Das war niederschmetternd, und ich wurde noch ängstlicher. Ich begann wieder zu weinen. Ich war verzweifelt. Ich wollte nicht hier im Gefängnis sein, unter diesen Kriminellen, und ich konnte auch meine eigene Gesellschaft nicht mehr ertragen. Ich fühlte mich wie eine Kriminelle. Es war ein Gefühl, das ich nicht ausstehen konnte.
Plötzlich hörte ich, wie mein Name aufgerufen wurde.
Ich würde entlassen werden.
Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Und obwohl ich es zu dieser Zeit noch nicht wusste, hatte ich gerade meinen ersten Schritt heraus aus meiner Drogensucht gemacht.
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Als meine Anhörung begann, plädierte mein Anwalt darauf, dass ich nicht ins Gefängnis gehen sollte. Er erklärte dem Richter, dass ich einen Job hatte und ein ambulantes Rehabilitationsprogramm absolvieren würde. Der Richter erklärte sich einverstanden und ermöglichte eine Diversion. Dafür musste ich mich zu einem Entwöhnungsprogramm verpflichten. Das hieß, wenn ich das Programm absolvieren würde und alle wöchentlich durchgeführten Drogentests negativ wären, würden sie alle Anklagepunkte gegen mich fallen lassen.
Als ich damit begann, die mir auferlegten Treffen zu besuchen, war ich schon etwas darüber erstaunt, wie viele dieser Menschen noch immer Drogen nahmen. Ich ging zu den Treffen, und in den Pausen fragten mich die anderen Teilnehmer, welchen Trick ich anwendete, um die Urintests zu bestehen. Es gibt alle möglichen Tricks, um deine Urinprobe zu verfälschen, und sie verglichen ihre Methoden.
Ich sagte, ich würde einfach keine Drogen mehr nehmen. Das überraschte sie anscheinend. Als wir dann in den Meetings saßen, erkannte ich mit der Zeit, dass alle dort ihre eigene Geschichte hatten. Sie alle hatten schon eine Menge verrücktes Zeug gesehen und durchgemacht. Sie hatten Menschen sterben gesehen, sogar enge Freunde oder Familienmitglieder. Einige von ihnen, darunter auch Frauen, waren Mitglieder von Straßengangs. Sie hatten schon Zeit im Gefängnis verbracht.
Ich lehnte mich zurück und hörte den anderen zu. Sie mochten es nicht, dass ich so ruhig war. Also forderten sie mich auf, mehr beizutragen, doch ich hatte einfach noch nicht so viele Erfahrungen in meinem Leben gemacht wie sie. Ich erklärte ihnen, dass ihre Geschichten viel interessanter seien als die meinigen. Im Gegensatz zu mir hatten sie so viel mehr zu sagen.
Nach sechs Monaten bei den Narcotics Anonymous war ich nicht mehr verpflichtet, die Meetings zu besuchen, doch ich ging trotzdem weiter hin. Genauer gesagt, besuchte ich die Treffen für weitere sechs Monate, doch ich bekam bald das Gefühl, dass diese Meetings nichts für mich waren. Alles, was die Teilnehmer dort taten, war, über die Vergangenheit zu sprechen. Ich wollte aber nach vorne blicken und mich auf die Zukunft konzentrieren. Ich hatte kein Bedürfnis, die Vergangenheit wieder und wieder aufzuwärmen.
Nach unserer Festnahme war die Beziehung zwischen Jason und mir nicht mehr dieselbe, doch ich lebte weiterhin bei ihm und seinen Eltern.
Ich versuchte, weiter meine alten Freunde in den Nachtclubs zu treffen und mit ihnen auszugehen, doch alle rauchten und tranken Alkohol. Die Nachtclubs fühlten sich nicht mehr so an wie früher. Sie hatten nicht mehr denselben Reiz. Selbst die Musik klang nun anders. Ich verspürte keine Freude mehr dabei. Davor wollte ich immer tanzen und Spaß haben, wenn ich Musik hörte, aber nun hörte sich die gleiche Musik leblos an.
Ich trauerte irgendwie um die anderen. Es fühlte sich so an, als würden sie den Alkohol und die Drogen nur nehmen, um etwas zu verdrängen. Dabei verloren sie immer mehr von ihrer eigenen Persönlichkeit.
Ich fühlte mich nicht besser als sie. Tatsächlich war ich nicht einmal annähernd so glücklich wie sie. Ich war deprimiert und fühlte mich fehl am Platz, so als würde ich nicht wirklich wissen, wer ich war oder was ich hier tat. Gleichzeitig spürte ich aber auch, dass ich dabei war, mich selbst zu finden.
Ich wollte einfach nichts mehr mit dieser Szene zu tun haben.
Mein Therapeut war überglücklich, mir dabei zu helfen, mein Leben aufzuarbeiten und herauszufinden, was ich mit den Drogen verdrängen wollte. Im Drogenmilieu nannten wir das „Medicating“, und es stellte sich heraus, dass da viel mehr war, als ich anfangs gedacht hatte. Als ich jung war, waren mir einige schlimme Dinge widerfahren, und ich musste mich diesen Problemen nun stellen und sie ein für alle Mal aufarbeiten.
Ich arbeitete noch immer Teilzeit in einem Friseurladen, doch von den Drogen wegzukommen und sie und meine Freunde hinter mir zu lassen, machte mich sehr traurig. Es war schon ironisch, doch ich war trauriger als an dem Tag, an dem ich in den Spiegel geblickt und keinen Ausweg aus meiner Sucht gesehen hatte.
Ich war nicht glücklich mit Jason, ich war nicht glücklich, wenn ich mit meinen Freunden zusammen war, und eines der wenigen Dinge, die ich gerne tat, nämlich in den Nachtclubs abzutanzen, machte mir auch keine Freude mehr. Mein ganzes Leben war ein einziger Kackhaufen. Ich fühlte nichts, so als ob ich in ein tiefes, schwarzes Loch gefallen wäre und es immer dunkler um mich würde.
Eines Tages beschloss ich einfach, dass ich nicht mehr weiterleben wollte. Zwar nahm ich keine Drogen mehr, doch ich hasste mich noch immer für das, was aus mir geworden war, und ich wollte, dass es vorbei war.
Ich hatte keine Pistole, und ein Messer kam auch nicht infrage, doch dann kam mir eine Idee. Tylenol .
Ich nahm eine ganze Handvoll und schluckte so viele ich konnte. Ich fing zu weinen an, und zwang mich dazu, noch mehr Tabletten runterzuschlucken.
Schließlich legte ich mich aufs Bett, das ich mit Jason teilte, und versuchte, mich in den Schlaf zu weinen. Ich hatte die Absicht, nie wieder aufzuwachen.
Dann hörte ich da plötzlich eine Stimme in meinem Kopf.
„Du bist besser als das. Aus dir wird noch etwas werden“, sagte die Stimme zu mir.
Ich habe keine Ahnung, warum ich in meinem depressiven Zustand überhaupt auf die Stimme hörte, doch ich tat es.
Ich sprang auf und wählte den Notruf und erzählte ihnen, was passiert war. Sofort kam eine Ambulanz vorbei und brachte mich ins Spital, wo sie mir den Magen auspumpten.
Es war eines der unangenehmsten Dinge, die ich jemals durchgemacht habe.
Sie schoben mir einen Schlauch in den Hals, und ich begann alles, was sich in meinem Magen befand, hochzuwürgen. Ich konnte gar nicht aufhören damit. Es war schrecklich.
Die Nacht verbrachte ich dann auf der Psychiatrie. Obwohl man normalerweise für 72 Stunden unter Beobachtung bleiben soll, wurde ich, nachdem ich mit meiner Therapeutin gesprochen hatte, wieder entlassen. Die Ärzte waren zu dem Schluss gekommen, dass ich mich nicht wirklich umbringen wollte, auch wenn ich es versucht hatte. Bei einem weiteren Termin mit meiner Therapeutin riet sie mir, bei Jason auszuziehen, da es kein sicherer Ort für mich sei.
Ich musste ihr versprechen, dass ich so schnell wie möglich ausziehen würde. Wenn ich dies schaffte, könnte ich wieder meinen Weg gehen.
Es war mir bewusst, dass ich meine Mutter anrufen und ihr sagen musste, was sich alles abgespielt hatte.
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Als ich zum Hörer griff, zitterten meine Hände. Ich wollte meiner Mutter nicht erzählen müssen, dass ich Drogen nahm. Es hätte ihr das Herz gebrochen.
Eine Tochter, die anruft und sagt, sie sei drogenabhängig, würde jeder Mutter das Herz brechen, doch da Peggy meiner Mutter bereits solchen Kummer bereitet hatte, würde es sie endgültig am Boden zerstören.
Meine Schwester Peggy war drogenabhängig, seit sie 15 Jahre alt war. Als sie süchtig wurde, versuchte meine Mutter alles, um sie wieder von den Drogen loszukriegen. Sie empfand es in vielerlei Hinsicht als ihre Mission. Meine Eltern liebten Peggy, und es brach ihnen das Herz, dass sie ihnen so viel Kummer bereitete.
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