Immerhin scheint dieses Bewerbung gerade soviel Eindruck auf McQueen gemacht zu haben, dass er sich daran erinnern konnte. Als ich im Sommer 1970 das erste Mal über die Manson- Family recherchierte, hatte ich einen Assistenten, dessen Bruder in Frankreich an einem Film über das Autorennen von Le Mans mitarbeitete, in dem McQueen die Hauptrolle spielte. Eines Abends im August 1970 sei er auf ein Bier mit McQueen zusammengesessen und das Gespräch kam auf Sharon Tate. McQueen wurde unvermittelt zornig: »Wenn ich jemals die Gelegenheit hätte«, soll er gesagt haben, »würde ich diesen Charlie Manson umlegen. Und wenn ich's nicht wäre, dann würde ich jemanden dafür anheuern.«
Am Sunset-Boulevard spitzte sich die Situation für Manson allmählich zu. Wie die Heuschrecken, die sie später im Buch der Offenbarung so bewundern sollten, hatte die Family Wilsons Besitz reichlich verwüstet. Dennis Wilsons abgefahrene Rock 'n' Roll-Garderobe wurde zum Gemeinschaftsgut und Manson verschenkte Wilsons Goldene Schallplatten, die eine Gruppe zur damaligen Zeit erhielt, wenn ein Album den Verkauf von einer Million Schallplatten überschritten hatte. Eine dieser Goldenen Platten landete bei jener Dame, der die Barker-Ranch im Death Valley gehörte. Eine weitere Goldene Platte geriet offenbar in die Hände von George Spahns Bruder. Für Wilson war dies offenkundig besorgniserregend.
Um den 1. August verließen Dennis Wilson und Gregg Jakobson das sinkende Schiff und wohnten von da an in einem Haus in der Nähe des Pacific Coast Highway. Jakobson zufolge blieb das Haus am Sunset-Boulevard offen für jeden, der dort pennen wollte.
Kurze Zeit später setzte Dennis Wilsons Manager Manson und seine Leute auf die Straße.
Den ganzen Herbst hindurch tauchten immer wieder Leute an ihrem ehemaligen Pennplatz am Sunset-Boulevard auf, um liegengebliebene Sachen abzuholen. Dann wurde das Haus verkauft, und die neuen Besitzer heuerten eine Wache an, um den Besitz nachts vor ungebetenen Gästen zu schützen.
Vielleicht wurden auch Manson und die Family aus dem Haus von Dennis Wilson geworfen, aber dennoch hielt die Verbindung zum Drummer der Beach Boys noch mindestens bis zum Frühjahr 1969 an.
Am 11. September 1968 nahmen die Beach Boys Mansons Song »Cease to Exist« auf. Etwas passierte mit dem Wort »exist« – irgend jemand entschied, ein »R« anzufügen. Wer? Wie so oft, wenn es um Mansons Beziehungen zu den Protagonisten der Massenkultur geht, sind die Aufzeichnungen lückenhaft. Vielleicht war es jemand aus dem Management, der fürchtete, die Worte »Hör auf zu sein«, vorgesungen in perfekter Vokalharmonie von einer der größten Rockbands Amerikas, könnten bei den Teenie-Fans eine Welle von Selbstverletzungen oder Schlimmerem auslösen.
So wurde Mansons Text geändert und sein Name aus den Verfasserangaben entfernt. Für Letzteres bestand eigentlich keine Veranlassung, da der Name Manson im Herbst 1968, als das Beach Boys-Album 20/20 bereit zur Veröffentlichung war, noch kein Synonym für das Böse schlechthin war.
Die Schlüsselworte des Songs »Cease to Exist« wurden also in »cease to resist« (etwa: »Hör auf, dich zu wehren«) umgewandelt, so als spiele der Song auf sexuelle Unterwerfung an. Der Titel wurde in »Never Learn Not to Love« geändert. Diesen Song brachten die Beach Boys mit ihren hervorragenden Gesangsharmonien glänzend heraus. Trotzdem war Manson sauer, denn nichts hasste er mehr, als wenn jemand in seinen Texten herumpfuschte.
Keine der beiden Fassungen konnte sich mit »Strawberry Fields Forever« vergleichen. Auf der Demoaufnahme, die ich gehört habe, singt Manson seinen Song in einer gefälligen und halbprofessionalen Art, mit einem bluesigen Knistern in der Stimme. Die Band änderte ausser »Cease to Exist« noch weitere Passagen. So sehr sie auch hinter neuem Material her waren, werden die Beach Boys doch auch die potentiellen Probleme bei einem Song für die Massen erkannt haben, der ein gewisses Übermaß an geschwisterlicher Liebe zu propagieren schien.
Beach Boys: |
Manson: |
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Pretty pretty Girl |
Cease to resist, come on say you love me |
Cease to exist, just come and say you love me |
Give up your world, come on and be with me |
Give up your world, come and you can be |
I'm your kind, I'm your kind and see |
I'm your kind, oh your kind and I can see |
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Come on, come on, ooo I love you pretty girl |
Walk on walk on I love you pretty girl |
My life is yours, and you can have my world |
My life is yours and you can have my world |
I'm your kind, I'm your kind and see |
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Never had a lesson I ever learned |
Never had a lesson I ever learned |
I know I could never learn not to love you |
But I know we all get our turn and I love you |
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Come in now closer |
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Come in closer closer closer, ahhh |
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Submission is a gift, give it to your lover |
Submission is a gift. Go on, give it to your brother |
Love and understanding is for one another |
Love and understanding is for one another |
I'm your kind, I'm your kind, and I see |
I'm your kind, I'm your kind, I'm your brother |
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Never had a lesson I ever learned |
Never had a lesson I ever learned |
I know I could never learn not to love you |
But I know we all get our turn and I love you |
Come in now closer |
Never learn to love you |
Come in closer come in closer ahhh |
Never learn to love you |
Ahhh-ahhh-ahhh-ahhh-ahhhhh |
Never learn to love you |
Ahhh-ahhh-ahhh-ahhh-ahhhhh |
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Als »Never Learn to Love« auf der B-Seite einer Beach Boys-Single herauskam, stellte sich die Platte nicht gerade als Chartbreaker heraus. Manson war überzeugt, der Song wäre ein Hit geworden, wenn man den Text nicht geändert hätte. Als Honorar erhielt er offenbar etwas Bargeld und ein BSA-Motorrad, das er wiederum Little Paul aka Paul Watkins schenkte.
Währenddessen nahmen im fernen London die Beatles am 18. Juli 1968, einen Tag nach der Weltpremiere ihres Films Yellow Submarine, im Abbey-Road-Studio drei Fassungen eines Paul-McCartney-Songs auf, den dieser nach einer Achterbahn in einem britischen Vergnügungspark betitelt hatte. Die letzte Fassung in dieser Nacht dauerte 27 Minuten, es gab sogar einen Part, in dem das brilliante Quartett für ein paar Takte in den Standard »Blue Moon« wechselte, um dann wieder zu dem Song zurückzukehren. Zu welchem Song? Zu dem Song, der nur wenige Monate später eine mächtige Wirkung auf Charlie Manson haben würde: »Helter Skelter«.
Den Beatles war klar, dass die Originalfassung mit 27 Minuten viel zu lang für eine Single war und so nahmen sie am 9. September in einer wilden Session ganze 21 Fassungen einer drei- bis vierminütigen Version von »Helter Skelter« auf. Nummer 21 wurde der Basistrack auf dem am folgenden Tag weitere Spuren aufgenommen wurden: John Lennon am Saxophon, McCartneys exzellenter Schrei- und Gesangspart, Ringo Starrs Ausruf: »Ich hab Blasen an den Fingern!«, mit dem der Song endet. Der Song an sich war unschuldig genug, aber etwas an der ruhelos-wogenden Instrumentierung erinnerte manchen Zuhörer an universelle, marschierende Insekten, die sich durch die Zeitläufe mampfen – eine machtvolle, fast avantgardistische Musik, die mit ihrer Assoziation an kosmische Heere von außer Kontrolle geratenen Heuschrecken für einen gewissen, verzweifelten Sänger zur persönlichen Bibel werden sollte.
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