Er fragte:
– Bist Du auch Deiner Sache sicher?
Sie antwortete bestimmt:
– Ganz sicher:
Da meinte er:
– Das ist allerdings ein kolossaler Coup. Aber diesem Schmierfinken dem Laroche, dem werde ich eins auswischen. Der Lump, soll sich vor mir in Acht nehmen. Er soll sich bloß in Acht nehmen, den Ministerrock reiße ich ihm ‘runter!
Dann begann er nachzudenken und brummte:
– Aber die Gelegenheit muß man benutzen.
– Du kannst noch von den Papieren kaufen, sie stehen zweiundsiebzig.
Er antwortete:
– Ja, ich habe aber kein Geld zur Verfügung!
Sie blickte ihn flehend an:
– Daran habe ich gedacht, und wenn Du sehr, sehr nett zu mir bist, wenn Du mich nur ein bißchen lieb hast, da erlaubst Du mir, daß ich Dir etwas borge.
Er antwortete ernst, fast hart:
– Nein, das auf keinen Fall!
Sie sagte mit flehender Stimme:
– Höre, es giebt ja einen Ausweg etwas zu machen, ohne das Geld zu borgen. Ich wollte von den Papieren für zehntausend Franken kaufen um mir Nadelgeld zu schaffen. Nun so kaufe ich eben für zwanzigtausend Franken und Du beteiligst Dich zur Hälfte. Weißt Du, das bekommt natürlich Walter nicht. Wenn die Geschichte glückt, gewinnst Du siebenzigtausend Franken, wenn sie nicht glückt, bist Du mir zehntausend Franken schuldig, die Du mir wiedergeben kannst, wann es Dir paßt.
Er sagte noch einmal:
– Nein, solche Geschäfte liebe ich nicht!
Da setzte sie ihm, um ihn zu überreden, allerlei auseinander, bewies ihm, daß es sich in Wirklichkeit nur um zehntausend Franken auf sein Wort handele, daß er infolgedessen auch Gefahr liefe es zu verlieren, und daß sie ihm persönlich nichts borge, denn das Bankhaus Walter lege doch die Summe aus!
Unter anderem erklärte sie ihm, daß er es doch gewesen, der in der › Vie française ‹ die ganze politische Campagne geführt habe, die dieses Geschäft überhaupt bloß möglich mache und daß er zu naiv wäre, wenn er keinen Vorteil daraus ziehen wolle. Als er noch zögerte, schloß sie:
– Aber überlege doch nur, daß Dir eigentlich Walter die zehntausend Franken borgt und daß Du ihm Dienste geleistet hast, die viel mehr wert sind, als das.
– Gut, einverstanden! Ich mache Halbpart mit Dir. Verlieren wir, zahl ich Dir zehntausend Franken!
Sie war so glücklich, daß sie aufsprang, seinen Kopf in beide Hände nahm und ihn glühend küßte. Zuerst wehrte er sich nicht, aber als sie zärtlicher ward, ihn an sich zog, ihn mit Liebkosungen bedeckte, dachte er daran, daß die andere nachher kommen würde, er Zeit verlor, wenn er schwach wurde und zugleich in den Armen der Alten eine Glut ließ, die er besser der Jungen aufhob.
Darum stieß er sie leise von sich und sagte:
– Ach was, sei vernünftig!
Sie blickte ihn verzweifelt an:
– Ach Georg, ich darf Dich nicht einmal mehr küssen?
Er antwortete:
– Nein, heute nicht. Ich habe Kopfschmerzen und dadurch wird’s schlimmer!
Da setzte sie sich wieder hin, ganz folgsam zwischen seine Kniee und fragte:
– Willst Du morgen bei uns essen? Du würdest mich dadurch so glücklich machen!
Er zögerte, aber er wagte nicht ›nein‹ zu sagen, und sagte zu:
– Gut, ich komme!
– Ich danke Dir, Du lieber Mann.
Sie rieb zärtlich ihre Wange in regelmäßiger Bewegung an der Brust des jungen Mannes und eines ihrer langen, schwarzen Haare verfing sich dabei an seiner Weste. Sie bemerkte es und plötzlich kam sie auf eine tolle Idee, eine jener abergläubischen Ideen, die oft alles bei der Frau bedeuten. Ganz langsam begann sie dieses Haar um einen der Knöpfe zu wickeln, den nächsten Knopf umschlang sie mit einem zweiten, ein drittes Haar befestigte sie an einem andern Knopf und endlich an jedem Knopf eins.
Wenn er nachher aufstand, würde er sie abreißen, er würde ihr weh thun, o welches Glück! Und ohne es zu wissen nähme er etwas von ihr mit sich, eine kleine Locke ihres Haars, um die er sie nie gebeten. Sie fesselte ihn durch ein geheimes, unsichtbares Band an sich, sie ließ einen Talisman an ihm zurück: ohne es zu wollen, müßte er an sie denken, von ihr träumen und sie vielleicht in den nächsten Tagen etwas mehr lieb haben.
Da sagte er plötzlich:
»Ich muß Dich jetzt verlassen, denn man erwartet mich in der Kammer für das Ende der Sitzung. Heute darf ich nicht fehlen.«
Sie seufzte:
»Ach, schon?«
Dann sagte sie mit Ergebung:
»Geh mein Liebling, aber Du kommst morgen zu Tisch.«
Und plötzlich beugte sie sich zurück. Sie spürte auf dem Kopf einen heftigen Schmerz, als ob man sie mit hundert Nadeln gestochen. Ihr Herz schlug, sie war glücklich, durch ihn gelitten zu haben. – Adieu! sagte sie.
Er schloß sie lächelnd in die Arme und küßte sie kalt auf die Augen.
Aber sie, die durch diese Berührung wieder ganz erregt worden war, murmelte:
»Schon? – Und ihr flehender Blick suchte das Nebenzimmer, dessen Thür offen stand.«
Er schob sie von sich und sagte eilig:
»Ich muß fort, ich komme sonst zu spät.«
Da hielt sie ihm die Lippen hin, die er kaum berührte, und nachdem er ihr ihren Sonnenschirm gegeben, den sie vergessen, sagte er:
»Nun, vorwärts! Schnell, es ist schon drei vorbei!«
Sie ging vor ihm hinaus, indem sie nochmals sagte:
– Morgen um sieben!
Er antwortete:
– Gut, ich werde kommen! – Sie trennten sich, sie wandte sich rechts, er links.
Du Roy ging bis zum äußeren Boulevard, dann bummelte er langsam den Boulevard Malesherbes zurück.
Als er bei einem Zuckerbäcker vorüber kam, sah er glasierte Maronen in einer Kristallschale und dachte: »Ich bringe Clotilde ein paar mit.« Und er kaufte eine Düte voll dieser gezuckerten Früchte, die sie so sehr liebte.
Um vier Uhr kehrte er zurück, um die junge Geliebte zu erwarten.
Sie traf etwas zu spät ein, weil ihr Mann eben auf acht Tage angekommen war. Sie fragte:
– Kannst Du morgen bei uns essen? Mein Mann würde sich freuen.
– Nein, ich muß beim Chef essen. Wir haben eine Menge politischer und finanzieller Geschäfte, die uns in Anspruch nehmen. – Sie hatte ihren Hut abgenommen und zog nun die Taille aus, die sie beengte. Er deutete auf die Düte auf dem Kamin:
– Ich habe Dir glasierte Maronen mitgebracht!
Sie klatschte in die Hände:
– Das ist schön! Du bist nett!
Sie nahm sie, kostete eine und sagte:
– Ach, sie schmecken zu schön! Ich weiß schon, daß keine übrig bleiben wird!
Dann fügte sie hinzu, indem sie lächelnd Georg sinnlich betrachtete:
– Du leistest allen meinen Lastern Vorschub!
Sie aß langsam die Maronen, blickte immerfort in die Düte, als wollte sie sehen, ob noch welche übrig blieben und sagte:
– Da, setz Dich mal hier in diesen Stuhl, ich kauere mich zwischen Deine Kniee um meine Maronen zu knabbern. Das macht mir Spaß!
Er lächelte, setzte sich und nahm sie zwischen die geöffneten Kniee, wie vorhin Frau Walter.
Sie hob den Kopf zu ihm und, den ganzen Mund noch voll, sagte sie:
– Denke Dir mal, ich habe von Dir geträumt. Ich träumte wir machten eine große Reise zusammen auf einem Kamel, das zwei Höcker hatte. Wir saßen jedes auf einem Höcker und so ging es durch die Wüste. Wir hatten in einem Stück Papier Butterbrote mit und Wein in einer Flasche. So frühstückten wir auf unserem Kamel, aber es paßte mir nicht, weil wir uns nicht nähern konnten. Wir waren zu weit von einander, und ich wollte von meinen Höcker herunter.
Er antwortete:
– Ich will auch herunter!
Er lachte. Die Geschichte machte ihm Spaß, und er brachte sie dazu, allerlei Unsinn zu reden, zu schwatzen, all die Kindereien von Stapel zu lassen und all den Unsinn zu reden, womit Verliebte aufwarten können. Dieser Unsinn, der ihm reizend klang aus dem Munde der Frau von Marelle, hätte ihn rasend gemacht, wenn ihn Frau Walter gesprochen.
Читать дальше