Er sagte jedoch, dass es ein schöner Abend war und er das gerne wiederholen wollte. Ehe ich mich versah, kam sein Gesicht näher und näher und seine Lippen legten sich auf meine. Darauf war ich, einschließlich meines Magens, der sich just in diesem Moment hob, nicht vorbereitet und so spie ich dem armen Kerl auf die Hose. Unfähig, irgendeine Erklärung abzugeben, stürzte ich aus seinem Auto heraus und zu unserer Haustür hinein.
Nach diesem Abend sprach Danny nie wieder ein Wort mit mir. Wahrscheinlich dachte er, ich fände ihn abstoßend oder er küsse so schlecht, dass ich mich gleich übergeben musste. Mir war das Ganze unendlich peinlich gewesen und auch jetzt erinnerte ich mich mit Schrecken daran zurück.
Ich sah auf die Uhr. Himmel, schon viertel nach vier! Hatte ich jetzt wirklich über eine Stunde vor mich hin gegrübelt? Jetzt musste ich aber wirklich schlafen! Ich schaltete die Nachttischlampe aus, rollte mich auf die Seite und hoffte, jetzt endlich ins Reich der Träume abzudriften.
Emma
"Emma, du musst aufstehen! Wir müssen in einer Stunde los. Ich habe dir dein Lieblings-Frühstück gemacht: frische Himbeer-Waffeln mit Nougatsahne. Das magst du doch so gerne. Ich dachte, zum Abschied noch ein letztes Mal..."
Die Stimme meiner Mutter riss mich aus dem kurzen Schlaf.
"Ach Mama, noch fünf Minuten. Bitte..."
Ich versuchte, mir die Ohren mit meinem Kissen zuzudecken und kuschelte mich enger in meine herrliche Bettwäsche mit dem beleuchteten Eiffelturm-Druck.
Jetzt begann sie energisch die Jalousien hochzuziehen.
"Nichts da, Schatz, wenn du nicht aufstehst, kommst du zu spät zur Einführung und musst außerdem eines der verbliebenen Zimmer im Wohnheim beziehen, weil die Guten alle schon weg sind."
"Okay, ich komme gleich runter", brummte ich verschlafen und krabbelte aus meinem Bett.
Gähnend schnappte ich mir meine Kleidung, die ich schon am Vorabend rausgelegt hatte, von meinem Sessel und verschwand damit im Bad. Ich duschte schnell, trocknete mich ab, schlüpfte in meine Unterwäsche und streifte meine Lieblingsjeans über. Das Ganze rundete ich mit einem schlichten weißen Trägertop und einem roten, nicht zu feinen, aber dennoch schicken Blazer ab. Meine schulterlangen Haare ließ ich offen, zupfte lediglich ein paar meiner honigblonden Locken zurecht.
Meine Haare waren von Natur aus gewellt, etwas, worum mich meine Freundin Bettina schon immer beneidet hatte. Sie hatte glattes, feines Haar, deshalb hielten Locken bei ihr nicht einmal eine Stunde lang.
Eilig trug ich etwas Mascara auf und rannte die Treppe hinunter in unsere kleine, aber gemütliche Küche. Nur meine Mutter saß noch am Frühstückstisch und wartete auf mich. Als ich mich setzte, reichte sie mir einen Teller mit den Waffeln und eine Schüssel mit der Nougatsahne.
"Mmh, danke Mum. Die Waffeln sehen fantastisch aus!", lobte ich sie und stellte mit Wehmut fest, dass dieser Luxus, den ich gerade noch genoss, bald ein Ende hatte. Aber natürlich freute ich mich trotzdem auf mein neues Abenteuer!
Mein Vater war leider schon außer Haus. Von ihm hatte ich mich schon am Vorabend verabschieden müssen. Er war Bäcker und musste schon um halb vier auf der Arbeit sein, damit die Backwaren rechtzeitig fertig wurden, bis die ersten Kunden kamen und die frisch duftenden, noch lauwarmen Brötchen mitnehmen konnten.
Meine Mutter war die einzige Person, die von meinem Männer-Problem wusste. Natürlich bin ich nicht einfach zu ihr hingegangen und habe gesagt:
"Du Mama, ich muss dir etwas erzählen..."
Nein. Das wäre mir viel zu peinlich gewesen! Sie hat mehr oder weniger so lange nachgebohrt, bis es aus mir herausgebrochen ist. Wann es passiert ist, weiß ich noch genau:
Es war in der Woche, in der ich meine Verabredung mit Danny hatte. Zum Frühstück brachte ich damals keinen Bissen hinunter, weil mein Magen vor Anspannung schon wieder Achterbahn fuhr. Da ich selbst meine heißgeliebten Himbeer-Waffeln am Frühstückstisch verschmähte, wurde meine Mutter langsam misstrauisch und wollte wissen, was denn mit mir los sei.
Meinen Beteuerungen, dass alles in bester Ordnung sei und ich einfach in der Schule viel um die Ohren und deswegen keinen Appetit frühmorgens hatte, schenkte sie keinen Glauben. Wahrscheinlich sah sie mir an der Nasenspitze an, dass ich log oder aber auf meiner Stirn stand in dicken, schwarzen Buchstaben das Wort "LÜGNER".
"Emma, das glaube ich dir nicht. Die Schule kann nicht der Grund sein, du hast gute Noten. Und wegen Mathe brauchst du dich auch nicht zu sorgen. Das Schuljahr ist bald zu Ende und deine Vier wirst du halten."
Sie nahm meine zierliche Hand in ihre und sah mich aus ihren haselnussbraunen Augen besorgt an.
"Ich kann in deinen Augen sehen, dass da noch etwas anderes ist, das dir Kummer bereitet."
Ich traute mich nicht, sie anzusehen und so hielt ich meinen Blick auf die blau gesprenkelte Tischdecke gesenkt.
"Emma, Schatz, dir ist seit Tagen morgens schlecht und du hast keinen Hunger. Ich weiß rein gar nichts über dein Liebesleben, weil du bei dem Thema immer abblockst, aber kann es sein, dass... dass du..."
"Oh Gott, Mama, du meinst doch nicht etwa, ob ich schwanger bin??", beendete ich ihren Satz und sah sie entsetzt an.
"Nein, natürlich nicht!... Naja, irgendwie kam mir der Gedanke in den Sinn eben wegen der Morgenübelkeit. Aber ich hoffe nicht! Du bist mit deinen 17 Jahren viel zu jung und hast noch nicht einmal eine abgeschlossene Schulausbildung!"
Traurig dachte ich darüber nach, dass ich mit meinem Problem sowieso nie schwanger werden würde und sprach den Gedanken aus Versehen laut aus.
"Was hast du gesagt? Wieso glaubst du, dass du nie Kinder haben wirst?"
Ich stützte die Ellenbogen auf dem Tisch ab und ließ meinen Kopf hineinfallen.
"Weil ich niemals einen Freund haben werde. Deswegen!"
"Ach Schatz, sag doch so was nicht."
Dann nahm sie mich in ihre tröstenden Arme und ich erzählte ihr schluchzend von meiner unbändigen Angst vor Beziehungen, Männern, meiner ständigen Übelkeit und auch von Danny. Sie reagierte so, wie ich es mir erhofft hatte.
An diesem Tag ging ich nicht in die Schule, weil mir ohnehin hundeelend war. Meine Mutter hatte donnerstags immer frei, da sie die Chefin ihrer Gärtnerei war und sich ihre Zeit mehr oder weniger selbst einteilen konnte. So machten wir es uns auf dem Sofa gemütlich, wo wir stundenlang über meine Ängste redeten. Ich versicherte ihr, dass ich nicht schwanger war, da ich ja noch nie Sex hatte und sie gab mir Ratschläge, wie ich das bevorstehende Date mit Danny lockerer angehen lassen könnte.
Trotz ihres lieben Rates ging mein Rendezvous mit meinem damaligen Herzblatt dank meiner Spei-Attacke und der anschließenden überstürzten Flucht aus seinem Auto leider in die Hose.
Als ich ihr davon berichtete, meinte meine Mutter dazu:
"Wenn er dich wirklich interessant findet, wird er mit dir über den Vorfall reden wollen und dich nicht einfach in der Schule ignorieren. Sollte er dir dennoch aus dem Weg gehen, kannst du ihn sowieso vergessen! Er sollte dich nämlich so akzeptieren, wie du bist!"
Von ihren Worten war ich sehr gerührt. Dass ich mich ihr anvertraut hatte, hat uns, meiner Meinung nach, enger denn je zusammengeschweißt.
Leider hatte mich Danny seit diesem Abend nicht einmal mehr mit seinem, bestimmt äußerst knackigen, Allerwertesten angeschaut, was mich damals sehr traurig stimmte, mir jetzt aber an meinem , mindestens genauso knackigen, Frauen-Po vorbeiging.
Während des Frühstücks unterhielten meine Mutter und ich uns darüber, welchen Wahlkurs ich noch belegen sollte. Ich wollte gerne Italienisch nehmen, da ich schon ein paar Mal in Italien Urlaub gemacht hatte und mir die Sprache sehr gut gefiel.
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