HANS-PETER HUTTER
JUDITH LANGASCH
Plastik, Feinstaub & Co. – was wir über Umwelteinflüsse und ihre Gesundheitsrisiken wissen sollten
Für unsere Zukunft
VORWORT
1 PLASTIK & MIKROPLASTIK
Leicht, bunt, billig – und schädlich?
2 PESTIZIDE
… in aller Munde
3 LEICHT- & SCHWERMETALLE
Alltagsbegleiter Aluminium, Quecksilber & Blei
4 LUFTVERSCHMUTZUNG
Feinstaub, Stickstoffdioxid & Ozon
5 INNENRAUM
Dicke Luft in unseren vier Wänden
6 HANDY & CO.
Komplett verstrahlt oder alles harmlos?
7 LÄRM
Nervt, stresst und macht krank
8 KLIMAKRISE
Sind wir noch zu retten?
GLOSSAR
LITERATUR
ANMERKUNGEN
„Sind wir noch zu retten?“ Zugegeben, das klingt etwas dramatisch. Wenn wir genauer hinsehen und Sie vielleicht ein paar Seiten weiterblättern, werden Sie aber merken: Vor unseren Augen spielt sich tatsächlich ein Drama ab. Wir leben in einer industrialisierten, globalisierten Welt, die wir uns möglichst bequem, möglichst einfach eingerichtet haben, mit zahlreichen Errungenschaften, die uns unseren Alltag erleichtern. Zumindest scheinbar. Denn bei vielen chemischen Stoffen, vielen groß gefeierten Erfindungen, vielen technologischen Fortschritten beginnt die Fassade zu bröckeln. Seien es Dieselmotoren, die uns mobil machen, Pestizide, die die Ernte möglichst ertragreich machen und vor „Schädlingen“ schützen sollen, oder Chemikalien, die Plastik zu einem überall einsetzbaren Wunderstoff machen – unter dem Deckmantel des Fortschritts wurden die Schattenseiten gerne ignoriert. Dass diese Stoffe gesundheitliche Auswirkungen haben können, ist ein unangenehmer Nebeneffekt, über den man lieber hinwegsieht. Dass wir die Augen so lange vor den Kollateralschäden verschlossen haben, gipfelt nun nicht zuletzt in der Klimakrise. Es scheint also, als schlage die Umwelt zurück. Demnach ist die Frage „Sind wir noch zu retten?“ eine, die gestellt werden muss. Und sie wirft vor allem die Frage nach dem „Wie?“ auf.
Alle Themen, die Sie in diesem Buch finden, gehören in den Forschungsund Aufgabenbereich der Umweltmedizin/Umwelthygiene. Begriffe, mit denen viele auf den ersten Blick wenig anfangen können. Tatsächlich sind aber alle Lebenssituationen Gegenstand umwelthygienischer bzw. umweltmedizinischer Forschung, und deren Ergebnisse haben unser Leben beeinflusst und beeinflussen es noch immer. Einiges davon haben wir aufgegriffen. Dieses Buch soll ein Wegweiser und eine Orientierung sein, und vor allem Antworten auf Fragen bieten, die sich im Alltag unweigerlich stellen, wenn man ein bisschen genauer hinsieht.
Wir haben uns im Sommer 2019 dazu entschlossen, viele dieser Fragen, die uns im Alltag gestellt werden, zusammenfassen – seien es Fragen, die von besorgten Verbraucherinnen oder Verbrauchern an Hans-Peter Hutter als Mediziner gestellt werden oder an Judith Langasch als Journalistin. Denn die Nachrichtenlage ist beinahe unüberschaubar, zu jeder Studie, die veröffentlicht wird, gibt es eine Studie, die anscheinend das Gegenteil belegt. Diese Fragen verständlich zu beantworten ist darum wichtiger als je zuvor, denn nur so können wir uns selbst retten.
In diesem Buch haben wir den aktuellen Stand der Wissenschaft abgebildet, aber klar ist, wenn Sie dieses Buch aus dem Regal nehmen, dann wird bereits weiter geforscht und weiter veröffentlicht worden sein. Das soll Sie an dieser Stelle nicht weiter verunsichern, denn: Ja, es wird neue Studien geben, die neue Ergebnisse und Erkenntnisse bringen. Viele der in diesem Buch getroffenen Aussagen sind jedoch grundlegend und werden sich durch neue Forschung nicht von heute auf morgen ändern.
Geschrieben haben wir dieses Buch letztlich während der Corona-Krise. Einer Zeit, in der die meisten dieser Themen in den Hintergrund rückten und von der weltweiten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise überschattet wurden. Obwohl diese Pandemie ja ebenfalls eine Konsequenz des Raubbaus an der Natur und der Störung des ökologischen Gleichgewichts ist. Öfters haben wir uns gefragt: Ist das der richtige Zeitpunkt? Werden diese Themen jemals wieder die angemessene Aufmerksamkeit bekommen? Wir sind überzeugt: Ja, denn es muss sein. Die Corona-Krise wird vorbeigehen, und dann stehen wir vor denselben Problemen wie zuvor. Mit einem einzigen Unterschied: Wir haben Zeit verloren. Denn bei einigen dieser Themen drängt die Zeit, manche Verluste und Schäden sind auch gar nicht mehr rückgängig zu machen, wir können nur weitere verhindern oder die Konsequenzen der eingetretenen abmildern. Letztlich geht es um unser aller Gesundheit, um Ihre, um unsere, um die Ihrer Eltern, Ihrer Kinder, Ihrer Freunde. Wir alle wollen ein Leben führen, das möglichst wenig von Krankheiten beeinträchtigt wird. Und dazu können Sie selbst einiges beitragen.
Und auch, wenn das alles sehr ernst klingt: Dies soll kein „schweres“ Buch sein. Es soll nicht belasten, manches ist provokant, manches wird Sie vielleicht zum Schmunzeln bringen, anderes wird Sie zum Weiterdenken anregen und vielleicht sogar dazu führen, neue Verhaltensweisen zu erproben. Und wir können jetzt schon versprechen: Manche Fakten werden im Gespräch mit anderen zu hitzigen Diskussionen führen. Lassen Sie sich darauf ein!
Hans-Peter Hutter & Judith Langasch, 31. 12. 2020
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PLASTIK UND MIKRO-PLASTIK
Leicht, bunt, billig – und schädlich?
Kunststoffe sind allgegenwärtig in der Arbeitswelt, im Haushalt, im Auto, bis hin zur Medizin. Überall sind sie nützlich und haben offensichtliche Vorteile. Bei den Nachteilen schauen wir aber gerne weg.
Es fühlt sich etwas anders an, denke ich mir, als ich die Äpfel aus dem Sackerl nehme, das ein großer „Bioplastik“-Aufdruck ziert. Die Zeiten des herkömmlichen Plastiksackerls sind vorbei, verschiedenste Varianten von Papier oder eben Bioplastik warten nun im Supermarkt darauf, als Transportmittel für Obst und Gemüse verwendet zu werden. Ist das so viel besser als herkömmliches Plastik? Fakt ist: Während ich die Lebensmittel ausräume, auspacke und in den Kühlschrank verfrachte, wächst der Müllberg, darunter unzählige Plastikverpackungen – der Mistkübel ist praktisch wieder voll. Ein bisschen schlechtes Gewissen plagt den umweltbewussten Menschen da ja schon, aber mal ehrlich: Wer im herkömmlichen Supermarkt einkauft, hat praktisch keine Chance, verpackungsarm heimzugehen. Weiter geht’s: Das Mineralwasser in den Abstellraum – zugegebenermaßen: Auch das in der Plastikflasche. Hier ist der Gewichtsfaktor entscheidend, mehrere Glasflaschen hätten den Heimweg beschwerlicher gemacht.
Die nächste Plastikverpackung wartet darauf, verstaut zu werden: Es ist das Waschmittel. Nachdem ich zumindest den Wäscheberg im Badezimmer selbst bezwingen kann, kommt es auch gleich zum Einsatz. Hemden, Blusen, Sportgewand, die Trommel wird vollgestopft, bei 30 Grad beginnt sich die Ladung zu drehen. Und damit werden tausende Mikrofasern aus den Stoffen freigesetzt und gelangen damit in unsere Abwässer, letztlich in die Meere – und gesellen sich zu weiteren zwölf Millionen Tonnen Plastik, die dort schon schwimmen. Wussten Sie nicht? Will man vielleicht auch gar nicht so genau wissen.
Während sich die Wäsche weiterdreht, ist Zeit für ein bisschen Entspannung in der Sonne. Ich verteile die Sonnencreme auf meiner Haut und halte kurz inne. Gut möglich, dass ich gerade Mikroplastik auf meinem gesamten Körper verteile. Ebenso, wenn ich Nagellack oder Lippenstift auftrage – hier isst man das Mikroplastik praktisch auf. Und zwar ganz freiwillig. Mikroplastik in der Natur ist also die eine Sache, Mikroplastik im eigenen Körper eine andere. Sieht es in unseren Blutbahnen also ein bisschen aus wie in den Weltmeeren? Und wenn ja, was bedeutet das eigentlich? Ein nicht besonders angenehmer Gedanke. Ich greife zum Handy und wähle. „Hutter hier!“, sagt der Mediziner, der keine einzige Nummer im Telefon speichert und sich komplett auf sein Zahlengedächtnis verlässt – er hat auch meine erkannt.
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