In dieser Woche im Jahr 1988 …
… machte Pebüso pleite.
Partypeople kennen den Hawerkamp nur als Brache mit Subkultur. Früher war hier das Herz von Münsters Industrie. Vor 100 Jahren stand auf der Halbinsel zwischen Kanal, Bahn und Albersloher Weg ein Bauernhof. Dann verlegt die Baufirma Peter Büscher & Sohn aus Witten ihre Zentrale dorthin. Der Bauernhof verschwindet und aus dem Firmennamen wird Pe-Bü-So. Pebüso stellt vor allem Gehwegplatten und Betonteile her. Im Krieg wird Pebüso zerstört, aber der Erfolg geht erst richtig los: Weil die Siegermächte alles Bauholz abholen, müssen Dachsparren für den Wiederaufbau aus Beton gegossen werden – Pebüso brummt! Bald ist die Firma überall dabei: Beim Wiederaufbau des Schlosses, am Juridicum, bei Geistkirche und Germania-Brauerei, Speichern am Hafen und Lokschuppen am Bahnhof, bei Kanalbrücken und Schleuse. Da gründet ein Pebüso-Prokurist den Karnevalsverein Paohlbürger. Der Mitgliedsbeitrag ist bewusst hoch, um den Kreis exklusiv zu halten. Der Gründer erklärte es so: »Wenn ich zum Chef ging und sagte: Baudezernent X kann es sich leider nicht leisten, würde aber gerne Mitglied im Club und es wäre gut für die Firma, wenn er es würde, dann bezahlte Pebüso die Aufnahmegebühr.« Pebüso baut Wohnblocks in Coerde, Gievenbeck, Berg Fidel, Kinderhaus und den Allwetterzoo. Aber dann war plötzlich Schluss: Von 67 Mio. DM Umsatz 1987 ein Jahr später in die Pleite. Tiefstand im Bausektor. Gerüchte um einen fahrlässigen Konkurs gibt es bis heute. Ironie: Nur ein Jahr später kam der Bauboom mit der Wiedervereinigung zurück. Zu spät, aber sonst gäb’s heute keinen Alternativ-Hawerkamp.
Diese Firmen-Lok half beim Trümmerräumen. 1961 schenkte Pebüso sie der Stadt. Sie diente als Spielplatz-Klettergerüst und für Lindenberg-Fotos.
In dieser Woche im Jahr 1941 …
… trat Kurt Gerstein in die SS ein.
Kurt Gerstein wuchs in der Heerdestraße 11 als Sohn des Landgerichtspräsidenten Münsters auf. Der junge Katholik kollidierte bald mit der Hitlerjugend, von der er mehrfach Prügel bezog. 1938 kam er wegen kirchlicher Umtriebe sogar in »Schutzhaft«. Aus der NSDAP, in die er aus beruflichen Gründen eingetreten war, warf man ihn hinaus. Als seine Schwägerin dem Mordprogramm an Kranken zum Opfer fällt, beschließt er, das System von innen zu bekämpfen. Gerstein meldet sich zur SS und kommt als Techniker zum Hygieneinstitut, das sich mit Desinfektion beschäftigt. Im Sommer ’42 bekommt er den Auftrag, 250 Kilo des Blausäuregifts Zyklon-B zu bestellen und nach Belżec in Polen zu bringen. Dort erlebt er die erste Vergasung an über 5.000 Menschen. Gerstein schreibt ein genaues Gedächtnisprotokoll und gibt es einem Sekretär der schwedischen Botschaft. Stundenlang bekniet er den Schweden, die Welt über die Vergasungen zu informieren. Der Sekretär gibt die Aufzeichnungen an seine Botschaft weiter, wo sie allerdings in der Schublade bleiben. In Berlin versucht Gerstein nun, den Nuntius des Papstes zu treffen. Doch der empfängt ihn nicht. Nun versucht der Münsteraner, die Todesmaschinerie aufzuhalten: Er unterschlägt Zyklon-B-Lieferungen, lässt Transporte fehllaufen. Ausrichten kann er nichts. 1945 stellt er sich den Franzosen, um seine Berichte den Kriegsverbrechertribunalen zur Verfügung zu stellen. Stattdessen wird er selbst als Kriegsverbrecher behandelt und erhängt sich in der Haft. Martin Niemöller und Ignatz Bubis setzten sich für seine Rehabilitierung ein.
Als »Geheimagent Gottes« in der SS-Mordfabrik: Kurt Gerstein dokumentierte die NS-Verbrechen, aber niemand wollte davon wissen.
In dieser Woche im Jahr 1988 …
… begann im Klarastift das Ende der Gutsherrenpolitik.
Leider baute die Stadt die Altenwohnanlage Klarastift 1957 in einer Tonkuhle, die ständig voll Wasser lief. Das Problem war bekannt. Trotzdem plante das Hochbauamt 1977 einen Neubau, der von vornherein Pfusch war. Darum zögerte Oberstadtdirektor Hermann Fechtrup die Bauabnahme, mit der die Gewährleistungsfrist beginnt, über ein Jahr hinaus. Die Senioren in ihren feuchten Wohnungen wurden hingehalten; der Fall offiziell vertuscht. Doch in dem Altenheim wohnte ein pensionierter Baurat, der alle Mängel dokumentierte. Er spielte die Akten einem SPD-Ratsherrn zu. Ein Gutachten wurde erstellt. Ergebnis: Sanierungskosten von 6 Millionen DM – 40 % der Bausumme! Die CDU hielt das Gutachten unter Verschluss, niemand sollte davon erfahren. Selbst vor dem Stadtrat wurde es geheim gehalten. Das Gerichtsverfahren wurde überraschend eingestellt. Stattdessen einigte sich die Stadt plötzlich mit den Baufirmen auf lächerliche 274.000! Dieser Vergleich hätte im Rat abgestimmt werden müssen. Aber Fechtrup erklärte, mehr sei eben nicht zu holen gewesen. Als die SPD Akteneinsicht verlangte, waren Teile daraus entfernt worden. Schließlich konnte die CDU eine Untersuchung nicht mehr verhindern. Aber die Kommission führte die CDU selbst! Alles verlief im Sand. »DIE ZEIT« machte 1988 den Fall publik: »Normalerweise funktioniert das Geben und Nehmen in Münster diskret. Die Herrschaft teilen sich Wirtschaft, Verwaltung und CDU.« Der Generationswechsel im Rat läutete jedoch zu dieser Zeit das Ende der Gutsherrenpolitik in Münster ein. Seitdem muss auch die CDU wieder um Münsters Wähler werben …
Für seine Rolle im Pfusch-Skandal um das feuchte Klarastift kam Oberstadtdirektor Fechtrup nicht mal vors Karnevalsgericht …
In dieser Woche im Jahr 1848 …
… war auch in Münster »Märzrevolution«.
Anfang März 1848 wagten liberale Demokraten die Revolution gegen Fürsten & Feudalismus. In Berlin verteidigten Studenten unter den Farben der Uniformen aus den Befreiungskriegen – Schwarz-Rot-Gold – Straßenbarrikaden gegen schießendes Militär. Auch in Münster kam es zu Steinwürfen auf preußische Soldaten; dem Oberbürgermeister wurden die Scheiben eingeworfen. Um weiteres Chaos zu verhindern, stellte man eine revolutionäre Bürgerwehr auf. Trotz 1.650 Mann Stärke war ihr kämpferischer Wert eher mager: Der Lambertipfarrer spottete: »Ein drolliges Corps! Sie beziehen Posten und schlafen ein!« Der Westfälische Merkur (heute WN) bemühte sich, ein düsteres Bild von Anarchie auszumalen. Das wirkte: Die liberalen Bürger bekamen Angst vor ihrer eigenen Courage und dienten sich schnell wieder der alten Obrigkeit an. Bei der Wahl zur ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche stimmten die Münsteraner dann auch tatsächlich für ihren Bischof als Delegierten! Durch überzogene Repressionen bekamen die Demokraten dann aber doch noch Aufwind: Nach der Verhaftung von 14 Bürgern, kam es zu einer Massenschlägerei zwischen Münsteranern und Militär. Aber zu spät: Fürst Metternichs Reaktion rollte die Revolution zurück. Auch in Münster hieß das bis auf weiteres: Dreiklassenwahlrecht, verschärfte Pressezensur und Aus für die demokratische Meinungsfreiheit.
»Gegen Demokraten helfen nur Soldaten«, rappte Preußens König. Gegen diese nicht so leicht, aber gegen Münsters Biedermeier-Bürgerwehr allemal!
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