Das Faszinierendste von allem war, dass ein kontinuierlicher Informationsaustausch zwischen den Pflanzen und anderen Lebewesen in ihrer Umgebung stattzufinden schien. Als Backster eines Tages seinen Wasserkocher einschaltete, um sich einen Kaffee zu kochen, hatte er zu viel Wasser hineingegeben. Doch als er den Rest in das Spülbecken schüttete, bemerkte er eine intensive Reaktion der Pflanzen.
Das Spülbecken war nicht besonders hygienisch, ja, seine Mitarbeiter hatten den Ausguss seit Monaten nicht geputzt. Er beschloss, einige Proben vom Ausguss zu nehmen und sie unter einem Mikroskop zu untersuchen; dort trat ein Gewirr von Bakterien zutage, wie sie eben im Abfluss eines Spülbeckens vorkommen. Hatten die Bakterien, von kochendem Wasser bedroht, eine Art Notruf ausgesandt (bevor sie umkamen), den die Pflanzen aufgenommen hatten?
Da Backster wusste, dass er ausgelacht würde, wenn er der wissenschaftlichen „Gemeinde“ solche Erkenntnisse präsentierte, warb er ein eindrucksvolles Gremium von Chemikern, Biologen, Psychiatern, Psychologen und Physikern an, die ihm helfen sollten, ein hieb- und stichfestes Experiment zu entwerfen. Bei seinen frühen Versuchen hatte sich Backster auf menschliche Gedanken und Emotionen verlassen, die Reaktionen in den Pflanzen auslösen. Die Wissenschaftler rieten ihm davon ab, die Intention als Stimulus für das Experiment heranzuziehen, weil sie sich nicht für einen streng wissenschaftlichen Aufbau eigne. Wie sollte man einen menschlichen Gedanken kontrollieren, etwa die Absicht zu schaden? Orthodoxe Wissenschaftler könnten dann seine Studie leicht angreifen. Er musste ein Labor einrichten, in dem keine anderen Lebewesen neben den Pflanzen sein durften, damit es keine Ablenkung gab.
Die einzige Möglichkeit dazu bestand darin, das Experiment völlig zu automatisieren. Allerdings brauchte er auch einen wirksamen Reiz. Er suchte nach der einen Handlung, die die tiefgreifendste Reaktion auslösen würde, eine, die bei Pflanzen quasi sprachloses Entsetzen hervorrufen würde. Dabei wurde ihm bewusst, dass sie einem Massengenozid entsprechen müsste, damit die Ergebnisse eindeutig wären. Aber was konnte er in großen Mengen töten, ohne den Zorn der Tierschützer auf sich zu ziehen oder selbst mit einem Bein im Gefängnis zu stehen? Offensichtlich keinen Menschen oder irgendein großes Tier. Er wollte auch keine üblichen Versuchstiere wie Ratten oder Meerschweinchen töten. Als Kandidaten kamen praktisch nur Salinenkrebse in Frage. Deren einziger „Zweck“ bestand, soweit er das sagen konnte, darin, Zierfischfutter zu werden. Salinenkrebse waren also bereits für das „Schlachthaus“ bestimmt. Nur die vehementesten Tierschützer konnten da etwas dagegen haben.
Backster und Henson bastelten eine Apparatur, die per Zufallsauswahl in einem von sechs möglichen Momenten ein kleines Behältnis mit Salinenkrebsen umdrehte und den Inhalt in einen Topf mit ständig kochendem Wasser kippte. Der Randomisierer wurde im entferntesten Raum seines Bürokomplexes (insgesamt sechs Zimmer) untergebracht; drei Pflanzen wurden am anderen Ende des Labors (bzw. der Bürosuite) in drei verschiedenen Räumen an Lügendetektoren angeschlossen. Der vierte Lügendetektor, der an einen Festwiderstand angeschlossen war, diente als Kontrollgerät, das sicherstellen sollte, dass es in den Detektoren nicht plötzlich zu einem Spannungsanstieg kam.
Als Backster dieses sein „Labor“ in den späten sechziger Jahren einrichtete, mussten Mikrocomputer erst noch erfunden werden. Für seine Unternehmung entwickelte er ein innovatives mechanisches Programm, das über eine Verzögerungsschaltung die einzelnen Ereignisse in dem Automationsprozess auslöste. Wenn sie den Schalter umgelegt hatten, verließen Backster und Henson das Labor, sodass sie und ihre Gedanken die Ergebnisse nicht beeinflussen konnten. Er musste die Möglichkeit ausschalten, dass die Pflanzen stärker auf ihn und seinen Kollegen eingestimmt waren als auf einen eher unbedeutenden „Mord“ an Salinenkrebsen am anderen Ende des Gangs.
Backster und Henson führten ihren Test mehrmals durch. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Lügendetektoren, an deren Elektroden die Pflanzen befestigt waren, schlugen signifikant oft genau an dem Punkt aus, an dem die Salinenkrebse ins kochende Wasser fielen. Jahre nach dieser Entdeckung – und nachdem er ein großer „Kriegder-Sterne“-Fan geworden war – dachte er an diesen Moment als einen, in dem seine Pflanzen eine erhebliche Störung in der Kraft registrierten; und er hatte eine Methode gefunden, sie zu messen. 2Wenn Pflanzen den Tod eines Organismus drei Zimmer weiter registrieren konnten, dann musste das bedeuten, dass alle Lebensformen außerordentlich gut aufeinander eingestimmt sind. Lebewesen müssen jeden Moment telepathische Informationen aufnehmen und weitergeben, besonders in Augenblicken der Bedrohung oder des Todes.
Backster veröffentlichte die Ergebnisse seines Experiments in verschiedenen angesehenen Zeitschriften für parapsychologische Forschung und hielt eine bescheidene Präsentation auf dem 10. Jahreskongress der Parapsychology Association, also der Vereinigung für Parapsychologie. 3Die Parapsychologen anerkannten Backsters Beitrag und wiederholten ihn in mehreren unabhängigen Labors, insbesondere in dem von Alexander Dubrov, einem russischen Doktor der Botanik und Pflanzenphysiologie. 4Er wurde sogar in dem Bestseller Das geheimnisvolle Leben der Pflanzen gerühmt. 5Doch die „Mainstream-Wissenschaftler“ taten seine Untersuchung als lächerlich ab, in erster Linie weil er kein traditioneller Wissenschaftler war, und er wurde verspottet mit dem, was man dann den „Backster-Effekt“ nannte. 1975 verlieh ihm die Zeitschrift Esquire sogar eine ihrer 100 Auszeichnungen für „dubiose Errungenschaften“. Die Überschrift lautete: „Wissenschaftler behauptet, Joghurt führe Selbstgespräche“. 6
Trotz alledem ignorierte Backster seine Kritiker während der nächsten 30 Jahre und führte seine Untersuchungen fort – ebenso wie sein Unternehmen für Lügendetektoren – und füllte so Aktenordner mit Untersuchungen, die er als „primäre Wahrnehmung“ bezeichnete. Er hatte vielfältige Pflanzen an seine Lügendetektoren angeschlossen und diese reagierten nachweislich auf die emotionalen Hochs und Tiefs von Menschen, besonders aber auf Bedrohungen und andere Formen negativer Absichten – genauso wie das zum Beispiel auch Paramecien (Pantoffeltierchen), Schimmelkulturen, Eier und (in der Tat) Joghurt taten. 7Backster zeigte sogar, dass Körperflüssigkeiten wie Blut und Samen bei ihm selbst und seinen Kollegen Reaktionen zeigten, die den emotionalen Zustand ihres „Wirtes“ widerspiegelten: Die Blutzellen eines jungen Laborassistenten reagierten sehr intensiv in dem Moment, als er einen Playboy- Ausfalter öffnete und ein Nacktfoto von Bo Derek ansah. 8
Diese Reaktionen hingen nicht von der Entfernung ab; jedes lebendige System, das an einen Lügendetektor angeschlossen war, reagierte ähnlich auf seine Gedanken – egal ob er nun im gleichen Zimmer war oder kilometerweit entfernt. Wie Haustiere hatten sich diese Systeme auf ihren „Besitzer“ eingestimmt. Diese Organismen nahmen nicht einfach seine Gedanken auf; sie kommunizierten telepathisch mit allen Lebewesen in ihrer Umgebung. Die lebenden Bakterien im Joghurt reagierten auf den Tod anderer Bakterienarten und Joghurt zeigte sogar den Wunsch, mit mehr förderlichen eigenen Bakterien „gefüttert“ zu werden. Eier nahmen einen Alarmschrei auf und anschließend Resignation, wenn eines von ihnen in kochendes Wasser gelegt wurde. Pflanzen schienen in Echtzeit auf jede Unterbrechung der Anwesenheit der Lebewesen in ihrem Umfeld zu reagieren; ja sie schienen sogar in dem Moment zu reagieren, in dem ihre Betreuungspersonen, die nicht im Büro waren, ins Büro zurückzukommen beschlossen. 9
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