Die Erfindungen sind zunächst Waffen und Ausrüstung der einzelnen Kämpfenden gewesen. Diese müssen geschaffen und eingeübt werden, ehe der Kampf beginnt; sie werden nach der Natur des Kampfes eingerichtet, erhalten also von ihm das Gesetz; aber offenbar ist die Tätigkeit, welche sich damit beschäftigt, eine andere als der Kampf selbst; sie ist nur die Vorbereitung zum Kampf, nicht die Führung desselben. Daß Bewaffnung und Ausrüstung nicht wesentlich zum Begriff des Kampfes gehören, ist klar, denn bloßes Ringen ist auch Kämpfen.
Der Kampf hat die Einrichtung der Waffen und der Ausrüstung bestimmt, und diese modifizieren den Kampf; es ist also Wechselwirkung zwischen beiden.
Aber der Kampf selbst bleibt darum doch eine ganz eigentümliche Tätigkeit, und das um so mehr, als er sich in einem ganz eigentümlichen Element, nämlich in dem Element der Gefahr, bewegt.
Ist also je irgendwo eine Trennung verschiedenartiger Tätigkeiten notwendig, so ist es hier; und wir brauchen, um die praktische Wichtigkeit dieses Gedankens durchschauen zu lassen, nur leise daran zu erinnern, wie oft die tüchtigste Persönlichkeit in dem einen Felde als die unbrauchbarste Pedanterie in dem andern erschienen ist.
[94] Es ist auch keineswegs schwer, in der Betrachtung die eine Tätigkeit von der anderen zu trennen, wenn man die bewaffnete und ausgerüstete Streitkraft als gegebene Mittel betrachtet, von denen man, um sie zweckmäßig zu gebrauchen, nichts zu kennen braucht als ihre Hauptresultate.
Die Kriegskunst im eigentlichen Sinn wird also die Kunst sein, sich der gegebenen Mittel im Kampf zu bedienen, und wir können sie nicht besser als mit dem Namen der Kriegführung bezeichnen. Dagegen werden allerdings zur Kriegskunst im weiteren Sinne auch alle Tätigkeiten gehören, die um des Krieges willen da sind, also die ganze Schöpfung, d. i. Aushebung, Bewaffnung, Ausrüstung und Übung der Streitkräfte.
Es ist für die Realität einer Theorie höchst wesentlich, diese beiden Tätigkeiten zu trennen, denn es ist leicht einzusehen, daß, wenn jede Kriegskunst mit der Einrichtung der Streitkräfte anfangen und diese für die Kriegführung, so wie sie dieselben angegeben, bedingen wollte, sie nur auf die wenigen Fälle anwendbar sein könnte, wo die vorhandenen Streitkräfte dem gerade entsprächen. Will man dagegen eine Theorie haben, die für die große Mehrheit der Fälle geeignet, für keinen aber ganz unbrauchbar sei: so muß sie auf die große Mehrheit der gewöhnlichen Streitmittel und bei diesen auch auf die wesentlichsten Resultate gebaut sein.
Die Kriegführung nun ist also die Anordnung und Führung des Kampfes. Wäre dieser Kampf ein einzelner Akt, so würde kein Grund zu einer weiteren Einteilung sein; allein der Kampf besteht aus einer mehr oder weniger großen Zahl einzelner, in sich geschlossener Akte, die wir Gefechte nennen, wie wir das im ersten Kapitel des ersten Buches gezeigt haben, und die neue Einheiten bilden. Daraus entspringt nun die ganz verschiedene Tätigkeit, diese Gefechte in sich anzuordnen und zu führen und sie unter sich zum Zweck des Krieges zu verbinden. Das eine ist die Taktik, das andere die Strategie genannt worden.
Die Einteilung in Taktik und Strategie ist jetzt im Gebrauch fast allgemein, und jeder weiß ziemlich bestimmt, wohin er ein einzelnes Faktum stellen soll, ohne daß er sich des Einteilungsgrundes klar bewußt ist. Wo aber solche Einteilungen vom Gebrauch dunkel befolgt werden, müssen sie einen tiefen Grund für sich haben. Diesen Grund haben wir aufgesucht, und wir können sagen, daß es eben der Gebrauch der Majorität ist, der uns zu ihm geführt hat. Dagegen müssen wir die von einzelnen Schriftstellern versuchten willkürlichen, nicht aus der Natur der Sache genommenen Feststellungen des Begriffs eben darum nicht gefaßt haben, auch als nicht im Gebrauch vorhanden betrachten.
Es ist also nach unserer Einteilung die Taktik die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht, die Strategie die Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges. Wie sich der Begriff des einzelnen oder selbständigen Gefechts näher bestimmt, an welche Bedingungen diese Einheit gebunden ist, werden wir [95] erst ganz deutlich machen können, wenn wir das Gefecht näher betrachten; jetzt müssen wir uns begnügen zu sagen, daß in Beziehung auf den Raum, also unter gleichzeitigen Gefechten, die Einheit gerade so weit reicht wie der persönliche Befehl, in Beziehung auf die Zeit aber, also unter Gefechten, die einander nahe folgen, so weit, bis die Krise, welche jedes Gefecht hat, ganz vorüber ist.
Daß hier zweifelhafte Fälle vorkommen können, nämlich solche, wo mehrere Gefechte auch allenfalls als ein einziges betrachtet werden können, wird unserem Einteilungsgrunde nicht zum Vorwurf gereichen, denn das hat er mit allen Einteilungsgründen wirklicher Dinge gemein, deren Verschiedenheiten immer durch abstufende Übergänge vermittelt sind. Es kann also allerdings einzelne Tätigkeitsakte geben, die ebensogut, und zwar ohne Veränderung des Gesichtspunktes, zur Strategie als zur Taktik zu zählen sind, z. B. sehr ausgedehnte Stellungen, die einer Postierung ähnlich werden, die Anordnung mancher Flußübergänge usw.
Unsere Einteilung trifft und erschöpft nur den Gebrauch der Streitkräfte. Nun gibt es aber im Kriege eine Menge von Tätigkeiten, die ihm dienen, aber von ihm doch verschieden, ihm bald näher verwandt, bald fremdartiger sind. Diese Tätigkeiten alle beziehen sich auf die Erhaltung der Streitkräfte. So wie die Schaffung und Ausbildung dem Gebrauch vorhergeht, so bleibt ihre Erhaltung demselben zur Seite und ist eine notwendige Bedingung. Genau betrachtet aber sind alle Tätigkeiten, die sich darauf beziehen, immer als Vorbereitungen zum Kampf zu betrachten, nur freilich als solche, die der Handlung sehr nahe liegen, so daß sie den kriegerischen Akt mit durchziehen und mit dem Gebrauch abwechselnd vorkommen. Man hat also ein Recht, sie wie die andern vorbereitenden Tätigkeiten von der Kriegskunst im engeren Sinn, von der eigentlichen Kriegführung, auszuschließen, und man ist dazu genötigt, wenn man die Hauptaufgabe jeder Theorie, die Trennung des Ungleichartigen, erfüllen will. Wer wollte die ganze Litanei der Verpflegung und Administration zur eigentlichen Kriegführung zählen, da sie mit dem Gebrauche der Truppen zwar in beständiger Wechselwirkung steht, aber etwas wesentlich Verschiedenes davon ist.
Wir haben in unserem zweiten Kapitel des ersten Buches gesagt, daß, indem der Kampf oder das Gefecht als die einzige unmittelbar wirksame Tätigkeit bestimmt wird, die Fäden aller andern, weil sie sich in ihm endigen, mit aufgenommen werden. Hiermit haben wir ausdrücken wollen, daß allen andern dadurch der Zweck gestellt wird, welchen sie nun nach ihren eigentümlichen Gesetzen zu erreichen suchen. Hier müssen wir uns über diesen Gegenstand näher auslassen.
Die Gegenstände der noch außer dem Gefecht vorhandenen Tätigkeiten sind sehr verschiedener Natur.
Der eine Teil gehört in einer Beziehung dem Kampf selbst noch an, ist identisch mit demselben, während er in einer anderen der Erhaltung [96] der Streitkräfte dient. Der andere Teil gehört bloß der Erhaltung an und hat nur wegen der Wechselwirkung mit seinen Resultaten einen bedingenden Einfluß auf den Kampf.
Die Gegenstände, welche in einer Beziehung dem Kampfe selbst noch angehören, sind Märsche, Lager und Quartiere, denn sie begreifen ebenso viele verschiedene Zustände der Truppen, und wo Truppen gedacht werden, muß immer die Idee des Gefechts vorhanden sein.
Die andern, welche nur der Erhaltung angehören, sind Ernährung, Krankenpflege, Waffen- und Ausrüstungsersatz.
Die Märsche sind mit dem Gebrauch der Truppen ganz identisch. Der Marsch im Gefecht, gewöhnlich Evolution genannt, ist zwar noch nicht eigentlicher Waffengebrauch, aber er ist so innig und notwendig damit verbunden, daß er einen integrierenden Teil dessen ausmacht, was wir Gefecht nennen. Der Marsch außer dem Gefecht ist aber nichts als die Ausführung der strategischen Bestimmung. Durch diese wird gesagt, wann, wo und mit welcher Streitkraft ein Gefecht geliefert werden soll, und dies zur Ausführung zu bringen, ist der Marsch das einzige Mittel.
Читать дальше