Hans-Christian Kirsch - On the Road
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Hans-Christian Kirsch
On the Road
Die Beat-Poeten
Allen Ginsberg · Neal Cassady
William S. Burroughs · Jack Kerouac
FUEGO
- Über dieses Buch -
Das wilde Leben und die impulsive, rebellische Literatur der Beat-Generation glichen nicht selten einer Höllenfahrt. Hans-Christian Kirsch porträtiert die Leitfiguren der literarischen Untergrundbewegung der 50er und 60er Jahre in den USA und setzt der Beat-Literatur mit liebevoller, aber keineswegs unkritischer und bisweilen ironischer Reverenz ein sehr persönliches Denkmal.
›Hans-Christian Kirsch hat in seinem spannenden Buch die Biographien der vier Hauptrepräsentanten der Bewegung - Cassady, Kerouac, Ginsberg, Burroughs - so atmosphärisch lebendig nacherzählt, dass man einen präzisen Einblick in Entstehung und Entwicklung einer Kulturrevolte erhält, deren seismische Wellen noch heute unsere Lebensweise beeinflussen.‹
(Die Weltwoche)
›Hans-Christian Kirsch ist den ›beat poets‹ auf ihren langen Reisen durch Amerika gefolgt. Kunstvoll hat er die Lebenswege der vier Schriftsteller zu einer Biographie verschlungen, die nicht nur Literatur-, sondern auch Sozial- und Sittengeschichte eines großen Landes ist, das sich seines Anspruchs von (God’s own country) nur noch so lange sicher sein könnte, bis es mit dem Eingreifen in den Vietnam-Krieg endgültig seine Unschuld verlor.‹
(Die Welt)
›Eine Monographie, die ebenso material- wie kenntnisreich und noch dazu spannend zu lesen ist.‹
(Hans Christoph Buch in der FAZ)
Constantly risking absurdity
and death
whenever he performs
above the heads of his audience
the poet like an acrobat
climbs on rime
to a high wire of his own making
and balancing on eyebeams
above a sea of faces
paces his way
to the other side of day
performing entrechats
and sleight-of-foot tricks
and other high theatrics...
Lawrence Ferlinghetti*
I. BUCH
Die Kinder der großen amerikanischen Wüste
1
Ein Kind der Straße
(1926-1946) Neal Cassady
... and I am waiting
for a rebirth of wonder
and I am waiting for someone
to really discover America
and wail
and I am waiting
for the discovery
of a new symbolic western frontier
and I am waiting
for the American Eagle
to really spread its wings
and straighten up and fly right...
Lawrence Ferlinghetti1
... geboren am 8. Februar 1926 in Salt Lake City auf der Durchreise.
Die Eltern, Neal Cassady sr. und dessen Ehefrau Maude, sind auf der Fahrt nach Kalifornien.
Für Maude ist es die zweite Ehe. Sie stammt von einer Farm in der Nähe von Duluth, Minnesota. Sie war mit dreizehn als Dienstmädchen zu einer wohlhabenden Familie in Sioux City in Iowa geschickt worden. Damals war sie drall und hübsch wie eine gutgeratene Süßkartoffel, aufgeweckt und charmant. Sie hat es verstanden, ihre Arbeitgeber für sich einzunehmen. Sie haben sie behandelt wie ihre eigene Tochter. Maude hat James Kenneth Daly geheiratet, einen wohlhabenden Mann irischer Abstammung, der als Lokalpolitiker Karriere gemacht hatte und 1919 unter dem Motto ›Mit eisernem Besen gegen Bürokraten mit Ärmelschonern und die Stadträte mit den weiten Taschen‹ Bürgermeister wird. James Daly liebte dicksämiges Bier, Hammelbraten und die Entenjagd.
1922, er muss sich demnächst wieder zur Wahl stellen, stirbt er nach einem Schlaganfall, noch nicht ganz vierzig...
In den fünfzehn Jahren Ehe hat er mit Maude acht Kinder gezeugt. Das letzte der Kinder wird geboren, als sein Erzeuger schon unter der Erde ist. Die junge Witwe verträgt sich nicht mit ihrer Schwiegermutter, deswegen zieht sie schließlich um nach Des Moines. Hier lernt sie Neal Cassady kennen, einen Mann Anfang dreißig, Vagabund und Trunkenbold, der des Lebens Höhen und Tiefen gesehen hat. Als sie ihn trifft, ist er kurzfristig wieder einmal obenauf und führt gerade den größten Friseursalon am Ort. Zehn Stühle. Die örtliche Prominenz seift er selbst ein, verpasst ihr eigenhändig einen Fassonschnitt. Zu seinen Kunden gehört ein Golflehrer. Der verschafft ihm Zutritt zum örtlichen Country Club. Dort begegnet Neal Maude. Maude hört gern Musik. Neal sr. führt sie zu den sonntäglichen Platzkonzerten aus. Er macht Maude den Hof, schläft ein paarmal mit ihr.
›Du könntest mich eigentlich heiraten‹, hat sie an einem Sonntagnachmittag lachend gesagt. ›Ich bin nämlich schwanger.‹
›Wird gemacht, Darling.‹
Neal gibt sich als Gentleman.
›Aber ich will auch ein Dach über dem Kopf. Das bin ich meinen Kindern schuldig.‹
Neal kauft einen Ford-Lastwagen und errichtet auf der Ladefläche eine Art Haus.
In diesem Gefährt bricht das Paar, begleitet von den zwei jüngsten Kindern, der fünfjährigen Betty und dem dreijährigen Jimmy, mitten im Winter nach Hollywood auf. Die älteren Kinder bleiben zurück, sich selbst überlassen.
In Salt Lake City bringt Maude das Baby zur Welt. Man hält sich nur so lange in der Stadt auf, bis die Wöchnerin wieder reisefähig ist.
In Hollywood angekommen, kauft das Paar einen Friseursalon. Es dauert nicht lange, und Neal verfällt wieder in seine, alten Gewohnheiten. Er öffnet und schließt den Laden, wann es ihm passt, stromert herum, spielt, schwadroniert, trinkt.
1928 verkauft er das Geschäft für weit weniger, als er seinerzeit dafür bezahlt hat. Er geht nach Denver. Dort lebt ein Bruder von Maude. Der Schwager arbeitet bei der Railway Express Company und findet, Denver sei für seine Schwester und Neal gerade der rechte Ort, um sich niederzulassen.
Ein alter Schuster vermietet für ein Jahr sein kleines Haus an Neal, der in der Schuhmacherwerkstatt zwei Friseurstühle aufstellt.
Die beiden winzigen Hinterzimmer füllen sich. Die Kleinen, Jimmy, Betty und Neal jr., sind von Anfang an dabei. Dann rückt die Brut der Älteren aus Des Moines an: Bill, Ralph, Jack und Mae. Die dreizehnjährige Evelyn hat sich schon selbständig gemacht.
Für neun Personen sind die zwei Räume hinter dem geteilten Ladengeschäft zu klein. Es gibt nicht genügend Betten. Überall liegen Kleider herum. In der Küche muss in zwei Schichten gegessen werden.
Die älteren Jungen sind sich bald darüber im klaren, dass der Stiefvater ein Versager ist. Sie machen sich selbständig.
Bill, der Älteste, zu diesem Zeitpunkt einundzwanzig, heiratet die Witwe eines reichen Mannes. Sie bringt ein Speise- und Tanzlokal außerhalb von Denver mit in die Ehe. Er bildet sich selbst zum Barkeeper aus.
Ralph, der Zweitälteste, ist ein hübscher, aber zu Gewalttätigkeiten neigender Junge. Er ist achtzehn und ist bald für einen Mann tätig, der nur Sam genannt wird und in der Larimer Street in downtown Denver schwarz Schnaps brennt.
Zu Ralphs Aufgaben gehört es unter anderem, die Getränke auszufahren. Einer der besten Kunden der illegalen Destille ist ein gewisser Black Barlow, der im Gebirge eine hübsche Ranch besitzt. Dort wird der sechzehnjährige Jack, eines der Kinder aus Maudes erster Ehe, Wachmann.
Kaum hat sein großer Bruder ihm diesen Job verschafft, kommt es auf der Ranch zu einer Razzia der Bundespolizei. Die Schnapsfahnder nehmen Jack fest und stecken ihn für einige Zeit ins Gefängnis. Kaum ist er wieder in Freiheit, nimmt er seinen Job beim Alkoholschmuggel wieder auf. Jack und Ralph bringen es zu einem neuen Ford und versorgen Bill mit dem schwarzgebrannten Whiskey.
In der Ehe von Maude und Neal sr. kriselt es. Die älteren Söhne verdienen mehr Geld als der Stiefvater. Sie stecken hin und wieder der Mutter etwas zu, aber Neal sr. verachten sie.
Im Sommer 1929 sieht es noch einmal ganz gut aus. Jack und Ralph haben ein neues, ordentliches Haus gekauft. Neal sr. hat Arbeit in einem Friseursalon mit wohlhabender Kundschaft. Er übernimmt nun sogar die Zahlung der monatlich fälligen Hypothekenzinsen. Ralph und Jack verdienen weiter nicht schlecht beim bootlegging. Die beiden Mädchen Mae und Betty gehen in eine ordentliche Schule. Neal jr. ist nun drei Jahre alt.
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