Das 4Cs framework bietet ohne Zweifel ein starkes Rückgrat für wichtige methodisch-didaktische Überlegungen im Zusammenhang mit der Planung und Entwicklung von CLIL-Modulen. Trotzdem bleibt die Frage offen, wie denn nun ganz genau das Lernen im CLIL-Unterricht entlang der 4Cs konkretisiert werden kann.
Die Antwort liegt bei Lernaufgaben, die als fundamentale Elemente im Unterricht das Lernen auslösen. Wie das folgende Zitat verdeutlich, passiert bei der Aufgabenbearbeitung die Verbindung von fremdsprachlichem und inhaltlichem Lernen: « In any communicative situation, general competences (e.g. knowledge of the world, socio-cultural competence, intercultural competence,…) are always combined with communicative language competences (linguistic, sociolinguistic and pragmatic competences), and strategies (some general, some communicative language strategies) in order to complete a task .» (Council of Europe 2018, S. 29)
Im nachfolgenden Kapitel stehen deshalb Lernaufgaben im Zentrum. Nach einer Einführung, in der Hintergründe zur Aufgabenorientierung und Typen von Aufgaben aufgezeigt werden, werden spezifische Aufgabenmerkmale für den CLIL-Unterricht in der Fächerfusion Englisch und BG vorgestellt. Ziel ist es schliesslich das hier kennengelernte 4Cs framework zu verfeinern und für die nachfolgende Implementierung von CLIL-Modulen zu konkretisieren.
Während ihrer Schulzeit werden Lernende mit Tausenden von Aufgaben konfrontiert, welche sozusagen die Bausteine von Unterricht sind (Maier 2016, S. 6). Es erstaunt daher wenig, dass deren Bearbeitung ein grosser Teil der Unterrichtszeit gewidmet ist (Reusser 2013, S. 4). Ganz allgemein betrachtet sind Aufgaben Ausgangspunkt von Lernen und Lehren (Keller & Bender 2012, S. 8), bilden die Lernumgebung für die Kompetenzentwicklung (Leisen 2010, S. 60), fordern zur gezielten Auseinandersetzung mit einem spezifischen Unterrichtsinhalt auf (Blömeke et al. 2006, S. 331) und prägen somit das unterrichtliche Lernen massgeblich mit (Reusser 2013, S. 4). Die folgende Definition scheint daher zutreffend: «Aufgaben sind kognitive Anforderungen an Schülerinnen und Schüler, die bei idealer Passung mit den Lernvoraussetzungen zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem zu erlernenden Wissen führen können.» (Maier 2016, S. 6)
Gemäss dieser Definition und unter Berücksichtigung des in dieser Arbeit zugrundeliegenden sozial-konstruktivistischen Lernverständnisses, sind Aufgaben stets Lerngelegenheiten, bei denen Lernende aktiv auf einer Tiefenstrukturebene zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt angeregt werden, sei es im Rahmen einer einfachen Übungsaufgabe oder durch ein komplexes Problem. Betrachtet man hingegen jegliche Lernaufforderungen, wie Fragen oder Anweisungen, bereits als eigentliche Aufgabe, geht man von einem instruktionistischem Lernverständnis aus. (Leuders 2014, S. 34) Während solche unterrichtlichen Handlungen wie Aufforderung, Anforderungen oder Fragen mehr den unterrichtlichen Oberflächenmerkmalen zugeordnet werden, beziehen sich Lernaufgaben auf die gewünschte Tiefenstruktur von Unterricht (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 21). Somit kann die in der Theorie kontrovers diskutierte Frage, ob jede unterrichtliche Handlung bereits als Aufgabe gilt, für den Rahmen dieser Arbeit verneint werden.
Aufgaben werden in Lern- und Leistungsaufgaben unterteilt, wobei erstere für die vorliegende Arbeit relevant sind. Lernaufgaben, im Gegensatz zu Leistungs- oder Beurteilungsaufgaben, initiieren eigenständiges Lernen der Schüler*innen und regen durch inhaltsbezogene Problemstellungen oder andere Formen von Lernaufträgen die Auseinandersetzung mit einem spezifischen Unterrichtsinhalt an (Keller & Bender 2012, S. 8). Lernaufgaben unterstützen folglich den Kompetenzerwerb, Leistungs- oder Beurteilungsaufgaben hingegen zielen auf die Kompetenzüberprüfung ab. Diese Unterscheidung ist deshalb sinnvoll, weil Lern- und Prüfungssituationen unterschiedlichen Gesetzmässigkeiten folgen: Mittels vielfältigen Lernaufgaben wird den Lernenden ermöglicht in ein Thema einzutauchen, Zusammenhänge zu entdecken, Fragen zu stellen und Sachverhalte tief zu verstehen. Sie werden dabei von der Lehrperson begleitet und unterstützt. Fehler werden produktiv genutzt, um Unverstandenes zu erkennen und zu klären. In Beurteilungssituationen andererseits braucht es Aufgaben, die zu einer möglichst eindeutigen Lösung führen und die die Lernenden alleine sowie möglichst ohne Fehler bewältigen können. (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 40)
Seit einigen Jahren ist in der Erziehungswissenschaft als auch in den Fachdidaktiken eine wissenschaftliche Akzentverschiebung in Richtung Lernaufgaben beobachtbar (Keller & Reintjes 2016, S. 15). Wie bereits im Kapitel 3.1 aufgezeigt, lässt sich deren Popularität zum einen mit der Idee einer konstruktivistischen Didaktik erklären (vgl. Diesbergen 2012, S. 46); zum anderen sind verschiedene bildungspolitische Entwicklungen dafür verantwortlich, dass Lernaufgaben in den letzten Jahren ein vielbeachtetes Thema geworden sind. Drei Kontexte, die insgeheim ineinandergreifen, werden in diesem Zusammenhang genannt. Der erste Kontext bezieht sich auf die internationalen Schulleistungsmessungen (z. B. PISA, TIMSS) und die in diesem Zusammenhang teils ernüchternden Resultate, welche zu einem Umdenken von Aufgabenformaten zwang. Der zweite Kontext umfasst die Einführung von Bildungsstandards, die teils als Reaktion auf die unerwarteten Resultate der internationalen Schulleistungsvergleiche entwickelt wurden. Sie beschreiben die zu erwerbenden Kompetenzen in Form von Basisstandards für bestimmte Klassenstufen und wurden 2011 von der EDK als nationale Bildungsziele in Kraft gesetzt. Sie ermöglichen einerseits auf nationaler Ebene Leistungsvergleiche durchzuführen, anderseits bilden sie gleichzeitig die Grundlage für die neue Generation der Lehrpläne (vgl. Grundansprüche im Lehrplan 21). Der dritte Kontext bildet diese neuen kompetenzorientierten Lehrpläne und die damit verbundene Output-Orientierung von Lehren und Lernen. Diese Akzentverschiebung verhalf ebenfalls dazu, dass Lernaufgaben in den letzten paar Jahren in der Wissenschaft als auch Unterrichtspraxis einen Aufschwung erlebten. In diesen Lehrplänen werden zwar keine eigentlichen Lernaufgaben vorgegeben, jedoch spielen sie bei der Operationalisierung der Kompetenzen eine zentrale Rolle, weil Lernaufgaben die «kleinste Einheit» von Kompetenzorientierung darstellen, die guten Unterricht ausmachen. (Criblez 2016, S. 28–32)
Ob die Lernziele basierend auf den Kompetenzbeschreibungen aus dem Lehrplan erreicht worden sind, kann man nur über die Performanz prüfen. Damit ist die Art und Weise oder der Grad der Bewältigung gemeint, wie eine Anforderungssituation gemeistert wird. Die Performanz wiederum zeigt sich über das Lösen entsprechender Lernaufgaben, die Einblicke in die Vorstellungen, Erfahrungen und Dispositionen der Lernenden geben (Luthiger & Wildhirt 2018, S. 34). Lernaufgaben mitsamt der daraus resultierenden Performanz ermöglichen demnach das Sichtbarmachen des Lernens, wie es Hattie in seinen Kernbotschaften verlangt. Damit meint er, dass Lernaufgaben allen Beteiligten wichtige Rückschlüsse über das Lernen und Lehren geben können, weil sie Erkenntnisse darüber liefern, was die Schüler*innen konstruieren, bereits verstehen oder noch missverstehen (Hattie 2015, S. 280–81). Gute Lernaufgaben sind facettenreich und decken meist mehrere Kompetenzniveaus ab. Zudem bieten sie nicht nur Lerngelegenheiten zum Aufbau von fachlichen, sondern auch von überfachlichen (d.h. sozialen, methodischen oder personalen) Kompetenzen (Reusser 2014a, S. 85). Zusammengefasst kann demnach festgehalten werden: «Aufgaben als Aufforderung zur gezielten Auseinandersetzung mit einem Inhalt sind als stoffinhaltliche Materialisierungen und prozessdidaktisch inszenierte Lerngelegenheiten der Dreh- und Angelpunkt eines kompetenzorientieren Unterrichts.» (Reusser 2014a, S. 80).
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