Clausewitz war ein Mobbingopfer. Offensichtlich ist: Es ist noch kein Meister der Strategie vom Himmel gefallen.
Immerhin machte das Werk post mortem eine bemerkenswerte Karriere. Nicht nur unter Militärstrategen, auch in der zivilen Welt las man aufmerksam „Vom Kriege“. Allein die Tatsache des millionenfachen Verkaufs dieses Titels in der ganzen Welt und dem damit offensichtlich bekundeten Interesse an Kriegsführung auch außerhalb des Militärs lässt Staunen. Steckt da eine archaische Kriegsbegeisterung in uns allen? Nehmen wir den Alltag vielleicht als Lebenskampf wahr, der strategisch zu meistern ist? Vor allem in den Unternehmen und unter Managern werden alte Weisheiten wie die von Clausewitz hoch gehandelt (zumindest als Steinbruch für eigene Powerpoint-Präsentationen). Ob Mitarbeiterführung, feindliche Übernahmen oder globale Expansionsfeldzüge - zu fast jeder Herausforderung halten die Militärstrategen der Geschichte ein wirkungsvolles Bonmot parat.
Dass Clausewitz in einer anderen Welt als heute lebte, scheint seiner Attraktivität keinen Abbruch zu tun. Wer das Schlachtengetümmel im Krieg durchschaute, der scheint auch Jahrzehnte später noch als Coach für eine komplexe, sich ständig ändernde, unüberschaubare Realität geeignet
Nehmen Sie Clausewitz also zumindest als Gehirnjogging und als Vorlage zum Abgleich, wie vorausblickend und umsichtig Sie ihr Handeln gestalten und wie weit es mit Ihrem strategischen Denken ist.
Strategie – das ist das große Stichwort von Clausewitz. Gleichzeitig ist es einer der Begriffe in der Unternehmenswelt, der am häufigsten missverstanden wird. Rein sprachgeschichtlich ist die Analogie von der Unternehmensführung und der Kriegsführung naheliegend. Dass sich ausgerechnet Manager im Begriffsarsenal der Militärs bedienen, ist also nicht abwegig. Schließlich stammt der Begriff „Strategie“ aus dem Griechischen und bedeutet „Heeresführung“ - von „stratos“ (Heer) und „agein“ (führen). Und die Armee ist die älteste Führungs- und Organisationsform, die wir kennen. In der Armee finden sich zahlreiche Aspekte, die auch für Unternehmen relevant sind: Führung, Logistik, Psychologie, Sieg und Niederlage, aber auch langfristige Planungen.
Strategien sind immer an eine Epoche gebunden. Der Luftkrieg kommt natürlich bei Clausewitz noch nicht vor. Und ausgerechnet der wichtigste Faktor des Wirtschaftslebens - der Kunde – findet kein Pendant in Clausewitz Gedankenspielen. Ergo: Alles ist in seinen historischen Kontext einzubinden, die Übertragbarkeit historischen Wissens ist relativ.
Unternehmensziele unterscheiden sich letztlich sehr deutlich von militärischen Targets. Das, was die Wirtschaft häufig als Unternehmensstrategie bezeichnet, sind eher Pläne, um gewisse Ziele umzusetzen. Streng gesehen ist das mehr Taktik als Strategie. Strategisches Denken bedeutet jedoch nach Clausewitz Denken in Räumen und Regionen – das betrifft in der Wirtschaft etwa die globalisierten Märkte. Manager definieren ihre Strategie dabei häufig zu eng und lassen größere Zusammenhänge oft außen vor. Strategie heißt aber vor allem, in die Zukunft zu denken: Das beinhaltet die Entwicklung neuer Technologien, Produkte und Märkte oder neue Kundenbindungsansätze.
Strategisches Denken bedeutet Denken in Räumen und Regionen über größere Zeiträume hinweg. Eine Strategie ist ein nachhaltiges Instrument der Unternehmensführung und orientiert sich nicht an kurzfristigen Zielen.
Ein falsches Verständnis von Strategie ist auch dann vorhanden, wenn strategisches Denken zu starr wird und unabänderlich durchgesetzt werden soll. Solche Vorhaben sind zum Scheitern verurteilt. Hier ist Clausewitz ungemein modern: Die Unwägbarkeiten des Krieges und des Wirtschaftslebens (Clausewitz nennt sie „Friktionen“) führen zwangsläufig dazu, dass Unsicherheit keine Störung, sondern unvermeidbarer Begleiter jeder Strategie ist: „Es gibt keine menschliche Tätigkeit, welche mit dem Zufall so beständig und so allgemein in Berührung stünde als der Krieg.“ Im Zentrum der Clausewitzschen Definition von Strategie ist deshalb Flexibilität. Entsprechend müssen Eventualitäten als Realitäten behandelt und ihre Konsequenzen abgeschätzt werden. Zugleich definiert Clausewitz bereits die Entwicklung strategischer Ziele als permanenten Prozess.
Kern der Strategie ist Flexibilität. Strategie findet im Rahmen eines Koordinatennetzes permanenter neuer Entscheidungen und unter dem Druck ständiger Unsicherheit statt. Die beste Strategie ist immer die, die am flexibelsten ist.
Was kann man von Clausewitz noch lernen? Vielleicht das: Ziele zu durchdenken und zu definieren, Ressourcen abzuschätzen, eigene Stärken und Schwächen und die des Gegners zu analysieren. Eine Strategie ordnet Kräfte, Mittel, Zeit, Raum und Methoden zu einer Leitidee des Handelns - und ist damit nichts anderes als ein effizienter Erfolgsplan.
Das übergeordnete Ziel im Blick, pendeln die Überlegungen des Generals oder Managers zwischen Alternativen und Szenarien hin und her - bis Talent und Erfahrung den Punkt zum Handeln bestimmen.
Vom Kriege zur klugen Heiratspolitik?
Wer glaubt, dass die hier zusammengefassten Lehrsätze eine archaische Vorstellung von Führung präsentieren, hat vielleicht Recht. Ein Krieg hat immer etwas Brutales. Der Frieden wird in unserer Kultur gerade aufgrund der Kriegserfahrungen der letzten Jahrhunderte mit Recht höher geschätzt: Krieg bedeutet immer auch Verletzung und Verlust. Das wusste schon Clausewitz. Und auch wenn man seine Gedanken auf die heutige Welt und das Management von Unternehmen überträgt und Krieg eher metaphorisch versteht (soweit man das kann), wird immer ein Legitimationsproblem bleiben. Vielleicht ist es da doch besser an andere Strategieüberlegungen anzuknüpfen. Schließlich kann man auch anders. Wer die kriegerische Auseinandersetzung nicht will und die Feinde scheut, die der Krieg hervorbringt, muss neue Wege gehen. Oder doch alte? Auch hier hilft die Geschichte, in der sich zahlreiche Anregungen finden lassen: Nicht nur durch Krieg, auch durchs Heiraten können ganze Weltreiche entstehen – und das wesentlich unblutiger. Wenn Sie also den Clausewitz durch haben, können Sie sich alternativ die Heiratspolitik des Adels vornehmen. Territoriale Zugewinne und Reichtum des Adels bauten auch auf einer klugen Heiratspolitik auf, deren Ergebnisse in vollem Ausmaß manchmal erst Jahrzehnte oder Jahrhunderte später deutlich wurden. Auch Preußen, Frankreich oder Großbritannien wurden nicht nur auf dem Schlachtfeld groß. Es brauchte genauso Dutzende Hochzeiten, um diese Länder über die Jahrhunderte stark zu machen. Die richtigen Entscheidungen dabei erforderten mindestens so viel strategisches Geschick wie im Kriege… und wenn es mit dem Heiraten, oder auf die heutige Wirtschaftswelt übertragen: mit dem Fusionieren und Akquirieren nicht klappt, können Sie immer noch auf Clausewitz zurückgreifen.
Vorrede [zur ersten Auflage]
Es wird mit Recht befremden, daß eine weibliche Hand es wagt, ein Werk von solchem Inhalt wie das vorliegende mit einer Vorrede zu begleiten. Für meine Freunde bedarf es hierüber keiner Erklärung, aber auch in den Augen derer, die mich nicht kennen, hoffe ich durch die einfache Erzählung dessen, was mich dazu veranlaßte, jeden Schein einer Anmaßung von mir zu entfernen.
Das Werk, dem diese Zeilen vorangehen sollen, hat meinen unaussprechlich geliebten, mir und dem Vaterlande leider zu früh entrissenen Mann während der letzten zwölf Jahre seines Lebens fast ausschließend beschäftigt. Es zu vollenden, war sein sehnlichster Wunsch; aber nicht seine Absicht, es während seines Lebens der Welt mitzuteilen; und wenn ich mich bemühte, ihn von diesem Vorsatz abzubringen, gab er mir oft, halb im Scherz, halb aber auch wohl im Vorgefühl eines frühen Todes, zur Antwort: »Du sollst es herausgeben.« Diese Worte (die mir in jenen glücklichen Tagen oft Tränen entlockten, sowenig ich damals geneigt war, ihnen eine ernsthafte Bedeutung unterzulegen) sind es nun, die es mir nach der Ansicht meiner Freunde zur Pflicht machen, den hinterlassenen Werken meines geliebten Mannes einige Zeilen voranzuschicken; und wenn man auch hierüber verschiedener Meinung sein kann, so wird man doch das Gefühl gewiß nicht mißdeuten, das mich veranlaßt hat, die Schüchternheit zu überwinden, welche einer Frau jedes auch noch so untergeordnete Auftreten der Art so sehr erschwert.
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