Johann Strauss jüngerer Bruder Josef wollte ursprünglich gar nicht in das Musikgeschäft der Familie einsteigen. Er studierte am Polytechnikum und wurde Bauleiter. Offizielle Biographien bezeichnen ihn sogar als Architekten und Erfinder. Die Konstruktion einer Straßenkehrmaschine wurde ihm zugeschrieben. Eine Wende seiner Karriere als Architekt und Erfinder brachte das Jahr 1852, in dem sein erfolgreicher Bruder Johann eines Tages zutiefst erschöpft von einem längeren Gastspiel nach Wien zurückkehrte und sich außer Stande sah, die musikalischen Verpflichtungen in seiner Heimatstadt zu übernehmen. Um das finanzielle Überleben der Familie Strauss und der Familien aller Orchestermitglieder zu garantieren, wurde Josef gedrängt, den Posten des Kapellmeisters zu übernehmen. Er erlernte daraufhin das Geigenspiel und wechselte sich bald mit seinem jüngeren Bruder Eduard in der Leitung des Orchesters ab, vor allem, wenn sich Johann zu Gastspielen im Ausland aufhielt. Der hochbegabte Josef überraschte mit meisterhaften, schwermütig-schönen Kompositionen: Walzer wie Sphärenklänge , Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust , Dorfschwalben aus Österreich oder die Pizzicato-Polka nehmen einen festen Platz im Repertoire der Konzertbühnen ein und werden nicht zuletzt durch das jährlich weltweit übertragene Neujahrskonzert aus Wien Millionen Menschen vor dem Fernsehbildschirm immer wieder nahegebracht.
Der jüngste Bruder Eduard, der interessanterweise als einziges Familienmitglied seinen Nachnamen mit »ß«, anstatt mit doppeltem »s« schrieb, studierte Harfe und Musiktheorie und spielte anfangs im Orchester seines Bruders. Nach dem Tod von Josef Strauss übernahm er die Orchesterdirigate. Von seinen zu Schlagern gewordenen Kompositionen sind Titel wie Wein, Weib und Gesang oder Morgenblätter aus Wiener Ballsälen nicht wegzudenken. Eduard war sehr reisefreudig und unternahm mit dem Orchester zahlreiche Gastspielreisen. So soll er in insgesamt 840 Städten in Europa und in Übersee Konzerte gegeben haben. 1882 wurde ihm die Funktion des Hofball-Musikdirektors übertragen, die sein Bruder Johann bereits 1871 abgegeben hatte. Er übte dieses Amt bis 1901 aus, dann zog er sich aus dem öffentlichen Musikleben zurück. Eduard war mit Maria Klenkhart verheiratet, aus dieser Ehe stammten zwei Söhne, Johann Strauss Enkel (1866–1939) und Josef Eduard Strauss (1868–1940), ersterer widmete sich ebenfalls der Musik. Deren Nachkommen leben heute noch in Wien.
War Johann Strauss Vater noch ein populärer Volksmusiker, könnte man bei seinem Sohn in der Diktion unserer Tage von einem »Popidol« sprechen. Johann Strauss Sohn stilisierte sich zur Musikikone, sein unstetes Privatleben lieferte immer wieder öffentlichen Gesprächsstoff. Jedenfalls baute die Familie Strauss in zwei Generationen einen Musikkonzern auf, der damals seinesgleichen suchte. Doch nicht nur der bekannteste Repräsentant der Strauss-Dynastie beherrschte die Kunst der Stilisierung: in nur zwei Generationen baute Österreichs bedeutendste Komponisten-Familie einen Musikkonzern auf, der damals seinesgleichen suchte.
* 1. Juli 1818 Ofen (heute Budapest), † 13. August 1865 Oberdöbling (heute Wien)
Arzt
Semmelweis wurde als Sohn eines Kaufmannes in Ofen geboren. Nach Besuch des Piaristengymnasiums studierte er an der Universität in Pest (heute ebenfalls Budapest). 1837 kam er nach Wien, um Jura zu studieren, wechselte aber ein Jahr später das Fach und nahm ein Medizinstudium auf. Nach seiner 1844 erfolgenden Promotion arbeitete er als Arzt im Allgemeinen Krankenhaus und an der pathologischen Anatomie. Zwei Jahre später wechselte er als Assistenzarzt in die Abteilung Geburtshilfe. Zu dieser Zeit lag die postnatale Sterblichkeitsrate durch Kindbettfieber zwischen 5 und 15 %, teilweise sogar bei 30 %. Die Geburt von Kindern stellte folglich ein großes Risiko dar.
Semmelweis entdeckte durch Beobachtungen, dass in jenen Orten, in denen Studenten und Ärzte sowohl in der Pathologie als auch in der Geburtshilfe tätig waren, die Sterblichkeit höher war, als in den Abteilungen, in denen ausschließlich Hebammenschülerinnen ausgebildet wurden, die nicht in der Pathologie arbeiteten. Daher untersuchte Semmelweis die Mütter noch gründlicher, was jedoch zu einem weiteren Anstieg der Todesfälle führte. Erst der Todesfall eines anderen Mediziners, der sich bei einer Leichensektion verletzt hatte und an Blutvergiftung starb, brachte Semmelweis auf die Ursache: Ärzte und Studenten sezierten täglich die an Kindbettfieber verstorbenen Frauen und gingen unmittelbar danach zu weiteren Geburten, ohne zwischendurch ihre Hände zu desinfizieren. Daher instruierte Semmelweis seine Studenten, sich nach den Leichensektionen mit Chlorkalk zu desinfizieren, wodurch die Todesrate merklich sank. Semmelweis entdeckte darüber hinaus, dass nicht allein die Leichensektion, sondern bereits der Kontakt mit anderen septischen Patienten zu Ansteckungen führen kann. Daher verlangte er von seinen Mitarbeitern, sich nach jeder Untersuchung zu desinfizieren. Der Erfolg war groß, die Sterblichkeitsrate sank auf 1,3 %. Doch die Anerkennung für seine Entdeckung blieb ihm verwehrt. Die konservativen Kollegen machten nicht die fehlende Sauberkeit sondern »Miasmen« für das Kindbettfieber verantwortlich.
1849 wurde Semmelweis Assistenzstelle nicht verlängert, da die Kollegenschaft mehrheitlich gegen ihn stimmte. Nur der Internist Josef Skoda soll sich auf seine Seite gestellt haben, jedoch überstimmt worden sein. Semmelweis reagierte mit Empörung und heftigen Anwürfen gegen die Kollegen, wurde sogar ausfallend und nannte sie Mörder vor Gott und der Welt. Offenkundig trug dieses Verhalten nicht zu einer Entspannung seiner misslichen Lage bei und zu alldem erschwerend hinzu trat die Tatsache, dass die Einsetzung einer Untersuchungskommission über seine Ergebnisse von seinen Kollegen verhindert wurde. Der Arzt verließ Wien daraufhin voller Wut und ging an die Universitätsklinik in Pest, die heute seinen Namen trägt. Auch in Ungarn fand er kaum Unterstützung, denn Hygienemaßnahmen wurden als Zeitverschwendung betrachtet. Semmelweis verfasste in Reaktion darauf polemische offene Briefe, in denen er an seinen Kollegen kein gutes Haar ließ. 1865 eskalierte die Situation in Budapest: Semmelweis erkrankte psychisch und wurde durch den Antrag von Kollegen in die Irrenanstalt in Oberdöbling eingeliefert. Zwei Wochen nach seiner Einweisung starb er an einer Blutvergiftung. Er wurde in Budapest beigesetzt.
Semmelweis Bedeutung wurde lange nicht erkannt, erst in den 1880er Jahren setzte die öffentliche Anerkennung langsam ein und es begannen dramatische Gerüchte um seinen frühen Tod zu kursieren, die von verweigerter Hilfeleistung bis zu seiner Ermordung reichten. Tatsächlich wurde erst ein Jahrhundert später entdeckt, dass Semmelweis lange vor seinem Tod an Syphilis litt, eine Krankheit, die bei Frauenärzten vielfach aus ihrer beruflichen Tätigkeit und nicht aus einem ausschweifenden Lebenswandel resultierte. Obwohl die damalige Diagnose »Blutvergiftung infolge eines Abszesses« korrekt war, befand sich seine Paralyse unmittelbar vor seinem Tod bereits in einem sehr fortgeschrittenen Stadium, was auch seine hohe Aggressivität und die starken Stimmungsschwankungen erklären.
* 20. Juli 1822 Heinzendorf (heute Vražné, Österreichisch-Schlesien), † 6. Januar 1884 Brünn
Naturforscher und Pionier der Vererbungslehre
Der Kleinbauernsohn half schon im elterlichen Garten bei der Veredelung von Obstbäumen. Wegen seiner guten Schulerfolge durfte er das Gymnasium in Troppau besuchen; in den Oberklassen musste er sich dort seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer verdienen. Da seine jüngere Schwester zu seinen Gunsten auf ihr Erbteil verzichtete, konnte er drei Jahre die Universität in Olmütz besuchen. Doch dann musste er mangels irgendeines Unterhalts sein Studium abbrechen. Mendel entschloss sich, Mönch zu werden, und trat in die Augustinerabtei St. Thomas in Brünn ein. Zwischen 1845 und 1848 studierte er Theologie und Landwirtschaft in Brünn. 1847 erfolgte seine Priesterweihe. Seine Ordensoberen erkannten rasch seine wissenschaftliche Neigung und Begabung und setzten ihn als Hilfslehrer am Gymnasium ein. Da er die Lehramtsprüfung für Naturgeschichte und Physik nicht bestand, erlaubte ihm der Orden, diese Fächer ihn Wien zu studieren. Er studierte Experimentelle Physik bei Christian Doppler (→ siehe dort) und Pflanzenphysiologie bei Franz Unger. Ab 1854 wurde er wieder als Lehrer in Brünn eingesetzt. 1856 scheiterte er aber aus unbekannten Gründen noch einmal an der Lehramtsprüfung.
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