Die dialogische Struktur in den ältesten Taufberichten
Bereits die ältesten Taufberichte in der Apostelgeschichte weisen eine dialogische Struktur auf. So berichtet Kapitel 8 von der Predigttätigkeit des Philippus in Samarien, zu der es heißt: „Als sie jedoch dem Philippus Glauben schenkten, der das Evangelium vom Reich Gottes und vom Namen Jesu Christi verkündete, ließen sie sich taufen, Männer und Frauen“ (Apg 8, 12). Taufe ist immer Reaktion auf etwas und auf jemanden. Vorgängig ist die Verkündigung von Jesus als dem Propheten Gottes und seiner Frohbotschaft. Eine hohe Relevanz haben Glaubenszeugen und ihre Glaubwürdigkeit. Das Annehmen dieser Verkündigung bedeutet, an die Person Jesu in ihrem ganzen Geschick zu glauben und dass er der „Gesalbte“, der Christus, ist. Dieser Glaube auf Seiten der Menschen führt zum Sich-taufen-Lassen. Obwohl die Taufe etwas ist, das mit und an einer Person durch andere geschieht, die Person in gewisser Weise passiv ist, bleibt die Taufe zugleich etwas aktiv Erstrebtes.
Diese Wechselbeziehung wird ebenso in der kurz darauf beschriebenen Perikope von der Taufe des äthiopischen Kämmerers (Apg 8, 26–40) deutlich. Philippus knüpft in seiner Auslegung der gelesenen Jesajastelle an die Glaubenswelt des Kämmerers an: „Ausgehend von diesem Schriftwort verkündete er ihm das Evangelium von Jesus.“ (Apg 8, 35) Es ist damit die Frohbotschaft und die Person Jesu, die den Kämmerer in seiner Reaktion aktiv werden lassen: „Hier ist Wasser. Was steht meiner Taufe noch im Weg?“ (Apg 8, 36). Erst dann folgt die Taufe durch Philippus (vgl. Apg 8, 38). Und einige jüngere Textzeugen fügen dazwischen noch einen Vers 37 ein: „Da sagte Philippus zu ihm: Wenn du aus ganzem Herzen glaubst, ist es möglich. Er antwortet: Ich glaube, dass Jesus der Sohn Gottes ist.“ Diese Textgeschichte scheint ein Stück der Geschichte des Ritus widerzuspiegeln: Bereits durch die übrige Szenerie wird deutlich, dass der Glaube, der durch die Verkündigung erwirkt wird, die entscheidende Voraussetzung ist, um getauft zu werden. Glaube und Taufe gehören untrennbar zusammen. Mit dem Einschub ist anscheinend eine Phase der frühen Christenheit gekennzeichnet, in dem zusätzlich ein ausdrückliches Bekenntnis des Täuflings zu Jesus Christus verlangt wird. Das spätere Bekenntnis in der Traditio Apostolica, das Apostolische Glaubensbekenntnis, bildet dazu nur eine nochmalige trinitarische Ausweitung, die im Neuen Testament selbst allein im Taufbefehl in Mt 28, 19b zu finden ist.
Die personale Beziehung in den ältesten Taufberichten
Zugleich wird bereits in der Apostelgeschichte der Glaube personal gefüllt, denn er ist kein Glaube an etwas, sondern primär an jemanden. Im umfassenden Geschehen dieser Taufe begegnet der Kämmerer nicht nur einer Lehre, sondern der Person Jesu Christi selbst. Der Glaube ist personale Antwort auf diese Christusbegegnung.
Und dass diese personale Begegnung den Täufling in umfassender Weise verändert, machen andere Textstellen des Neuen Testaments damit deutlich, dass sie von einem ausdrücklichen Empfang des Heiligen Geistes sprechen. „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2, 38; vgl. 1, 5; 10, 44.47f.; 11, 16).
Auch Taufe und Geistempfang gehören untrennbar zusammen und bewirken nicht nur die Begegnung mit dem Auferweckten, sondern lassen die Getauften eins mit ihm werden: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen ...; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt“ (1 Kor 12, 13). Der Geistempfang ist Wiedergeburt und Erneuerung (Tit 3, 5), also vollkommener Existenzwechsel durch die unauslöschliche Bindung an das Geschick Jesu.
Von daher erweist die Taufe sich als ein umfassendes dialogisches Geschehen, ein Dialog und eine Begegnung des Täuflings mit der Person Jesu, die den Täufling in seiner Reaktion wesentlich verändert. Sie ist personale Antwort und Gnadengeschehen zugleich.
Diskussionen um die Berechtigung der Kindertaufe
Ein Beispiel wechselnder Fragestellungen
Die sachlich nicht trennbare Wechselbeziehung von Gnadengeschenk der Taufe und dem Zum-Glauben-Kommen hat sich im 20. Jahrhundert in der Diskussion um die Kindertaufe widergespiegelt. So sehr nämlich in der Zeit des Neuen Testaments und der antiken bis frühmittelalterlichen Kirche die Erwachsenentaufe die selbstverständliche Norm bildete, so wurden doch ab dem Mittelalter zunehmend Kinder getauft. Besonders die Erbsündenlehre führte dazu, dass die Taufe immer näher an den Geburtstermin eines Kindes heranrückte, bis sie schließlich wenige Tage nach der Geburt vollzogen wurde. Nur die so genannten „Täufer“ des 16. Jahrhunderts gestatteten allein die Taufe von mündigen Erwachsenen.
Die systematische Fragestellung
Es überrascht darum, dass im 20. Jahrhundert eine relativ lange Diskussion um die Berechtigung der Kindertaufe stattfand, die in der evangelischen Kirche geführt wurde, aber auch in die katholische Kirche ausstrahlte. Wichtig ist der Kontext der zunächst systematischen Diskussion: Auslöser war der reformierte Theologe Karl Barth, der 1943 die Praxis der Kindertaufe verwarf. Er protestierte gegen die gängige Volkskirchlichkeit, die die Taufe als Konvention und Abrundung des gesellschaftlichen Lebens ansah. Diese Volkskirchlichkeit sah er durch Kaiserreich und Naziregime korrumpiert. Entscheidend für Taufe (und Kirchenverständnis) sei hingegen die freie und mündige Glaubensentscheidung des Einzelnen. Der Glaube sei Antwort des Menschen auf das heilswirksame Wort Gottes – die Taufe eher Mittel und Abbild für dieses Geschehen.
Der Theologe Heinrich Schlier widersprach dem im Jahr 1947 und berief sich auf die lutherische Bekenntnistradition: Selbstverständlich sei die Taufe ein Zeichen, aber eines, das ursächlich das Heil des Täuflings bewirke, weil Christus sich und seine Gnade an dieses Zeichen gebunden habe. Sicher sei der Glaube notwendig, mache aber nicht erst das Zeichen wirksam. Von der Theologie des Neuen Testaments (besonders Joh 3, 5) her sei die Kindertaufe notwendig. Ansonsten biete das Neue Testament keine klare Aussage zur Taufe von Kindern.
Die biblisch-historische Fragestellung
Damit veränderte sich die Diskussion in Richtung einer biblisch-historischen Fragestellung, ob zur Zeit des Neuen Testaments schon Unmündige getauft wurden – dogmatisch hielten die beiden neuen „Kontrahenten“ die Kindertaufe für gerechtfertigt. Joachim Jeremias vertrat 1958 die Auffassung, dass neben anderen Stellen vor allem die so genannten Oikos-Formeln der Apostelgeschichte als Beleg für die Kindertaufe herangezogen werden müssen. Mehrfach finden sich im Neuen Testament Aussagen, dass sich eine Person und ihr ganzes „Haus“ (griechisch: oikos) habe taufen lassen (vgl. Apg 11, 13f.; 16, 15; 16, 31.33; 18, 8). Im Hintergrund stand die Übertragung der jüdischen Sitte, dass beim Übertritt zum Judentum sich nicht nur der Mann als Hausvorstand beschneiden ließ, sondern alle Familienangehörigen – auch die kleinen Kinder – die Proselytentaufe empfingen und alle männlichen Angehörigen beschnitten wurden. Gleiches wurde nun für den Übertritt zum Christentum vermutet – obwohl die jüdische Proselytentaufe selbst erst für spätere Zeit belegt ist. Kurt Aland hingegen sah 1961 gerade die Auffassung des Paulus, dass die Kinder einer heidnisch-christlichen Mischehe durch den christlichen Elternteil geheiligt seien (1 Kor 7, 14), als Beleg an, dass dieser von der Sündlosigkeit christlicher Kinder ausgehe. Erst die Kirche habe im Laufe des 2. Jahrhunderts eine andere Position eingenommen.
Heute besteht ein gewisser Konsens, dass für die neutestamentliche Zeit eine Taufe von Unmündigen weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Gängige Form war sicher die Erwachsenentaufe; für das Ende des 2. Jahrhunderts ist die Kindertaufe auf jeden Fall nachweisbar. Augustinus machte dann die bestehende Praxis der Kindertaufe mit ihren exorzistischen Formeln zur Grundlage seiner Erbsündenlehre, die die Tauftheologie der folgenden Jahrhunderte prägte.
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