Die Telepathie von Pflanzen interessierte mich dabei weniger als eine seiner „Nebenentdeckungen“, die wegen seiner negativen Publicity ganz in den Hintergrund traten: der Nachweis eines ständigen wechselseitigen Informationsflusses zwischen allen Lebewesen. Jeder Organismus, von Bakterien bis hin zu Menschen, scheint an einer fortwährenden Quantenkommunikation teilzuhaben. Dieser unablässige Austausch stellt einen geeigneten Mechanismus dar, über den Gedanken sich stofflich auswirken können.
Diese Entdeckung resultiert aus einem dummen kleinen Zeitvertreib aus dem Jahr 1966; Backster, damals ein großer drahtiger Mann mit Bürstenhaarschnitt und enormem kindlichen Enthusiasmus, ließ sich leicht ablenken. Er arbeitete häufig in seinen Büroräumen weiter, nachdem seine Mitarbeiter alle nach Hause gegangen waren, weil er sich dann endlich konzentrieren konnte, ohne ständig von Kollegen und dem turbulenten Tagesgeschehen am Times Square, vier Stockwerke unter ihm, unterbrochen zu werden. 1
Backster hatte sich als landesweit führender Experte für Lügendetektoren oder Polygrafen einen Namen gemacht. Während des Zweiten Weltkriegs hatte ihn die Psychologie des Lügens fasziniert sowie der Einsatz von Hypnose und Befragungen mit „Wahrheitsserum“ zur Spionageabwehr, und mit dieser doppelten Begeisterung hatte er den Test mit dem Lügendetektor zu einer psychologischen Kunst verfeinert. Sein erstes Programm hatte er einige Jahre nach Kriegsende zusammen mit der CIA zur Spionageabwehr gestartet und später gründete er die Backster School of Lie Detection, die auch heute, mehr als 50 Jahre nach ihrer Eröffnung, immer noch die weltweit führende Schule für Lügendetektorverfahren ist.
Eines Morgens im Februar legte Backster um 7 Uhr nach einer durchgearbeiteten Nacht eine Kaffeepause ein. Er wollte gerade seinen Drachenbaum und seinen Gummibaum im Büro gießen. Als er seine Gießkanne mit Wasser füllte, überlegte er, ob sich wohl messen lasse, wie lange das Wasser von den Wurzeln den Stamm hinauf bis zu den Blättern brauchte, gerade beim Drachenbaum, einer Pflanze mit einem besonders langen Stamm. Ihm fiel ein, dass er das ja testen könne, indem er die Pflanze an einen Lügendetektor anschloss; sobald das Wasser die Stelle zwischen den Elektroden erreichte, würde die Feuchtigkeit den Detektorschaltkreis stören, was als nachlassender Widerstand aufgezeichnet würde.
Wie ein Lügendetektor funktioniert
Ein Lügendetektor reagiert auf die kleinsten Veränderungen in der elektrischen Leitfähigkeit der Haut; sie werden durch die erhöhte Aktivität der Schweißdrüsen verursacht; diese wiederum werden vom sympathischen Nervensystem, dem Sympathikus, gesteuert. Im Lügendetektortest zeigt der Wert der galvanischen Hautreaktion (GHR) den elektrischen Hautwiderstand, ähnlich wie der Widerstandsmesser eines Elektrikers den elektrischen Widerstand in einem Schaltkreis angibt. Ein Lügendetektor verfolgt auch Veränderungen in Blutdruck, Atmung, Pulsstärke und -frequenz. Niedrige Werte in der elektrischen Hautleitfähigkeit zeigen wenig Stress und einen ruhigen Zustand an. Höhere Werte weisen darauf hin, dass der Sympathikus, der für Stress oder bestimmte emotionale Zustände anfällig ist, auf Hochtouren arbeitet – wie es der Fall ist, wenn jemand lügt. Eine Lügendetektormessung kann den Stress für den Sympathikus anzeigen, sogar schon, bevor die Testperson sich seiner bewusst ist.
1966 bestand die modernste Technologie aus einer Reihe von Elektrodenplättchen, die an zwei Fingern der Testperson befestigt wurden und durch die ganz schwacher elektrischer Strom floss. Diese Plättchen nahmen auch die geringste Zu- oder Abnahme des elektrischen Hautwiderstandes auf, die dann auf Papier grafisch dargestellt wurde, indem eine Schreibnadel eine kontinuierliche (gezackte) Linie aufzeichnete. Wenn jemand log oder irgendwie emotional erregt war (etwa weil er oder sie sich aufregte oder ängstigte), dann hatte die Zickzacklinie größere Ausschläge, bis zum oberen Papierrand.
Backster klemmte nun eines der langen, gebogenen Blätter des Drachenbaumes zwischen zwei Sensorelektroden eines Lügendetektors und wickelte ein Gummiband darum. Nach dem Gießen der Pflanze erwartete er eine ansteigende Tintenspur auf dem Papier, was dem Absinken des elektrischen Widerstandes des Blattes entsprach, wenn es feuchter würde. Doch als er nun tatsächlich Wasser an die Pflanze gegossen hatte, geschah genau das Gegenteil. Zuerst verlief die Linie nach unten und zeigte dann einen kurzen Ausreißer, ähnlich wie bei einem Menschen, in dem kurz die Angst aufflackert, entdeckt zu werden.
Damals glaubte Backster, er beobachte eine quasi menschliche Reaktion; doch später stellte sich heraus, dass die wachsartige Isolierschicht zwischen Pflanzenzellen eine elektrische Entladung verursacht, die in Lügendetektoren eine menschliche Stressreaktion nachahmt. Wenn die Pflanze wirklich eine emotionale Reaktion zeigte, dann musste er einen stärkeren emotionalen Reiz setzen, um diese Reaktion zu intensivieren.
Wird ein Mensch mit einem Lügendetektor getestet, dann stellt man am besten mit einer direkten und gezielten Frage fest, ob er lügt – das funktioniert, weil jede unwahre Antwort seinen Sympathikus unmittelbar und stark reagieren lässt. (Beispiel: „Waren Sie es, der auf Hans Schmidt schoss?“)
Um auch bei einer Pflanze so etwas wie eine Alarmreaktion auszulösen, musste Backster irgendwie ihr Wohlergehen beeinträchtigen. Er versuchte es damit, eines ihrer Blätter in eine Tasse Kaffee einzutauchen, doch das ergab keine interessante Reaktion in der Aufzeichnung – die Abwärtsbewegung hielt lediglich weiter an. Wenn das die Testaufzeichnung eines Menschen gewesen wäre, dann hätte Backster den Schluss gezogen, die Person sei müde oder langweile sich. Ihm war klar, dass er die Pflanze direkt und wirklich bedrohen musste: Er wollte ein Streichholz holen und das an der Elektrode befestigte Blatt anzünden.
In dem Moment, als er daran dachte, sauste die Schreibnadel nach oben und fuhr fast über das Papier hinaus. Er hatte die Pflanze nicht angezündet; er hatte nur daran gedacht, das zu tun! Laut seinem Lügendetektor hatte die Pflanze den Gedanken als direkte Bedrohung aufgefasst und höchsten Alarm signalisiert. Er rannte in das Nebenbüro, um ein paar Streichhölzer zu holen. Als er zurückkam, zeigte die Aufzeichnung immer noch Alarmbereitschaft. Er zündete ein Streichholz an und ließ es unter einem Blatt flackern. Die Schreibnadel zeichnete weiter den wilden Zickzackkurs auf. Dann brachte Backster die Streichhölzer wieder zurück ins Büro seiner Sekretärin. Die Aufzeichnung beruhigte sich und wurde wieder zu einer geraden Linie.
Er wusste zunächst nicht, was er damit anfangen sollte. Lange hatte er sich zu Hypnose und zu Theorien über die Kraft der Gedanken und die Natur des Bewusstseins hingezogen gefühlt. Während seiner Arbeit für die Spionageabwehr in der Armee und der CIA hatte er sogar diverse Experimente durchgeführt; diese waren Teil einer Kampagne, die den Einsatz von Hypnosetechniken bei der russischen Spionage aufdecken sollte.
Doch das hier war etwas noch viel Außergewöhnlicheres. Diese Pflanze hatte, so schien es, seine Gedanken gelesen. (Dabei war es so, dass er Pflanzen nicht einmal besonders mochte.) Dazu konnte es nur gekommen sein, wenn die Pflanze über eine komplexe außersinnliche Wahrnehmung verfügte. Die Pflanze musste irgendwie auf ihre Umgebung eingestimmt und in der Lage sein, viel mehr als nur „Sinneswahrnehmungen“ von Wasser und Licht zu empfangen.
Backster modifizierte seine Geräte, um die elektrischen Signale so zu verstärken, dass sie die geringste elektrische Aktivität in den Pflanzen registrierten. Zusammen mit seinem Partner Bob Henson wiederholte er dann das ursprüngliche Experiment. Die nächsten eineinhalb Jahre beobachteten Backster und Henson häufig, wie die anderen Pflanzen im Büro auf ihre Umgebung reagierten. Zahlreiche Eigentümlichkeiten fielen ihnen auf: Die Pflanzen stimmten sich auf das Kommen und Gehen ihrer „Betreuungsperson“ ein. Sie achteten auch auf eine Art „Revieranspruch“ und reagierten nicht auf Ereignisse in den Büros neben Backsters Labor. Sie schienen sich sogar auf Pete, Backsters Dobermann, einzustimmen, der die Tage ebenfalls im Büro verbrachte.
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