In dieser Woche im Jahr 1957 …
… bekam Münsters Polizei ihre erste Funkstreife.
Vor dem 7. Februar 1957 mussten Münsters Polizisten auf Streife zum nächsten Telefon laufen, um mit der Leitstelle zu kommunizieren. Damit waren sie vor allem den fliegenden Händlern des Schwarzmarktes hoffnungslos unterlegen. Der Schwarzmarkt für Lebensmittel, Zigaretten, Schnaps und Luxusgüter aus der Vorkriegszeit blühte dank des Nachkriegsmangels prächtig. Pelzmäntel, Schinken, amerikanische Lucky Strikes oder westfälischer Korn: Alles, was knapp war, erzielte utopische Preise. Die Zentrale für die verbotenen Geschäfte war eine finstere Ruine gegenüber vom Hauptbahnhof, dort wo heute das Hotel Conti steht. Bei einer Razzia wurden auf einen Schlag 900 Verdächtige verhaftet und 120 Kilo Speck entdeckt. Ein Polizeibeamter flog allerdings selbst auf, als er beschlagnahmte Zigaretten mit nettem Gewinn weiterverkaufte. Erst die Währungsreform machte den Schwarzmarkt uninteressant. Dafür bekam es Münsters Polizei ab jetzt mit Metalldieben zu tun, die ganze Straßenlaternen absägten. Innerhalb eines Jahres legte die Funkstreife im Stadtgebiet zweihunderttausend Kilometer zurück. Mit Beginn der Wirtschaftswunderzeit wurde es auch für Münsters Polizisten wieder ruhiger. Abgesehen von einem typischen Delikt: Schon 1959 alarmiert die Lokalpresse: »In nur einer Woche 200 Fahrräder gestohlen!« Damit lag Münster schon damals weit über dem Bundesdurchschnitt. Seit damals funkt Münsters Polizei immer noch mit der gleichen Technik und wartet seit Jahren darauf, dass die Landespolitiker die Einführung des Digitalfunks umsetzen.
Wo heute das Hotel Conti steht, war früher Münsters Unterwelt-Zentrale.
In dieser Woche im Jahr 1990 …
… wurde das »Balkonmonster« gefasst.
Ausgerechnet im Jahr der Wiedervereinigung schockierte eine Serie brutaler Sexverbrechen die Stadt. Auffällig war, dass der Täter seine Opfer filmte und fotografierte. Die Polizei setzte Profiler ein, die zu dem Schluss kamen, dass sich der Täter mehr und mehr »aufschaukeln« würde. Münster war sehr beunruhigt. Weil der Täter am Yorkring über eine Regenrinne die offene Balkontür eines Opfers erreichte, nannten ihn die Münsteraner »Das Balkonmonster«. Doch Mitte Februar hatte er endlich Pech: An der Hammer Straße leistete eine Frau unerwartet heftigen Widerstand und schaffte es, die Polizei zu rufen. Die riegelte das halbe Südviertel ab und entdeckte den Täter in einer Mülltonne. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung an der Mecklenburger Straße fiel den Beamten abartiges Beweismaterial nur so entgegen. Die Überraschung: Der Täter war Musterschüler kurz vor dem Abitur und Träger des NRW-Chemiepreises, sowie Gewinner zahlreicher renommierter Fotowettbewerbe. Von seinen sadistischen Trieben ahnte niemand etwas. Nicht einmal seine bizarre Neigung, blutige Unfallopfer zu fotografieren, war jemandem bedenklich vorgekommen. Bereits im März kam es zum Prozess vor dem münsterschen Landgericht. Das Urteil wurde als Skandal empfunden: Lediglich fünf Jahre Haft! Der Richter ließ sich sogar zu der kumpeligen Aussage hinreißen: »Mit Abitur können Sie in zwei Jahren wieder frei sein«! Das verhinderten zum Glück andere Organe des Rechtsstaates und ordneten eine geschlossene Unterbringung an! Bis heute sind die Opfer damit immerhin vor einem Wiedersehen sicher.
Bizarre Briefe aus dem Knast: Post vom »Balkonmonster«. Viel Arbeit für Graphologen.
In dieser Woche im Jahr 1995 …
… wurde Claas Bahr verhaftet.
Ende der 70er ging Claas Bahr mit einem in Manila gekauften Professorentitel als Psychologe in Münster auf Kundenfang und wurde zum Therapiestar der linksgrünen Szene. In den 1980ern eröffnete er seine psychotherapeutische Praxis gegenüber der Kreuzkirche – doch seine Patienten ahnten nicht, welcher Art von Therapie sie sich auslieferten … Nachdem eine Patientin 1987 Selbstmord begangen hatte, recherchierte der SPIEGEL Einzelheiten: Bahrs Psycho-Sekte war wie ein Wirtschaftskonzern organisiert. Seine Adepten betrieben 14 weitere Praxen und die Möbelkette »Wohnen und Ideen« mit 20 Filialen, in denen die Patienten arbeiteten, die außerdem ihre gesamten Ersparnisse in die Therapie investierten. Die Patienten wurden mit Druck dazu angehalten, weitere Patienten mitzubringen. Die Therapiesitzungen auf einem Hof bei Osterwick arteten nach Aussagen von Aussteigern in wilde Sexorgien aus, bei denen auch der Meister gerne mitmischte. Der SPIEGEL: »Nach den Seminaren sind die Patienten endgültig reif für die Klapse.« Doch dann überreizte Bahr seine Karten: Münsters Staatsanwaltschaft ermittelte wegen sexueller Nötigung, Erpressung und der Hinterziehung von Steuern in Höhe von 1,5 Mio. DM. Bahr wurde verhaftet. Seine ehemaligen Patienten wurden von qualifizierten Psychologen betreut. 1997 veröffentlichte der münstersche Journalist Werner Paczian die ganze Geschichte in einer vermeintlich fiktiven (weil juristisch nicht angreifbaren) Form in dem Buch »Der Psycho-Guru von Münster«. Bahr hat sich heute auf Coaching spezialisiert.
Wer zwischen den Zeilen lesen konnte, wusste, wer der Psycho-Guru in Paczians Buch ist. Der Autor verstarb 2008 überraschend.
In dieser Woche im Jahr 1872 …
… brach in Westfalen der Kulturkampf aus.
Westfalen gehörte früher zu Preußen. Das konnte nicht gutgehen: Hier katholische Bauern – dort protestantische Beamte. Kanzler Bismarck wollte zeigen, wer in Westfalen das Sagen hat (nämlich der Staat) und ließ es auf eine Kraftprobe mit dem Bischof ankommen: Der Kirche wurde die Schulaufsicht entzogen. Münsters Katholiken sammelten Protestunterschriften. Der Staat revanchierte sich mit dem Boykott kirchlicher Feste. Darauf verweigerte der Bischof Theologiestudenten mit staatlichem Examen die Priesterweihe. Der Staat verhängte Bußgelder, die der Bischof nicht zahlte, darauf wurden seine Möbel gepfändet. Es gab nur in ganz Münster keinen Freiwilligen zum Abtransport der beschlagnahmten Güter. Schließlich fand man einen evangelischen Bürger, der sich bereit erklärte. Um ihn vor dem Lynchen zu retten, musste die Polizei ihn einsperren. Dem folgte die Zwangsversteigerung des bischöflichen Besitzes. Die Münsteraner kauften alles und gaben es dem Bischof zurück. Jetzt war das Maß voll: Der Bischof wurde abgesetzt und zur Flucht nach Holland gezwungen, sein Vermögen sollte beschlagnahmt werden. Rache: Der konfiszierende Beamte wurde von seiner Vermieterin auf die Straße gesetzt. Die Bischofsmitarbeiter hatten zudem die Buchhaltung frisiert, sodass in der Kirchenkasse offiziell ganze 45 Pfennig waren. Einer Razzia folgten Steinwürfe auf Polizisten. Dafür störten Militärkapellen die Andacht im Dom. Als über 2000 Eltern ihre Kinder nicht mehr zur Schule schickten, war eine Pattsituation erreicht. Nach neun Jahren Dauerkleinkrieg gaben die Behörden auf und setzten den Bischof wieder auf seinen Thron …
Sieg nach etlichen Runden durch technischen K. o. Die Katholiken hatten im erbitterten Kampf gegen Preußens Beamte die bessere Kondition …
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