Beißt mir die Naivität aus dem Leib
Kratzt mir das Kindliche aus dem Verstand
Schüttet mich aus den Kinderschuhen
Formt mir ein starkes, gefühlloses Herz
Setzt Glas anstelle der treuen Augen ein
Schält mir die Unbeschwertheit aus der Seele
Dieses Kind
dieses verträumte
an nichts denkende Kind
Dieses verspielte
immerzu nachahmende Kind
muss getötet werden –
in mir
Denn die Realität ist grausam
und will bezwungen werden
Ich bin ein Kind meiner Eltern
und ein Geschöpf dieser Zeit
Ich bin einer von denen
die es bereu‘n
ein Stück von dem Leben
von dem vielfältigen Leben
ein Stück nur zu leben versucht zu haben
dabei verzweifelt
an sich selbst gescheitert
an dem Leben im Grunde vorbeigelebt
Wo ist das Kind jener Eltern
wo das Geschöpf, welcher Zeit
Geblieben ist davon nur ein Haufen Asche
Mein Leben ist ein einziger Kampf
mit mir selbst
wie wirbeln die geballten Fäuste
durch die Luft
groteskes Winden, Hüpfen und Drehen
um die eigene Achse
sich windend, springend, tänzelnd
gebeugt, gestreckt und wieder gebeugt
immer weiter, immerfort
kein Sieg
kein Ziel
wann endlich mein KO ?
Die Analyse einer Enttäuschung
Große Erwartung, hoffend und glaubend.
Dann der Augenblick des Geschehens.
Das, was wirklich ist, übertrifft dann jegliche Erwartung.
Man steht vor den Trümmern der Hoffnung.
Niederschmetternd das Ergebnis, den Tatsachen ins Auge sehend.
Zu Hilfe eilend, den letzten Möglichkeiten Kraft gebend.
Doch manchmal ist alles verloren.
Wut und Ärger steigern sich ins Unermessliche.
Diese werden beim Abflauen der Gefühle von Resignation ersetzt.
Dann nur noch Ruhe. Bitte Ruhe bewahren!
Sich fassen, überlegen - was nun?
Mit neuer Kraft voraus?
War ja doch nicht so schlimm.
Weiter geht’s - oder - oder doch nicht?
Die Enttäuschungsrückstandssubstanzen bleiben für immer.
Für immer???
Das Biest muss raus
sonst frisst es sich durch Mark und Bein
höhlt den Kopf aus
verschlingt die Eingeweide
saugt die Adern leer
knabbert an den Knochen
zerreißt die Nerven
zerfleischt die Muskeln
nimmt den Verstand
kratzt am Gerechtigkeitssinn
zerschlägt den Stolz
zersplittert das Selbstwertgefühl
schlürft den Mut heraus
beißt sich durch die innere Zufriedenheit
besudelt Menschenfreundlichkeit mit Einsamkeitserbrochenem
beschmutzt Ausgeglichenheit mit Depressionskot
bespuckt Glücksgefühl mit Trauereiter
belädt Freiheitsgefühl mit Angstgeschwüren
und dann -
bleibt nur noch ein großer Haufen zurück
ein großer Haufen stinkender Scheiße
den man Leben nennt
Stahlglatt
und glänzend poliert
hängt
über der Versäumnis
das Messer.
Millimetergenau angepasst
die Führungsleisten
links und rechts
im Holzrahmen.
Das blitzblanke Messer
gehalten von kluger Technik
saust nach unten
auf Knopfdruck.
Ein sauberer Schnitt
durch Adern und Blutgefäße
durch Luft- und Speiseröhre
durch Nerven, Muskeln und Fett
durch rohes Fleisch
durch Wirbel und Knochen
trennt Kopf vom Rumpf
trennt Leid vom Glück
trennt Erinnerung von Vorahnung
trennt Vergangenheit von Gegenwart.
Nur ein einziger Schnitt.
suchen Fragen nach Antworten

FRÜHLING IM ALL
Acryl- und Dispersionsfarbe mit lumineszierenden Zusätzen,
Acrylglas und Sand auf Holz • 1989
© Bild und Foto: Dietmar Wolfgang Pritzlaff
Vielleicht erkennt eine Träne den Schmerz
vielleicht weiß sie warum sie beim Abschied
zu rinnen beginnt
vielleicht erahnt sie auch die Freude
vielleicht weiß sie, warum sie salzig schmeckt
warum sie so schnell vergänglich ist
warum sie durchsichtig ist
Aber was sie bestimmt nicht ahnt
es tut gut mal zu weinen
mal alles rauszulassen
so befreiend
Weinen wir also zusammen
Mir kommen schon die Tränen
Ich lauf aus
Ich werde dicke Tränen um dich weinen
„Es geht eine Träne auf Reisen...“ - la, la, la...
Töne von Leben
dringen durch die Wand
laute Geräusche
schwirren über das Land
Die Luft ist erfüllt
von Atmosphärenklang
Radiowellen schwingen
zu unserem Lebensdrang
Und wir überhören
des Windes Melodien
achten nicht auf
Meeressymphonien
Berechnung des Glücks mittels
kaufmännischem Kettensatz
Wie viel Glück entspricht ein Leben?
Ein Leben – entspricht – mindestens drei Jahre Leid
ein Leiden – entspricht – meistens nur Mitleid
Mitleid – entspricht – oftmals drei Tage Gram
Gram – entspricht – lange Zeit der Unzufriedenheit
Unzufriedenheit – entspricht – mehrere Wochen Hoffnungslosigkeit
Hoffnungslosigkeit – entspricht – monatelanger Depression
Depression – entspricht – viele Stunden Ärger
Ärger – entspricht – schlaflose Nächte voller Wut
Wut – entspricht – zu viel Zeit der Sinnlosigkeit
Sinnlosigkeit – entspricht – jahrelanger Trauer
Trauer – entspricht – kein bisschen Glück
Also wie viel Glück entspricht ein Leben?
Politik ist wie Pi
Man braucht Pi bei
jeder Kreisberechnung
Politik dreht sich im Kreis,
wer auch immer sie macht
Und Pi ist immer dabei
Pi ist immer gleich;
bei jedem Kreis,
egal ob groß oder klein
Pi aufgerundet ist 3,14
Mathematisch gesehen ist 3,14
Natürlich “absolut” ungenau,
aber wie in der Politik
lässt man gern die vielen
Nachkommastellen einfach weg
Über Kleinigkeiten wie Pi
spricht man eben nicht
Pi ist Pi
sonst nichts
Feuerwerk
Die Nacht erhellend,
die Dunkelheit durchbrechend
Feuerwerk
Nicht aus Freude am Leben im neuen Jahr,
sondern aus Hass, der das Leben auslöscht und vernichtet.
Blutiges Feuerwerk
Jeder den Atem anhält, der an dich denkt.
Feuerwerk
Auch wenn am Ende für “Einen” steht der Sieg,
ist es doch nichts weiter als ein schmutziger, grausamer Krieg.
Krieg
Du machst Städte dem Erdboden gleich.
Du vergießt Tränen und Blut ganzer Nationen.
Du zerstörst Leben und versetzt so manchen Berg,
du - blutiges Feuerwerk.
Deswegen – gewichtig
Wegfahren – der Sonne entgegen
auf Abwegen – wandeln
den Weg abkürzen – die Zeit eilt
vom Weg abkommen – bedrohte Sicherheiten
dunkle Wege – in das Nichts
jemanden bewegen – etwas zu sagen
Wegbereiter – mit besten Beziehungen
beweg dich – dann ist Leben
Wegweiser – Hinweis auf ein Ziel
Ausweg – Rettung
am Wegesrand – ein Blümlein stand
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