Dem zorngen Glück entgegen.
ULYSSES
Agamemnon,
Du großer Fürst, Gebein und Nerv der Griechen,
Herz unsrer Scharen, Seel und einzger Geist,
In dem Gemüt und Wesen aller sollte
Beschlossen sein, hör, was Ulysses spricht,
Den Beifall und die Huldgung abgerechnet,
Die,
zu Agamemnon Mächtger du durch Rang und Herrscherwürde, zu Nestor Und du, Ehrwürdger durch dein hohes Alter, Ich euren Reden zolle, die so trefflich, Daß Agamemnon und der Griechen Hand Sie sollt in Erz erhöhn; und deine gleichfalls, Ehrwürdger Nestor, silberweiß, mit Banden Aus Luft gewebt, stark wie die Achs, urn die Der Himmel kreist, sollt aller Griechen Ohr An deine weise Zunge fessein – doch, Du Staatsmann und du Fürst, vergönnt Ulysses Nach Euch zu reden.
AGAMEMNON
Sprich, Held von Ithaka; so sicher ists,
Daß kein unnützes, kein gehaltlos Wort
Je deine Lippen teilt, als wir erwarten,
Wenn Hund Thersites anstimmt sein Gebell,
Je Witz, Musik, Orakel zu vernehmen.
ULYSSES
Troja, noch unerschüttert, wär gefallen
Und herrenlos des großen Hektor Schwert,
Wenn folgendes nicht hemmte:
Verkannt wird Seel und Geist der Oberherrschaft!
Und seht: so viele Griechenzelte hohl
Stehn auf dem Feld, so viel Parteienhohlheit! –
Wenn nicht der Feldherr gleicht dem Bienenstock,
Dem alle Schwärme ihre Beute zollen,
Wie hofft ihr Honig? Wenn sich Rang verlarvt,
Scheint auch der Schlechtste in der Maske edel.
Die Himmel selbst, Planeten und dies Zentrum,
Reihn sich nach Abstand, Rang und Würdigkeit,
Beharrungskraft, Form, Lauf, Verhältnis, Jahreszeit,
Amt und Gewohnheit in der Ordnung Folge;
Und deshalb thront der majestätsche Sol
Als Hauptplanet in höchster Herrlichkeit
Vor allen andern, sein heilkräftig Auge
Verbessert den Aspekt bösartger Sterne
Und trifft, wie Königs Machtwort, allbeherrschend
Auf Gut und Böses. Doch wenn die Planeten
In schlimmer Mischung irren ohne Regel,
Welch Schrecknis! Welche Plag und Meuterei!
Welch Stürmen auf der See! Wie bebt die Erde!
Wie rast der Wind! Furcht, Umsturz, Graun und Zwiespalt
Reißt nieder, wühlt, zerschmettert und entwurzelt
Die Eintracht und vermählte Ruh der Staaten
Ganz aus den Fugen! Oh, wird Rangordnung,
Die Letter aller hohen Plän, erschüttert,
So krankt die Ausführung. Wie könnten Gilden,
Würden der Schule, Brüderschaft in Städten,
Friedsamer Handelsbund getrennter Ufer,
Der Würde und das Recht der Erstgeburt,
Ehrfurcht vor Alter, Zepter, Kron und Lorbeer
Ihr ewig Recht ohn Rangordnung behaupten?
Tilg Rangordnung, verstimme diese Saite,
Und höre dann den Mißklang! Alles träf
Auf offnen Widerstand. Empört dem Ufer
Erschwöllen die Gewässer übers Land,
Daß sich in Schlamm die feste Erde löste,
Macht würde der Tyrann der blöden Schwäche,
Der rohe Sohn schlüg seinen Vater tot,
Kraft hieße Recht – nein, Recht und Unrecht, deren
Endlosen Streit Gerechtigkeit vermittelt,
Verlören, wie Gerechtigkeit, den Namen.
Dann löst sich alles auf nur in Gewalt,
Gewalt in Willkür, Willkür in Begier;
Und die Begier, ein allgemeiner Wolf,
Zwiefältig stark durch Willkür und Gewalt,
Muß dann die Welt als Beute an sich reißen
Und sich zuletzt verschlingen. Großer König,
Dies Chaos, ist erst Rangordnung erstickt,
Folgt ihrem Mord.
Und dies Nichtachten jeder Rangordnung
Geht rückwärts Schritt für Schritt, indems hinauf
Zu klimmen strebt. Des Oberfeldherrn spottet,
Der unter ihm zunächst, den höhnt der zweite,
Den nächsten dann sein Untrer: so vergiftet
Vom ersten Schritt, der seinem Obern trotzt,
Wird jeder folgende zum neidschen Fieber
Kraftloser, bleicher Nebenbuhlerschaft.
Und solch ein Fieber ists, das Troja schirmt,
Nicht eigne Stärke. Kurz, den Troern schafft
Nur unsre Schwäche Frist, nicht eigne Kraft.
NESTOR
Sehr weislich hat Ulysses uns enthüllt
Die Seuche, an der unsre Macht erkrankt.
AGAMEMNON
Der Krankheit Art hast du durchschaut, Ulysses;
Welch Mittel nun?
ULYSSES
Der Held Achilles, den die Meinung krönt
Als Nerv und rechte Hand des ganzen Heers,
Das Ohr gefüllt mit seinem luftgen Ruhm,
Wird frech und launenhaft und ruht ihm Zelt,
Verspottend unser Tun. Mit ihm Patroklus,
Auf einem Lotterbett, treibt freche Possen
Den lieben langen Tag
Und stellt mit tölpisch lächerlichem Pathos,
Das der Verleumder Nachahmung benennt,
Uns all zur Schau. Manchmal, o großer König,
Agiert er deine höchste Majestat,
Stolzierend wie ein Bühnenheld, des Geist
Im Kniebug wohnt und dens erhaben dünkt,
Der Bretter Schall und hölzern Echo hören,
Wenn er mit steifem Fuß den Boden stampft;
So jämmerlich verdreht und übertrieben
Verzerrt er deine Hoheit. Wenn er spricht,
Klingts wie geborstne Glocken: sinnlos Zeug,
Wie es von Typhons Schlund hervorgebrüllt
Noch Bombast schiene. Bei dem schalen Wust
Liegt breit und faul Achilles auf den Polstern,
Lacht aus der tiefen Brust ihm lauten Beifall,
Ruft: Herrlich! Das ist Agamemnon völlig!
Nun spiel mir Nestor! Räuspre, streich den Bart
Wie er, wenn er zu reden Anstalt macht! –
Er tuts und triffts, wie Nord und Süd sich treffen,
So ähnlich wie Vulkan der Gattin ist,
Doch Freund Achill ruft nochmals: Meisterhaft!
's ist Nestor ganz! Jetzt spiel ihn mir, Patroklus,
Wie er sich nachts beim Überfall bewaffnet. –
Und dann – wie klein! – muß selbst des Alters Schwachheit
Zur Posse dienen; hustend räuspert er,
Schiebt, krankhaft fuschelnd, an des Panzers Hals
Die Nieten ein und aus, und bei dem Spaß
Stirbt Herr Großmächtig, schreit: Genug, Patroklus!
Schaff Rippen mir von Stahl, sonst spreng ich alle
Vor übermäßger Lust! – So dient den beiden
All unsre Fähigkeit, Natur, Gestalt,
Besondre Gab und allgemeine Art,
Vollbrachte Tat, Entwurf, Befehl und Plan,
Aufforderung zum Kampf, Antrag um Stillstand,
Erfolg und Mißgeschick, was ist und nicht ist,
Zum Stoff für Albernheit und Parodie.
NESTOR
Und von dem schlimmen Beispiel dieser zwei,
Die, wie Ulysses sagt, die Meinung krönt
Mit Herrscherton, ward mancher angesteckt.
Ajax, voll Eigendünkels, trägt das Haupt
So hoch gezäumt, so trotzig wie der breite
Achilles, bleibt in seinem Zelt wie jener,
Gibt Schmäuse den Partein, schimpft unsre Waffen,
Als wär er ein Orakel, hetzt Thersites,
Den Schalksnarrn, der wie Münze Lästrung prägt,
Durch niedrigen Vergleich uns zu besudeln,
Mit Schimpf und Hohn zu schmähn auf unsre Drangsal,
Wie sehr uns auch ringsher Gefahr bedroht.
ULYSSES
Sie lästern unsre Politik als Feigheit,
Sie stoßen Weisheit aus dem Rat des Kriegs,
Verlachen Vorbedacht und würdigen
Nur Tat der Faust – die stille Geisteskraft,
Die prüft, wie viele Hände wirken sollen,
Wenns Zeit erheischt, und durch mühsame Schätzung
Voraus bestimmt, wie zahlreich sei der Feind,
Das alles hält man keines Fingers wert,
Bettarbeit nennt mans, Stubenkrieg und Schreibwerk,
So daß der Widder, der die Mauern bricht,
Und die Gewalt und Sturmkraft seiner Wucht
Den Rang hat vor der Hand, die ihn gezimmert,
Ja selbst vor denen, die mit List und Klugheit
Scharfsinnig seine Wirkung angeordnet.
NESTOR
Dies eingeräumt, so gilt Achilles' Pferd
Viel Thetissöhne!
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