– Da sind Sie ja endlich, böser Liebling, warum machen Sie sich denn so selten?
Es war Susanne Walter, die ihn unter der leichten Wolke des gelockten Blondhaars mit ihren feinen Schmelzaugen anblickte.
Er war glücklich, sie wieder zu sehen und drückte ihr kameradschaftlich die Hand, dann entschuldigte er sich:
– Ich konnte nicht, ich hatte so viel zu thun, daß ich seit zwei Monaten nicht ausgegangen bin.
Sie antwortete ernst:
– Das ist schlecht von Ihnen, sehr schlecht. Sie machen uns viel Kummer, denn wir mögen Sie beide so gern, Mama und ich. Ich kann ohne Sie gar nicht sein. Wenn Sie nicht da sind, langweile ich mich zum Sterben. Sie sehen, ich sage es Ihnen ganz offen, damit Sie kein Recht haben wieder so zu verschwinden. Geben Sie mir den Arm, ich werde Ihnen selbst den Christus auf dem Meer zeigen. Er hängt ganz hinten, hinter dem Palmengarten, Papa hat ihn dort hinten aufgestellt, damit man durch alle Zimmer muß. Es ist wirklich wundervoll, wie Papa mit dem Palais renommiert.
Sie gingen langsam durch die Menge, alles blickte sich um nach dem schönen Kerl und der reizenden kleinen Puppe. Ein bekannter Maler sagte:
– Da, das ist ein hübsches Paar! Sehr spaßig!
Georg dachte:
»Wenn ich wirklich gerissen gewesen wäre, hätte ich das Mädel geheiratet. Gekonnt hätt’ ich’s, wie ist’s nur möglich daß ich daran nicht gedacht habe? Warum habe ich mich nur von der andern einfangen lassen? Zu dumm. Man handelt immer zu schnell und überlegt sich die Geschichte nicht genug.«
Und der Neid, der bittere Neid, fiel Tropfen auf Tropfen in seine Seele wie Galle, die all sein Glück tötete und ihm sein Leben verekelte.
Susanne sagte:
– Ach bitte, Liebling, kommen Sie ja oft zu uns. Nun, wo Papa so reich ist, wollen wir lauter Tollheiten machen, wir wollen uns amüsieren wie verrückt.
Er antwortete, immer noch in Gedanken:
– Ach Sie werden sich jetzt verheiraten, Sie kriegen irgend einen schönen Prinzen, der ein bißchen ruiniert ist, und wir werden uns kaum mehr sehen.
Aber sie rief mit ehrlichem Ton:
– Nein noch nicht. Ich will einen, der mir gefällt, der mir sehr gefällt, der mir in allem gefällt. Ich habe Geld genug für beide!
Er lächelte ironisch und überlegen und nannte ihr die Leute, die vorüber gingen, vornehme Leute, die ihr verrostetes Wappenschild durch Banquierstöchter wie sie, aufgefrischt hatten, und die nun mit ihren Frauen oder fern von ihnen lebten, aber frei, schamlos, bekannt und geachtet.
Er schloß:
– Passen Sie mal auf, in sechs Monaten sind Sie auf so einen reingefallen, dann werden Sie Marquise, Herzogin oder gar Prinzessin sein und mich kaum mehr angucken, mein Fräulein!
Sie war empört und schlug ihm mit dem Fächer auf den Arm indem sie schwur, sich nur nach Neigung zu verheiraten.
Er lachte:
– Das werden wir ja sehen! Sie sind zu reich.
Sie sagte:
– Aber Sie auch, Sie haben ja geerbt!
Er machte eine mitleidige Bewegung:
– Ah bah, davon wollen wir lieber gar nicht reden, kaum zwanzigtausend Franken Rente, was will das heutzutage sagen?
– Aber Ihre Frau hat doch auch geerbt.
– Ja eine Million für beide zusammen. Vierzigtausend Franken Rente, davon können wir uns ja nicht mal Pferd und Wagen halten.
Sie kamen an den letzten Salon, und vor ihnen lag das Palmenhaus, ein großer ausgedehnter Wintergarten voll mächtiger exotischer Bäume die sich über Beeten voll seltener Blumen erhoben. Wenn man unter dieses dunkle Blätterdach trat, über das das Licht wie eine Silberwelle glitt, atmete man die frischlaue Luft nasser Erde ein, einen schweren Hauch verschiedenster Düfte. Es war ein eigentümliches, süßes Gefühl, ungesund und doch reizend, das etwas Gekünsteltes, Entnervendes, Weiches hatte. Man schritt auf Teppichen dahin, wie auf Moos, zwischen zwei dichten Gebüschen. Plötzlich bemerkte Du Roy zu seiner Linken, unter einer hohen Palmengruppe ein Bassin von Weißen Marmor, in dem man hätte baden können und an dessen Rand vier große Schwäne aus Delfter Porzellan aus den halb geöffneten Schnäbeln Wasser in das Becken spieen.
Der Boden des Bassins war mit Goldstaub bestreut, und es schwammen darin mächtige rote Fische, seltsame chinesische Ungetüme mit Stahlaugen und blau eingefaßten Schuppen, eine Art von Wasser-Mandarinen, die über dem Goldgrund schwebend oder hin und her eilend, die Erinnerung an die seltsamen Stickereien jenes Landes wach riefen.
Der Journalist blieb klopfenden Herzens stehen. Er sagte sich:
»Das nenne ich mal Luxus, in so einem Haus kann man leben. Er hat es fertig gekriegt. Warum ich nicht auch?« Er überlegte wie, sah nicht gleich einen Weg und ward wütend über die eigene Ohnmacht.
Seine Begleiterin sprach nicht mehr, sie war nachdenklich geworden. Er blickte sie von der Seite an und dachte wieder:
»Ich hätte ja bloß diese kleine lebendige Puppe zu heiraten brauchen.«
Aber Susanne schien plötzlich zu erwachen. – Achtung! – sagte sie, drängte Georg durch eine Gruppe, die ihnen im Wege stand und führte ihn dann scharf nach rechts.
Mitten in einem Haine seltsamer Pflanzen, die ihre zitternden Blätter geöffnet wie Hände mit schmalen Fingern, in die Luft reckten, stand unbeweglich ein Mann auf dem Meer.
Der Eindruck war erstaunlich. Das Bild, dessen Ränder in lebendigem Grün versteckt waren, sah aus wie ein dunkles Loch mit phantastischer Ferne.
Man mußte genau Hinsehen, um es zu verstehen. Der Rahmen schnitt die Barke in der Mitte durch, auf der, vom fahlen Scheine einer Laterne beleuchtet, sich die Apostel befanden; einer saß auf dem Schiffsrand und ließ das ganze Licht voll auf Jesum fallen, der dort wandelte.
Christus hob den Fuß auf eine Welle, und man sah wie sie sich kräuselte, duckte, glättete und schmiegte unter dem Fuß des Heilandes. Um den Gottmenschen war Dunkel gebreitet, nur die Sterne glitzerten am Himmel.
Die Gesichter der Apostel schienen bei dem matten Schein der Laterne desjenigen, der auf den Herrn deutete, erstarrt wie von plötzlichem Erstaunen.
Das war allerdings das gewaltige erstaunliche Werk eines Meisters, eins jener Bilder, die einen packen und die man Jahre lang nicht vergißt.
Die Leute, die das Bild betrachteten, schwiegen zuerst, dann gingen sie nachdenklich davon und sprachen später nur vom Preis des Bildes.
Du Roy sagte, nachdem er es eine Weile betrachtet hatte:
– Das ist chic, sich so’n Ding kaufen zu können.
Aber als man ihn anstieß, da die hinteren vorwärts drängten um zu sehen, ging er davon, immer noch Susannes kleine Hand, die er leise drückte, im Arm.
Sie fragte:
– Wollen wir ein Glas Sekt trinken? Kommen Sie ans Büffet, dort ist Papa.
Sie schritten langsam wieder durch alle Salons zurück, wo die Menge immer mehr anwuchs, hin und her wogte, sich wie zu Hause fühlend, ein elegantes Publikum wie auf einem öffentlichen Fest.
Georg war es plötzlich, als hörte er eine Stimme sagen:
– Das ist Laroche und Frau Du Roy! – Die Worte trafen sein Ohr wie ein entferntes Geräusch, das der Wind zuträgt. Wo waren die beiden? Er blickte sich nach allen Seiten um und gewahrte in der That seine Frau, die am Arm des Ministers vorüberging. Sie schwatzten leise, intim miteinander und lächelten Auge in Auge getaucht. Es war ihm, als flüsterten die Leute, indem sie das Paar betrachteten, und eine thörichte, rohe Lust stieg in ihm auf, sich auf diese beiden Menschen zu stürzen und sie nieder zu schlagen.
Sie machte ihn lächerlich. Er dachte an Forestier. Jetzt hieß es vielleicht: »Du Roy der Gehörnte.« Wer war sie? Eine kleine Abenteurerin, zwar ganz geschickt aber eigentlich ohne jede Bedeutung. Man kam zu ihm, weil man ihn fürchtete, weil man wußte, daß er mächtig war, aber man nahm wohl kein Blatt vor den Mund, wenn man von dieser Journalistenehe redete. Mit dieser Frau würde er nie vorwärts kommen, durch sie hing seinem Hause immer etwas Zweifelhaftes an. Sie würde sich immer kompromittieren mit ihrer ganzen Art und Weise, der man die Intrigantin anmerkte. Sie würde ihm jetzt zur Fessel werden. Ach, wenn er alles geahnt, vorher gewußt hätte! Was für ein kühneres, größeres Spiel hätte er spielen können! Wie konnte er nur so blind sein, das nicht einzusehen?
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