Georges duldete ihn zähneknirschend, wie ein Hund, der beißen will, es aber nicht wagt. Er war jetzt öfters hart und rücksichtslos gegen Madeleine, die mit den Achseln zuckte und ihn als ein unartiges Kind behandelte.
Übrigens wunderte sie sich über seine andauernde schlechte Laune und sagte oft: »Ich verstehe dich nicht. Du mußt dich stets über etwas beklagen, dabei hast du eine geradezu großartige Stellung.« Er drehte ihr den Rücken zu und erwiderte gar nichts.
Er hatte zunächst erklärt, er ginge nicht zum Fest beim Chef; er denke nicht daran, mit diesem schmutzigen Juden zu verkehren.
Seit zwei Monaten schrieb ihm Frau Walter täglich Briefe und bat ihn, zu ihr zu kommen oder ihr ein Rendezvous zu bestimmen, wo es ihm paßte, um ihm, wie sie sagte, die 70000 Francs auszuhändigen, die sie für ihn gewonnen hatte.
Er antwortete überhaupt nicht und warf alle diese verzweifelten Briefe ins Feuer. Nicht etwa weil er auf seinen Gewinnanteil verzichtet hätte, sondern er wollte sie verrückt machen, sie auf die Knie zwingen, und sie spüren lassen, wie verächtlich er sie behandele. Sie war zu reich! Er wollte sich stolz zeigen!
Noch am Tage der Ausstellung des Bildes wollte Madeleine ihm vorstellen, wie unrecht er täte, nicht hinzugehen, aber er sagte bloß:
»Ach laß mich in Ruhe! Ich will zu Hause bleiben.«
Dann, nach dem Abendessen, erklärte er plötzlich:
»Es wird wohl trotzdem besser sein, wenn wir uns dieser langweiligen Pflicht unterziehen. Ziehe dich schnell an.«
Sie war darauf gefaßt.
»Ich bin in einer Viertelstunde fertig«, sagte sie.
Er kleidete sich brummend an, und noch in der Droschke fuhr er fort, seiner Galle freien Lauf zu lassen.
Die Hofeinfahrt zum Palais Carlsbourg war durch vier Bogenlampen, die wie vier kleine bläuliche Monde aussahen, von allen vier Ecken hell beleuchtet. Ein prachtvoller Teppich lag auf den Stufen der hohen Freitreppe und auf jeder Stufe stand, unbeweglich wie eine Bildsäule, ein Diener in Livree.
Du Roy brummte: »Diese Protzerei!« Er zuckte die Achseln, verzehrt von Neid und Eifersucht.
»Schweig doch und mach’ es ihnen nach«, sagte seine Frau leise.
Sie traten ein und ließen sich ihre schweren Abendmäntel von den Dienern abnehmen, die auf sie zutraten. Es waren dort auch mehrere Damen, die mit ihren Männern gekommen waren; sie legten ebenfalls ihre Pelze ab. Man hörte ringsumher flüstern: »Wie herrlich, wie wunderschön.«
Die gewaltige Vorhalle war mit Gobelins behängt, welche den Liebesmythus des Mars und der Venus darstellten. Rechts und links stiegen die beiden Teile der prunkhaften, monumentalen Treppe empor, die im ersten Stock zusammenliefen. Das eiserne Geländer war ein Meisterwerk der Schmiedekunst; seine alte verblaßte Vergoldung warf einen zarten und sanften Schimmer auf die roten marmornen Treppenstufen.
Am Eingange zu den Salons standen zwei kleine Mädchen, die eine in Rosa, die andere in Blau gekleidet und überreichten den Damen Blumensträuße. Alle fanden das entzückend.
In den Sälen befanden sich schon eine ganze Menge Besucher.
Die meisten Frauen waren in Straßentoilette erschienen, um damit zu betonen, daß sie hierher nur so gekommen waren wie zu jeder anderen privaten Kunstausstellung. Diejenigen, die zum Ball bleiben wollten, trugen Gesellschaftstoiletten.
Frau Walter hielt sich, umgeben von Freundinnen, im zweiten Säle auf und begrüßte die Gäste. Viele, die sie überhaupt nicht kannten, gingen herum wie in einem Museum, ohne sich um die Gastgeber zu kümmern.
Als sie Du Roy erblickte, wurde sie leichenblaß und machte eine unwillkürliche Bewegung, als wollte sie ihm entgegengehen. Dann blieb sie unbeweglich stehen und wartete. Er begrüßte sie höflich, während Madeleine sie mit zärtlichen Schmeicheleien überschüttete. Georges ließ seine Frau neben der Frau Direktor stehen und mischte sich unter die Menge, um sich boshafte Bemerkungen anzuhören, die hier sicherlich nicht fehlen dürften.
Fünf Salons folgten einer auf den anderen, sie waren mit kostbaren Stoffen tapeziert, mit alten italienischen Stickereien oder orientalischen Teppichen in allen Farben und Stilarten geschmückt; darüber hingen an den Wänden Gemälde alter berühmter Meister. Vor allem bewunderte man einen kleinen Salon im Stil Louis XVI., eine Art von Boudoir, das ganz mit hellblauer Seide mit ausgestickten Rosensträußen tapeziert war. Die Möbel aus vergoldetem Holz waren mit dem gleichen Stoff bezogen; die ganze Einrichtung war von einer wunderbaren Feinheit.
Georges erkannte in der Menge die Pariser Berühmtheiten, die Herzogin de Terracine, den Grafen und die Gräfin Ravenel, den General Prinz d’Andremont, die bildschöne Marquise des Dunes, und dann alle die Herren und Damen, die man gewöhnlich bei Premieren sieht.
Plötzlich faßte ihn jemand am Arm und eine junge und frohe Stimme flüsterte ihm ins Ohr:
»Ah, da sind Sie endlich, böser Bel-Ami. Warum lassen Sie sich denn gar nicht mehr sehen?«
Es war Suzanne Walter, die ihn mit ihren feinen Emailleaugen unter den krausen, blonden Locken ihres Haares ansah.
Er war entzückt, sie wieder zu sehen und drückte ihr offenherzig die Hand. Dann entschuldigte er sich.
»Ich konnte nicht. Ich habe so viel zu tun; seit zwei Monaten bin ich gar nicht ausgegangen.«
»Das ist gar nicht nett,« sagte sie ernsthaft, »sogar sehr, sehr häßlich, Sie haben uns viel Kummer bereitet, Mama und mir, denn wir lieben Sie beide sehr. Ich kann Sie überhaupt nicht mehr entbehren. Ich langweile mich zu Tode, wenn Sie nicht da sind. Sie sehen, ich sage Ihnen das ganz offen, damit Sie nicht mehr das Recht haben, so von der Oberfläche zu verschwinden. Geben Sie mir Ihren Arm, ich will Ihnen selbst ‘Jesus auf dem Meere schreitend’ zeigen. Das Bild hängt drüben hinter dem Wintergarten. Papa hat extra diesen Platz gewählt, damit man durch alle Räume gehen muß. Es ist direkt erstaunlich, wie Papa mit diesem Hause renommiert.«
Sie gingen langsam durch die Menge. Man drehte sich um und blickte diesem schönen jungen Mann und dieser entzückenden Puppe nach.
Ein bekannter Maler meinte:
»Dieses Paar ist tatsächlich sehr hübsch und reizend.«
Georges dachte:
»Wenn ich wirklich stark wäre, müßte ich die heiraten. Es wäre doch möglich. Warum habe ich nie daran gedacht? Wie konnte ich nur die andere nehmen? Wie töricht! Man handelt immer zu schnell und denkt nie genügend nach.«
Und der Neid, der bittere Neid, fiel tropfenweise in sein Herz wie Galle, die ihm alle seine Freude verdarb und sein ganzes Leben verhaßt machte.
Suzanne sagte:
»Oh, kommen Sie recht oft, Bel-Ami, wir können jetzt, wo Papa nun so reich ist, Streiche und Dummheiten unternehmen und uns wie toll amüsieren.«
Er folgte noch immer seinem Gedankengang und antwortete :
»Oh, Sie werden jetzt bald heiraten; Sie werden einen schönen, vielleicht etwas ruinierten Prinzen heiraten, und wir werden uns nicht mehr sehen.«
Sie rief offenherzig aus :
»O nein, noch nicht. Ich will jemanden, der mir gefällt, den ich sehr gern hätte, den ich sogar lieb hätte. Geld habe ich für beide genug.«
Er lächelte ironisch und hochmütig und begann die Namen der Vorübergebenden zu nennen, alles sehr vornehme Leute, die ihre verrosteten Adelsschilder an Töchter reicher Finanzleute so gern verkauft hatten, die nun mit ihren Frauen oder auch ohne sie lebten, jedenfalls frei, unverschämt und doch bekannt und geachtet.
Er fuhr fort:
»Es vergehen keine sechs Monate und Sie haben auf diesen Köder angebissen. Sie werden Marquise, Herzogin oder Fürstin, und Sie werden dann auf mich von oben herabblicken, mein liebes Fräulein.«
Entrüstet schlug sie ihm mit dem Fächer auf den Arm und schwor, sie würde nur aus Liebe heiraten.
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