Selbst diese frühen Ansätze waren viel zu komplex, als dass sie hier umfassend dargestellt werden könnten, und selbst für ein zweitägiges Seminar waren sie schon damals zu umfangreich.
Aber wenigstens begriff ich an diesem Wochenende in Chicago (Ende der Siebzigerjahre) genug um zu erkennen, dass William Donald Kelley einer der kreativsten Denker des Jahrhunderts auf dem Feld der Medizin war. Wir folgten gebannt seinen Ausführungen. Und so mancher von uns wusste aus eigener Erfahrung, dass es viel mehr war als viel versprechende Theorie.
Meine ersten Erfahrungen mit Metabolic Typing
Im Laufe des Wochenendes geschahen zwei Dinge, die mein Leben verändern sollten. Als Erstes wurde mir plötzlich klar, dass ich mich für den Rest meines Lebens mit MT beschäftigen wollte. Ich konnte mir nichts Interessanteres vorstellen und auch nichts, was das Leben der Menschen so wirksam verbessern könnte.
Dann geschah etwas völlig Unerwartetes. Nachdem das Seminar vorbei war, kam Kelley auf mich zu und fragte mich zu meinem großen Erstaunen, ob ich als sein Assistent arbeiten wolle. Als ich erst einmal begriffen hatte, was er mir da anbot, brauchte ich ganze 60 Sekunden dafür, mich zu entschließen. Ich flog in meine Heimatstadt Seattle zurück, löste meine Wohnung auf, packte meine Sachen, fuhr nach Winthrop und habe es nie bereut.
In meinen ersten beiden Jahren bei Dr. Kelley war ich vor allem damit beschäftigt, Bücher zu schreiben, die er bei der Ausbildung von Therapeuten einsetzte. Dazu musste ich die Prinzipien seiner unspezifischen Stoffwechseltypen-Bestimmung aus seinen Aufzeichnungen von mehr als 30 Jahren zusammenstellen, eine monumentale Aufgabe. Aber durch diese Erfahrung wuchs mein Verständnis der Zusammenhänge und der wissenschaftlichen Grundlagen dieser therapeutischen Methode.
1980 bat mich Kelley, die Leitung seines internationalen Gesundheitsinstituts zu übernehmen. Meine Aufgabe bestand vor allem darin, mehrere hundert Therapeuten, die Kelleys Methode in der Praxis verwendeten, in ihrer Arbeit zu unterstützen. Diese Tätigkeit – die sechs Jahre dauern sollte – gab mir einen gründlichen Einblick in die Wirksamkeit von Kelleys Methode in der täglichen Praxis. Ich konnte ihre Stärken und Schwächen aus erster Hand beobachten.
Insgesamt war Dr. Kelleys Programm – mit Patienten, die sich gut an seine Empfehlungen hielten – recht erfolgreich in der Beseitigung aller möglichen chronischen Beschwerden. Mir wurde bald klar, dass meine eigenen guten Erfahrungen bei weitem kein Einzelfall waren.
Noch erstaunlicher war, dass Kelley auch bei Krebs immer wieder die gleichen Erfolge vorweisen konnte, wie er sie bei sich selbst gehabt hatte. Zwar gab es eine ganze Reihe alternativer Therapeuten in den USA und in Europa, die das Leben vieler Krebspatienten verlängern konnten, aber Kelleys Ansehen in diesem Bereich war größer als das der meisten anderen.
Es kamen auch Menschen mit vielen anderen Krankheiten zu ihm, darunter Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes, Arthritis, Kolitis und viele andere Beschwerden. Die meisten waren überrascht, dass uns ihre Diagnose und ihr spezielles Problem nicht besonders interessierten. Wir konzentrierten uns vor allem auf das Ungleichgewicht ihres Stoffwechsels.
Oft wandten sich Patienten erst dann an Kelley, nachdem die üblichen Behandlungsmethoden bereits versagt hatten. Und oft war es die einzige Behandlung, die sie anwendeten. Kelleys Methode wurde dadurch mit vielen schwierigen und oft weit fortgeschrittenen Krankheiten konfrontiert – umso erstaunlicher waren die Ergebnisse, die wir erzielten. Meine Position eignete sich bestens dazu, die Wirksamkeit unseres Programms genau einzuschätzen.
Obwohl mir der Ansatz einer typorientierten Stoffwechseltherapie sehr logisch erschien, war ich doch immer wieder über die vielen Menschen mit schweren Krankheiten erstaunt, die wieder gesund wurden. Die guten Ergebnisse schienen vieles von dem zu widerlegen, was ich mein Leben lang über Gesundheit, Heilung und die Grenzen der modernen Medizin gelernt hatte.
Aber Kelley konnte keine Wunder bewirken. Wenn er auch vielen ganz entscheidend half, so gab es immer noch zu viele erfolglose Patienten, selbst unter denen, die unsere Empfehlungen genau befolgten. Meine Aufgabe bestand vor allem darin, mit Therapeuten zusammenzuarbeiten, die bei einigen Patienten keinen Erfolg hatten. Ich war für die Lösung solcher Probleme zuständig. Tag für Tag half ich Therapeuten die Gründe dafür aufzuspüren, wenn es einem Patienten nicht besser ging, und neue Wege zu finden.
Oft arbeitete ich dabei mit Dr. Kelley zusammen, wenn es um die schwierigsten Fälle ging. Manchmal veränderte er die Programme so, dass sie wirklich halfen. Und manchmal konnten wir alles Erdenkliche versuchen und nichts half. Alle Beteiligten steckten in einem frustrierenden Dilemma. Wir wollten unbedingt allen Klienten und Therapeuten helfen, die sich auf unsere Hilfe verließen. Und wir konnten einfach nicht verstehen, warum Kelleys Modell, das ausschließlich auf dem autonomen Nervensystem basierte, bei vielen so gut wirkte und bei anderen nicht half. Das schien einfach keinen Sinn zu machen.
Oft war es in diesen Fällen sogar so, dass Patienten Reaktionen zeigten, die genau das Gegenteil von dem darstellten, was wir nach unserer Theorie erwartet hätten. Wir machten sie „kranker“, nicht gesünder. Als mir das klar wurde, fing ich an überall nach einer Erklärung zu suchen. Da stieß ich eines schönen Tages (1981) auf das Buch Nutrition and Your Mind, 1972 von dem brillanten Psychiater Dr. George Watson geschrieben.
Watsons Erkenntnisse brachten den Durchbruch
Im Laufe seiner langjährigen klinischen Erfahrungen war Watson zu dem Schluss gekommen, dass psychische Probleme ihre Ursache oft im Ungleichgewicht des Stoffwechsels haben. Diese Erkenntnis verhalf ihm zu bahnbrechenden Entdeckungen in der Ernährungswissenschaft. Er hielt es für sinnlos, emotionale Probleme zu behandeln, ohne grundlegende Störungen im Stoffwechsel zu berücksichtigen.
Watson entdeckte bei seiner unermüdlichen Forschungsarbeit, dass bestimmte Nährstoffe bei einigen Patienten den Zustand verschlechterten, während sie bei anderen emotionale Probleme besserten. Er erkannte, dass der Ernährungsbedarf von Mensch zu Mensch anders ist, und entwickelte ein System, mit dem er Menschen nach ihren unterschiedlichen Stoffwechseltypen einteilen konnte.
Aber Watsons Ansatz basierte nicht auf dem autonomen Nervensystem, sondern auf dem Verbrennungsprozess in der Zelle. Er fand einen direkten Zusammenhang zwischen den psychischen und emotionalen Eigenschaften eines Menschen und der Geschwindigkeit, mit der ihre Zellen Nährstoffe in Energie umwandeln.
Watson stellte fest, dass manche die Nährstoffe zu langsam verbrennen, andere zu schnell. Und er wusste, dass die Verbrennungsgeschwindigkeit zwar zum Teil erblich vorgegeben ist und teilweise äußeren Einflüssen unterliegt, dass sie aber auch stark durch die Ernährung verändert werden kann.
Indem er bestimmte Ernährungsformen und Nährstoffe verschrieb, um die Verbrennung zu regulieren, konnte Watson viele psychische Probleme schnell lösen, darunter Depressionen, Stimmungsschwankungen, Erregungszustände, Verhaltenstörungen und Konzentrationsprobleme. Watson hatte also seine eigene Methode zum Bestimmen von Stoffwechseltypen gefunden und konnte sie erfolgreich in der Praxis einsetzen.
Wer hat Recht?
Auf der einen Seite war diese Entdeckung sehr aufregend, weil sie Kelleys Ansicht bestätigte, dass die Bestimmung des Ernährungstyps Voraussetzung für eine wirksame Ernährungstherapie sei. Auf der anderen Seite bekam ich dadurch enorme Probleme, denn Watsons Modell der Verbrennungstypen sagte das genaue Gegenteil zu Kelleys Modell auf der Basis des autonomen Nervensystems.
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