Sie hatte seine Hand genommen und drückte sie mit aller Kraft, und ihre Nägel gruben sich in sein Fleisch. Er antwortete ganz ruhig:
– Einverstanden. Es hat auch keinen Zweck davon wieder anzufangen. Sie sehen, ich bin heute sofort gekommen, als Sie geschrieben hatten.
Walter, der mit seinen beiden Töchtern und Magdalene vor ihnen war, erwartete Du Roy beim »Christus wandelt auf dem Meere«. Er sagte lächelnd:
– Denken Sie nur, ich habe gestern meine Frau vor diesem Bilde knieend gefunden, wie in einer Kapelle. Sie betete davor! Ich habe zu sehr gelacht!
Frau Walter antwortete in festem Ton, und aus ihrer Stimme zitterte geheime Bewegung:
– Dieser Christus wird meine Seele retten. Er giebt mir Mut und Kraft jedesmal, wenn ich ihn betrachte.
Und sie flüsterte, indem sie vor dem Heiland stehen blieb, der auf dem Meere wandelte:
– Wie schön! Wie sie ihn fürchten diese Männer und wie sie ihn lieben. Sehen Sie nur seinen Kopf und seine Augen! Wie einfach und doch zugleich übernatürlich.
Susanne rief:
– Er sieht Ihnen ja ähnlich, Liebling! Aber sicher! Wenn Sie einen Vollbart trügen, oder er keinen Bart hätte, wären Sie wirklich zum Verwechseln. Es ist ganz frappant.
Er mußte sich neben das Bild stellen, und in der That fand alles, daß die beiden Gesichter sich ähnelten.
Sie waren erstaunt. Walter fand es sehr sonderbar. Magdalene erklärte lachend, Jesus auf dem Bilde sähe männlicher aus.
Frau Walter blieb unbeweglich und betrachtete mit starren Augen das Antlitz ihres Geliebten neben dem Antlitz Christi, und dabei war sie so weiß geworden, wie ihre weißen Haare.
Inhaltsverzeichnis
Den Rest des Winters ging Du Roy häufig zu Walters; er aß sogar alle Augenblicke allein dort. Magdalene war müde, oder wollte zu Haus bleiben.
Er hatte sich ein für allemal Freitag angesagt, und Frau Walter lud an diesem Abend keinen andern ein. Er gehörte dem Liebling, ihm allein. Nach Tisch wurde Karten gespielt, man gab den chinesischen Fischen Futter, man lebte und unterhielt sich in der Familie. Manchmal packte Frau Walter hinter dichten Blättern im Palmenhaus, in einer dunklen Ecke plötzlich den Arm des jungen Mannes, drückte ihn mit aller Kraft an ihre Brust und flüsterte ihm zu: »Ich liebe Dich! Ich liebe Dich zum Sterben.« Aber immer stieß er sie kalt zurück und sagte trocken:
– Wenn Sie wieder anfangen, komme ich nicht mehr. Gegen Ende März sprach man plötzlich von einer Verlobung der beiden Schwestern. Rosa sollte, wie behauptet wurde, den Graf Latour-Ybelin und Susanne den Marquis von Cazolles heiraten. Die beiden Herren waren Freunde der Familie geworden, denen man besondere Gunst, deutliche Vorrechte einräumte.
Georg und Susanne lebten in einer Art brüderlicher, freier Intimität, schwatzten stundenlang zusammen, machten sich über alle Welt lustig und schienen gern beieinander zu sein.
Sie hatten nie wieder von der Möglichkeit einer Heirat des jungen Mädchens gesprochen, noch von den Freiern, die etwa kamen. Als der Chef eines Tages Du Roy zum Frühstück mitgebracht hatte, wurde Walter nach der Mahlzeit abgerufen, um einen Lieferanten zu empfangen.
Georg sagte zu Susanne:
– Kommen Sie, wir wollen die Goldfische füttern. Sie nahmen jedes ein großes Stück Brot vom Tisch und gingen in das Palmenhaus.
Rund um das Marmorbecken herum lagen Kissen an der Erde, daß man am Bassin niederknieen konnte, um die Tiere aus der Nähe zu betrachten.
Die jungen Leute nahmen jeder ein Kissen, Seite an Seite und begannen Brotkugeln in das Wasser zu werfen, die sie zwischen den Fingern geformt.
Sowie die Fische es merkten, kamen sie daher geschwommen, wackelten mit dem Schwanz, bewegten die Flossen, rollten die großen Stahlaugen, machten Kehrt, tauchten unter, um die runde Beute die zu Boden sank, zu erwischen und stiegen dann wieder in die Höhe um neue zu erwarten. Sie bewegten komisch den Mund, mit plötzlichem, heftigem Öffnen, wie seltsame kleine Ungetüme, und ihr brennendes Rot stach von dem Goldsand des Grundes ab, sie huschten Flammen gleich durch die durchsichtige Flut, oder zeigten, wenn sie still hielten, das goldblaue Geäder an den Schuppen.
Georg und Susanne sahen ihre Gesichter umgekehrt im Wasser sich spiegeln und lächelten sich an.
Plötzlich sagte er leise:
– Susanne, diese Geheimniskrämerei ist nicht nett von Ihnen.
Sie fragte:
– Wieso denn, Liebling?
– Wissen Sie nicht mehr, was Sie mir am Abend des Festes hier, gerade hier, versprochen haben?
– Nein!
– Mich jedesmal zu fragen, wenn man um Ihre Hand anhält.
– Nun?
– Man hat angehalten!
– Wer denn?
– Das wissen Sie sehr wohl!
– Nein, ich versichere…..
– Doch, Sie wissen es! Dieser lange Fatzke, dieser Marquis Cazolles!
– Der ist gar kein Fatzke!
– Das ist möglich. Aber er ist dumm, hat alles verjeut, und ist ganz verbummelt und verlumpt. Das ist eine nette Partie für Sie, die so hübsch, frisch und klug ist!
Sie fragte lächelnd:
– Was haben Sie denn gegen ihn?
– Ich? Gar nichts!
– Doch! doch! doch! Der ist gar nicht so wie Sie sagen.
– O bitte, er ist ein Schafskopf und ein Intrigant.
Sie wandte sich ein wenig um und blickte nicht mehr ins Wasser.
– Aber was haben Sie denn nur?
Er sagte, als risse man ihm ein Geheimnis aus der Seele:
– Ich habe …. ich habe …. ich .. bin .. eifersüchtig auf ihn.
Sie war etwas erstaunt:
– Sie?
– Ja, ich!
– Warum denn?
– Weil ich Sie liebe! Und weil Sie das sehr wohl wissen, Sie böses Kind!
Da meinte sie ernst:
– Sie sind verrückt, Liebling!
– Ich weiß wohl, daß ich verrückt bin, weil ich Ihnen das sage, ich, der ich verheiratet bin, einem jungen Mädchen! Ich bin mehr als verrückt, ich bin ein Verbrecher, beinahe ein Lump! Aber ich habe keine Hoffnung und der Gedanke bringt mich geradezu um den Verstand, und wenn ich höre, daß Sie einen heiraten wollen, packt mich die Wut, daß ich ihn totschlagen möchte. Verzeihen Sie mir, Susanne, Sie müssen!
Er schwieg. Die Fische, denen man kein Brot mehr zuwarf, blieben unbeweglich stehen, fast in einer Linie geordnet, wie englische Soldaten und betrachteten die beiden Köpfe derer, die sich nicht mehr um sie kümmerten. Das junge Mädchen flüsterte halb traurig, halb heiter:
– Es ist schade, daß Sie verheiratet sind, ja, das geht aber doch nicht mehr zu ändern; das ist eben aus.
Er drehte sich plötzlich um und sagte ganz nahe an ihrer Wange:
– Wenn ich nun frei wäre, würden Sie mich zum Mann nehmen?
Sie antwortete mit ernstem Ton:
– Ja Liebling, ich würde Sie nehmen, denn Sie gefallen mir mehr als alle andern.
Er stand auf und stöhnte:
– Dank! Dank! Aber ich flehe Sie an, geben Sie noch niemandem Ihr »Ja«. Warten Sie noch ein kleines bißchen, bitte. Wollen Sie mir das versprechen?
Sie flüsterte etwas erregt und ohne zu verstehen, was er eigentlich wollte:
– Ich verspreche es Ihnen.
Du Roy warf das ganze Stück Brot, das er noch in der Hand hielt, ins Wasser und entfloh ohne Lebewohl zu sagen, als ob er den Kopf verloren hätte.
Die Fische stürzten gierig nach dem Stück Brot, das an der Oberfläche schwamm, weil es in den Fingern nicht geknetet worden war, und schnappten mit gierigen Mäulern danach. Sie schleppten es bis an das andere Ende des Bassins, drängten sich aneinander, bildeten einen hin und her rollenden Knäuel, der aussah wie eine bewegliche Blume, die mit dem Kelch nach unten ins Wasser gefallen ist, und zerrten es hin und her.
Susanne erhob sich erstaunt und unruhig, und ging langsam fort. Der Journalist hatte sich entfernt. Er kehrte ganz ruhig heim, und als er Magdalene beim Briefschreiben fand, fragte er:
Читать дальше