In dieser Woche im Jahr 1993 …
… verlor Münster seine geliebte Postleitzahl.
Bis Ende des Zweiten Weltkrieges war Münsters Postleitzahl 21a. Dann wurde das System in den drei Westzonen neu organisiert. 1962 wurden schließlich vierstellige Postleitzahlen eingeführt. Nur große Städte bekamen eine zweistellige Zahl plus zwei Nullen. Münster erhielt die 4400, verkürzt 44. Darauf waren die Münsteraner unendlich stolz, denn es war Balsam für ihren Provinzkomplex, somit offiziell in die Reihe großer Städte wie Dortmund, Bremen oder der damaligen Bundeshauptstadt Bonn zu gehören. Vierundvierzig Münster war eine Marke mit großer Beliebtheit und die Bürger hielten sie in Ehren. Doch dann brauten sich dunkle Wolken über Münsters Großstadtbewusstsein zusammen: In die Freude über die Wiedervereinigung mischte sich bald Unheil. Eine bekloppte Reklamefigur namens »Rolf« warb plötzlich für neue, fünfstellige Postleitzahlen. Grund: In der ehemaligen DDR gab es identische PLZ-Bezirke; ausgerechnet das berüchtigte Industrie-Dreckloch Bitterfeld trug »drüben« ebenfalls die 4400. Weil man kein Provisorium wollte (wie die vorgeschlagene Beibehaltung der Zahlen mit dem Zusatz auf W bzw. O für West und Ost), wurden die Zahlen wieder neu gemischt. Mit den fünfstelligen Postleitzahlen gab es erstmals verschiedene PLZ in einer Stadt.
Die Münsteraner traf es dreifach hart: Erstens verloren sie ihre großstädtische Zweistelligkeit, zweitens mussten sie ihre teure 44 an Dortmund abtreten (was irgendwie wie eine Degradierung empfunden wurde), aber der Gipfel der Demütigung war, dass Münster ausgerechnet die 48 zugewiesen bekam – die ehemalige PLZ von Bielefeld!!
Fehlte in keiner Werbung: Die Postleitzahl 4400 Münster – das klang nach Großstadt und Metropole; Balsam für den Provinzkomplex.
In dieser Woche im Jahr 1983 …
… sprach der BGH Ludwig Poullain frei.
In den 1960ern kam Ludwig Poullain aus dem Bergischen Land nach Münster, wurde Generaldirektor der Westfälischen Landesbank und vereinigte sie mit der Rheinischen Provinzialbank zur WestLB. Zudem wurde er Präsident des Sparkassenverbandes. Der Neue heizte den gemütlichen Sparkassen-Onkels kräftig ein und machte die Provinzbank zu einem international erfolgreichen Unternehmen. Damit zog er sich zuhause den Hass von Gewerkschaftern und Lokalpolitikern zu, die sich beide in ihrer traditionellen Folklore gestört fühlten. Bei den Münsteranern war Poullain sowieso unten durch, seit er indirekt (als Geldgeber) an der Aufstellung der ersten modernen Skulptur im öffentlichen Raum »schuld« war und auch noch sein futuristisches Bankgebäude auf dem Boden des alten Zoos errichtete, den die Münsteraner so liebten. Aber Poullain war auch nicht feige vor mächtigeren Feinden als den Münsteranern: So geißelte er genüsslich in aller Öffentlichkeit die Geldpolitik der Landes- und Bundesregierung. NRWs Ministerpräsident (SPD) forderte ihn auf, das gefälligst sein zu lassen. Doch Poullain konterte, er lasse sich Kritik nicht verbieten. Darauf zog man eine Skandalaffäre um einen Beratervertrag Poullains auf, um ihn zum Rückzug zu zwingen. Poullain wurde zwar im März 1983 vom BGH freigesprochen, war bei der WestLB aber draußen. 2004 sollte er trotzdem eine Rede halten. Als klar wurde, dass diese eine Abrechnung werden würde, lud man ihn aus, aber die Rede erschien darauf in der FAZ, und ließ Banker und Politiker ziemlich alt aussehen. Das verzeihen sie ihm nie! Poullain lebt bis heute in Münster.
Ludwig Poullain rechnete gnadenlos mit der Inkompetenz von Politikern und Funktionären ab – das wurde ihm zum Verhängnis …
In dieser Woche im Jahr 1992 …
… verklagte Steffi Stephan Jürgen Kehrer.
Um Weihnachten 1991 veröffentlichte Jürgen Kehrer seinen zweiten Münster-Krimi »In alter Freundschaft«. Der Fiesling der Story ist ein ganz mieser Typ: Kehrer beschreibt ihn als münsterschen Discobesitzer, der gerne Stirnbänder trägt, früher mal Rockmusiker war und manchmal »einen alternden Rockopa« auf Tourneen begleitet. An der Steinfurter Straße (wo zu jener Zeit das Jovel war) betreibt der Krimi-Gangster einen Konzertladen »mit dem Charme eines Schwimmbades«. Zufall: Neben dem alten Jovel war das Spaßbad Germania-Therme. Jeder phantasiebegabte Münsteraner konnte in dieser Figur den realen Steffi Stephan erkennen. Das tat auch die Frau des damaligen Oberbürgermeisters Twenhöven, als sie das Buch las. Von seinem »Kumpel Twenny«, wie Stephan den OB zu nennen pflegte, wurde er auf die peinliche Ähnlichkeit aufmerksam gemacht. Weil es in dem Roman um üblen Kindesmissbrauch geht, war Stephan eine Entschuldigung Kehrers zu wenig: Er klagte auf Vertriebsverbot und 20.000 DM Schmerzensgeld. Münsters Landgericht hatte also die Frage zu klären, ob Kehrer nachweislich Stephan gemeint hatte. Das war gar nicht so einfach, denn die mutmaßlich wohlkalkulierten Anspielungen standen eher zwischen den Zeilen als schwarz auf weiß. Darum war es für Kehrer ein Leichtes, den Ärger Stephans ins Leere laufen zu lassen. Das Gericht konnte denn auch keine Ähnlichkeit feststellen und entschied für Kehrer. Der Presserummel um den Promi-Streit zog sich mehrere Wochen hin und bescherte dem Buch eine unterhaltsame und kostenlose PR, die sich auch in hohen Verkaufszahlen niederschlug.
Marketing-Schlaufuchs Kehrer hat natürlich bei seinem Krimi-Fiesling niiiie an Steffi Stephan gedacht. Das Gegenteil war nicht zu beweisen.
In dieser Woche im Jahr 1852 ...
… schoss von Vincke auf Bismarck.
Nach Studium und Wehrdienst bekam Georg von Vincke einen Job als Referendar am Oberlandesgericht Münster. Der junge Mann hatte die besten Empfehlungen: Sein alter Herr war Ludwig von Vincke. Der hatte es als Nachfolger des Freiherrn vom Stein zum Regierungspräsidenten des Bezirks Münster und zum Oberpräsidenten der preußischen Provinz Westfalen gebracht. Als Anhänger des Reformerkreises um Stein kümmerte er sich vor allem um den Ausbau der Infrastruktur der Agrarregion Westfalen, um die Zeichen der Zukunft auf Industrialisierung zu stellen. Filius Vincke folgte seinem alten Herrn in die Politik und wurde als Abgeordneter in den Westfälischen Provinziallandtag gewählt. Nach der studentischen Vormärz-Revolution wurde er sogar Delegierter für den westfälischen Wahlkreis in der neuen Frankfurter Nationalversammlung. Dort vertrat Vincke eine liberal-konservative Einstellung. Nachdem aus der Nationalversammlung nichts wurde, saß er im Preußischen Landtag. Dort rumpelte er mit Bismarck aneinander. Bei einem Streit über Militärausgaben blaffte Vincke, Bismarcks einzige Kompetenz sei das Zigarrequalmen; Bismarck kläffte zurück, Vinckes Eltern hätten ihm wohl keine Manieren beigebracht. Darauf forderte Vincke Bismarck zum Pistolenduell mit vier Schüssen. Der illegale Zweikampf wurde im Morgengrauen im Wald ausgetragen. Schiedsrichter Bodelschwingh (!) überredete die Hitzköpfe, statt vier Schüsse nur jeder einen abzugeben. Beide Kontrahenten schossen daneben. Wie wäre die deutsche Geschichte wohl verlaufen, wenn einer getroffen hätte? Vincke starb 23 Jahre später an einem Schlaganfall.
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