Als das Album 1969 in Großbritannien erschien, bewegte es so gut wie gar nichts. Dennoch bewies es bereits die Vielseitigkeit von Elton John, die große Bandbreite seiner Fähigkeiten, die er später noch weiter ausbauen sollte. Die Songs führen jedoch nirgendwo hin und es gibt keine Hooklines oder einprägsame Refrains, die sie besonders auszeichnen würden. Dennoch haben Eltons Gesang und sein Klavierspiel eine gewisse Anziehungskraft.
Es heißt, ein Künstler erschafft seine Werke, damit sie weiterleben und ihm eine gewisse kreative Unsterblichkeit verleihen. Elton sah das in der Tat ganz ähnlich. 1969 sagte er dem Jugendmagazin Jackie: „Ich wollte immer berühmt sein – die alte Ego-Geschichte. Aber es hat mich nie gereizt, zum Film zu gehen, denn in fünfzig Jahren wird man, wenn man den Namen eines alten Filmstars nennt, verständnislos fragen: ‚Wer?‘ Aber Gershwin wird man dann immer noch spielen.“(36)
Zwar schlug Empty Sky nicht gerade hohe Wellen, was die Verkaufszahlen betraf, aber es bot einen guten Rahmen, um Eltons und Bernies Talent als Songwriter vorzustellen – ein Talent, auf das die erfolgreiche amerikanische Rockband Three Dog Night das internationale Publikum schließlich aufmerksam machen sollte.
Deren selbstbetiteltes Debütalbum erschien 1968, und die Band feierte mit dem von Harry Nilsson geschriebenen Top-Ten-Hit „One (Is The Loneliest Number)“ gleich den großen Durchbruch. Zu den sieben Bandmitgliedern zählten drei Sänger – Danny Hutton, Cory Wells und Chuck Negron – und vier Musiker, Jimmy Greenspoon (Keyboards), Floyd Sneed (Schlagzeug), Mike Allsup (Gitarre) und Joe Schermie (Bass). Die drei Sänger wetteiferten gewissermaßen darum, wer die besten Songs für die Band entdeckten konnte, und der Schlüssel für den Erfolg der Band lag unter anderem auch darin, dass sie auf ihren Alben die Creme der jungen, aufstrebenden Songwriter versammelten, darunter Laura Nyro, Dave Mason, Randy Newman, Neil Young, Steve Winwood, Joni Mitchell, Billy Preston, Hoyt Axton und Paul Williams. Zu ihren Entdeckungen zählten auch Elton John und Bernie Taupin.
Das Album Three Dog Night war so erfolgreich gewesen, dass die Band in Zugzwang geriet, gute Songs für den Nachfolger zu finden, der schließlich unter dem Titel Suitable For Framing erschien. Zwischen 1969 und 1974 gelang es Three Dog Night, zwölf aufeinanderfolgende Alben in den amerikanischen Top Twenty unterzubringen, die alle Goldstatus erreichten und Hits enthielten wie „Mama Told Me Not To Come“, „Joy To The World“ und „Black & White“.
Im Frühjahr 1969 kamen Three Dog Night nach England, und Danny Hutton, einer der Leadsänger, traf sich mit dem ehrgeizigen Songwriter Elton John. „1969 gingen wir in England auf Tournee“, berichtete Danny. „Wir spielten vor allem in Clubs und kleinen Hallen, nachdem ‚One‘ so groß durchgestartet war. Es war unsere erste Tour dort. Bei der Gelegenheit rief ich bei Dick James Music an und teilte ihnen mit, dass ich auf der Suche nach neuen Songs war, und sie schickten Reggie Dwight bei mir vorbei. Wir verstanden uns auf Anhieb. Er spielte mir einen Song vor, der ‚Bad Side Of The Moon‘ hieß. Das Demo habe ich immer noch. Es stand ein anderer Name drauf, der aber durchgestrichen worden war. Nicht Cliff Richard, aber irgendein anderer Cliff.“(37)
Jimmy Greenspoon, der Keyboarder von Three Dog Night, erinnerte sich: „Elton und Bernie lernten wir kennen, als sie bei einem unserer Showcase-Auftritte in London auftauchten und ihre Songs anboten. Wir dachten damals: ‚Was sind das denn für Typen?‘ Ich weiß nicht mehr, in welchem Club wir damals spielten, es war entweder im Speakeasy oder im Roundhouse, jedenfalls war es auf der ersten Three Dog Night-Tournee in England. Wir fuhren vom Hotel zum Club, und als wir noch draußen standen und darauf warteten, dass man uns zur Hintertür hineinließ, tauchten diese zwei Typen auf und sagten: ‚Hey Jungs, wir haben von euch gehört, und wir sind Songwriter.‘ Damals dachten wir nur: ‚Na klar, wer’s glaubt.‘ Dann meinte der eine allerdings: ‚Hi, ich bin Reggie, und das ist mein Freund Bernie. Er schreibt die Texte, ich schreibe die Musik.‘ Und wir meinten: ‚Hey, cool.‘ Danny sagte daraufhin: ‚Passt auf, macht euch einfach locker und tut so, als ob ihr zu uns gehört. Ihr könnt als Roadies durchgehen.‘ Wir drückten ihnen also etwas zum Tragen in die Hand, und sie kamen mit uns in die Halle, tranken was mit uns und konnten sich das Konzert umsonst ansehen.“(38)
Greenspoon berichtete weiter: „Nach dem Gig gingen wir zu Dick James Music. Die beiden schlossen uns das Büro mitten in der Nacht auf, damit wir uns ein bisschen was von ihrem Material anhören konnten. Wir waren zu dritt, Danny, ich und unser ‚Organisator‘, Steve Barnett. Er arbeitete für Lillian und Jerry Bron von der Bron Agency. Zwar war ich ziemlich betrunken, als wir die Titel hörten, aber ich erinnere mich, dass es sich bei den ersten, für die wir uns richtig erwärmten und die wir gleich für uns reservierten, natürlich um ‚Your Song‘, ‚Border Song‘ und ‚Take Me To The Pilot‘ handelte. ‚Border Song‘ haben wir dann doch nie gebracht, aber ‚Your Song‘ erschien auf unserem dritten Album. Im Studio nahmen wir auch ein paar Spuren für ‚Take Me To The Pilot‘ auf, aber die liegen irgendwo auf Halde und gehören zu den vielen unveröffentlichten Three Dog Night-Raritäten.“(39)
Danny fand Eltons und Bernies Songs hervorragend, und die drei freundeten sich schnell miteinander an. Zwar war auch Danny erst vor einem guten Jahr im Rockgeschäft zu Ruhm und Ehre gekommen, aber Elton betrachtete ihn bereits als großen amerikanischen Rockstar. Hutton erinnerte sich an den 22-jährigen Songwriter, den immer noch alle Reggie nannten: „Er war einfach ein knuffiger Typ. Damals spielten wir im Revolution, einem ziemlich kleinen Club in London, und ich lud ihn zum Konzert ein. Nach dem Gig kam einer der Türsteher zu mir und sagte: ‚Da war ein Kerl namens Reggie, der dich sehen wollte, aber er stand nicht auf der Gästeliste, deswegen habe ich ihn nicht reingelassen.‘ Ich ging also nach unten zu dem kleinen Kneipenrestaurant, das es in dem Laden gab. Dort saß er mit Bernie, und er war bester Laune. Ich entschuldigte mich sehr. Er saß da, im Hintergrund lief Musik, und er sang mit, und ich sagte zu ihm: ‚Du hast eine tolle Stimme.‘ Er erwiderte: ‚Ahhh! Ich bin ein Songwriter, kein Sänger.‘“(40)
Danny fügte lachend hinzu: „Anschließend hatten wir einen Gig im berühmten Marquee Club, in dem auch schon die Stones und viele andere große Bands gespielt hatten. Wir waren noch nicht so groß, dass wir auf eine lange Gästeliste bestehen konnten, deshalb schmuggelten wir Elton als Roadie mit ein. Rein theoretisch war er also auch schon mal Roadie von Three Dog Night!“(41)
Als Three Dog Night wieder in die Staaten zurückkehrten, blieben Elton und Danny in Kontakt. „Er schickte mir viele Briefe und auch ein paar Demos, auf denen unter anderem auch ‚Lady Samantha‘ enthalten war“, erinnerte sich Hutton.(42) Als er diesen Titel hörte, wusste er, dass er einen Hit vor sich hatte, noch dazu einen, der für seine Stimme wie geschaffen war. „Ich war hin und weg, als ich ‚Lady Samantha‘ hörte“, berichtete Hutton. „Ich sicherte uns den Song, doch dann sagte Gabriel Meckler, unser erster Produzent, der später tragischerweise bei einem Motorradunfall ums Leben kam: ‚Nun, ihr solltet den Titel alle mal singen, und dann wähle ich den Leadsänger aus.‘ Und er entschied sich schließlich für Chuck. Für mich passte Chucks Stimme nicht so richtig dazu, und außerdem war ich der Meinung, dass es mein Song war, weil ich ihn entdeckt hatte. Aber wer war ich, etwas dagegen zu sagen?“(43)
Als Suitable For Framing im Juli 1969 erschien, kam es auf Platz 16 der amerikanischen Charts, brachte zwei Top 10-Hits hervor – „Easy To Be Heard“ und „Eli’s Coming“ – und verkaufte eine Million Exemplare. Zwar war Eltons und Bernies „Lady Samantha“ keine Single geworden, aber über eine Million Menschen in den USA hörten den Song auf dem Album. Es war der erste Titel der beiden, der in den USA erschien, und er war der perfekte Auftakt für das Jahr 1970 – das Jahr, in dem Elton John den großen Durchbruch in den USA und schließlich auch weltweit erleben sollte.
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