gesicht geworfen hatte, hatte er innerlich gezittert vor Empörung, aber diese Unwahrheit über das kleine Mädchen, das seine Frau werden sollte, brachte ihn in solche Wut, daß es ihm in der Hand zuckte, und er rief:
– Schweig still! Nimm Dich in Acht! halt’s …..
Und er schüttelte sie wie einen Ast, von dem die Früchte fallen sollen. Sie brüllte, und ihre Frisur ging auf. Mit weit aufgerissenem Munde und ihn wie verrückt anstarrend, rief sie:
– Du hast mit ihr geschlafen!
Er ließ sie los und gab ihr eine solche Ohrfeige, daß sie gegen die Wand taumelte. Aber sie drehte sich um, reckte sich auf den Fußspitzen und schrie nochmals:
– Du hast mit ihr geschlafen!
Da stürzte er sich auf sie, drückte sie unter sich und schlug sie, wie er auf einen Mann eingehauen haben würde.
Sie schwieg plötzlich und fing bei den Schlägen an zu stöhnen, sie bewegte sich nicht mehr. Sie hatte ihr Gesicht in der Ecke versteckt und stieß Klagelaute aus.
Er hörte auf, sie zu schlagen und ließ von ihr. Dann machte er ein paar Schritte durch das Zimmer, um wieder ruhig zu werden, und kam plötzlich auf einen Gedanken. Er lief ins Schlafzimmer, goß kaltes Wasser in die Waschschale und steckte den Kopf hinein. Dann wusch er sich die Hände und während er sie sich sorgfältig trocknete, kam er zurück um zu sehen, was sie anfinge.
Sie lag noch unbeweglich am Boden und weinte leise.
– Hörst Du bald auf mit flennen?
Sie antwortete nicht. Da blieb er mitten im Zimmer stehen, etwas verlegen und beschämt vor diesem Körper, der da vor ihm ausgestreckt lag.
Dann faßte er plötzlich einen Entschluß, nahm seinen Hut vom Kamin:
– Gute Nacht! Wenn Du soweit bist, kannst Du dem Portier den Schlüssel geben, fällt mir nicht ein zu warten, bis Du wieder geruhst, vernünftig zu sein.
Er ging, schloß die Thür und trat beim Portier ein mit den Worten:
– Die Dame ist geblieben, sie geht später fort. Sagen Sie dem Hausbesitzer, daß ich zum 1. Oktober kündige, heute ist der 16. August, es ist also vor dem Termin.
Mit großen Schritten ging er davon, denn er hatte noch eilige Besorgungen zu machen für seine Hochzeit. Am 20. Oktober sollte sie stattfinden, nachdem die Kammern wieder zusammen getreten, und zwar in der Madeleine. Es war viel geredet worden, aber niemand kannte die Wahrheit. Verschiedene Gerüchte gingen um, man sprach von einer Entführung, aber keiner wußte etwas Gewisses.
Nach dem was die Dienstboten erzählten, hatte Frau Walter, die mit dem zukünftigen Schwiegersohn nicht mehr sprach, an dem Abend, an welchem diese Verbindung beschlossen worden und nachdem sie noch um Mitternacht ihre Tochter ins Kloster gebracht, einen Vergiftungsversuch, gemacht.
Beinahe sterbend hatte man sie gefunden, und sie würde sich wohl nie wieder ganz erholen. Sie sah jetzt aus wie eine alte Frau, ihr Haar wurde ganz grau, und sie ward fromm und ging jeden Sonntag zur Beichte.
In den ersten Tagen des September kündigte die › Vie française ‹ an, daß Baron Du Roy von Cantel ihr Chefredakteur geworden, während Herr Walter Herausgeber blieb.
Und nun wurde eine Menge von bekannten Feuilletonisten, Reportern, politischen Redakteuren, Kunst-und Theaterkritikern angeworben, die man mit der Macht des Geldes den großen, alten, bedeutenden Zeitungen weggekapert.
Jetzt zuckten die alten hochgeachteten Journalisten nicht mehr die Achseln, wenn sie von der › Vie française ‹ sprachen. Der große, schnelle Erfolg hatte die anfängliche Mißachtung der ernsten Schriftsteller überwunden.
Die Hochzeit ihres Chefredakteurs war ein großes Pariser Ereignis, da man in der letzten Zeit viel von Du Roy und von Walters gesprochen hatte. Alle Leute, die in der Rubrik »Aus der Gesellschaft« in den Zeitungen genannt zu werden pflegen, hofften dabei zu sein.
Das Ereignis fand an einem klaren Herbsttage statt. Von acht Uhr morgens ab hatten die Angestellten der Madeleine über die Stufen der Kirche, die die Rue Royale beherrscht, einen breiten, roten Teppich gebreitet, sodaß die Vorübergehenden stehen blieben, denn das zeigte Paris an, daß eine große Hochzeit stattfand.
Die Beamten, die in ihr Bureau gingen, die kleinen Arbeiterinnen, die Kommis, sahen zu und machten sich ihre Gedanken über die reichen Leute, die so viel Geld ausgaben, um sich zu verheiraten.
Gegen zehn Uhr begannen die Neugierigen sich dauernd anzusammeln, ein paar Minuten blieben sie da und hofften, daß es vielleicht gleich losgehen würde. Dann gingen sie wieder fort. Um elf Uhr kam eine Abteilung Schutzleute, ordnete den Verkehr und befahl weiterzugehen, sowie ein paar Leute stehen blieben.
Bald erschienen die ersten Eingeladenen, die gute Plätze haben wollten, um alles ordentlich zu sehen. Sie setzten sich längs des Hauptschiffs an die Ecken.
Allmählich kamen noch andere, Damen mit rauschenden Röcken aus knisternder Seide, würdige Herren, beinahe alle kahlköpfig, mit gesellschaftlicher Korrektheit daherschreitend, die an diesem Ort noch würdevoller als sonst erschienen.
Die Kirche füllte sich langsam. Die Sonne flutete durch die mächtige offene Thür herein und fiel auf die Freunde, die in der vordersten Reihe standen. Im Chor, der etwas dunkel war, sah der Altar mit seinen Kerzen gelb aus, ernst und bleich, dem großen Eingang gegenüber, durch den das helle Licht fiel. Man begrüßte Bekannte, nickte sich zu, fand sich in Gruppen zusammen. Die Schriftsteller, die weniger respektvoll waren, als die Leute der Gesellschaft, schwatzten halblaut. Man musterte die Damen.
Norbert von Varenne suchte einen Freund; er entdeckte Jacques Rival in der Mitte der Stuhlreihen und trat nun auf diesen zu mit den Worten:
– Den Gerissenen gehört die Zukunft!
Der andere, der nicht neidisch war, antwortete:
– Um so besser für ihn, er hat seinen Weg gemacht! Und sie erzählten sich, wer alles da wäre.
Rival fragte:
– Wissen Sie, was eigentlich aus seiner Frau geworden ist?
Der Dichter lächelte:
– Ja und nein! Sie lebt sehr zurückgezogen, wie man mir erzählt hat, im Montmartre-Viertel. Aber, … es giebt nämlich ein ›Aber‹, . . ich lese seit einiger Zeit in der ›Feder‹ politische Artikel, die verflucht denen Du Roys und Forestiers ähnlich sehen. Sie sind von einem gewissen Johann Ledol, einem jungen, schönen Kerl, klug, so etwa dieselbe Sorte, wie unser Freund Georg, und der dessen ehemalige Frau kennen gelernt hat. Ich schließe daraus, daß sie die Anfänger liebt und sie ewig lieben wird. Übrigens ist sie reich, Vaudrec und Laroche-Mathieu sind nicht umsonst Hausfreunde gewesen.
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