Die Herausgeberinnen
Dr. Heike de Boer ist Professorin für Grundschulpädagogik an der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind professionelles Lehrer*innenhandeln in Unterrichtsgesprächen und im Kontext von Migration und Mehrsprachigkeit; Interaktionsanalyse; forschendes Lernen; Demokratielernen; mit Kindern philosophieren.
Dr. Daniela Merklinger ist Professorin für Deutschdidaktik mit dem Schwerpunkt sprachliches und literarisches Lernen an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Professionalisierung der Gesprächsführung; dialogische Gespräche mit Kindern; Lernprozessbeobachtung in fachdidaktischen Kontexten; Texte schreiben als kulturelle Tätigkeit in der Grundschule.
Heike de Boer Daniela Merklinger (Hrsg.)
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-037198-9
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-037199-6
epub: ISBN 978-3-17-037200-9
mobi: ISBN 978-3-17-037201-6
Einleitung: Grundschule im Kontext von Flucht und Migration
Heike de Boer & Daniela Merklinger
Manchmal I
Manchmal spricht ein Baum durch das Fenster mir Mut zu
Manchmal leuchtet ein Buch als Stern auf meinem Himmel
Manchmal ein Mensch den ich nicht kenne der meine Worte erkennt
Rose Ausländer © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M.
Seit 2015 kam mehr als eine Million Menschen mit Zuwanderungsgeschichte nach Deutschland. Viele davon sind Familien mit Kindern im Grundschulalter, die einerseits unterschiedliche Lebens- und Bildungserfahrungen mitbringen und andererseits viele Gemeinsamkeiten mit Familien und Grundschulkindern im Einwanderungsland Deutschland haben. Auch Kinder mit Fluchtgeschichte sind in erster Linie Kinder (vgl. Berthold 2014). Sie haben die gleichen Bedürfnisse wie alle Kinder in dieser biografisch sensiblen Phase. Sie freuen sich an Kontakten zu anderen, am gemeinsamen Spiel oder Unternehmungen. Der Ausschluss von Freizeitangeboten und Kontakt mit Gleichaltrigen aufgrund ökonomischer, sprachlicher und behördlicher Hindernisse wirkt besonders schwer (vgl. ebd.). Gleichzeitig stehen die Kinder ihrer neuen Heimat, der Schule und der Möglichkeit, Freunde zu finden, sehr positiv und aufgeschlossen gegenüber, allen Hindernissen zum Trotz, wie Interviews mit neu zugewanderten Kindern zeigen (World Vision 2016).
Integration durch Bildung kann an diesen Potenzialen ansetzen, indem sie den Kindern Räume und Möglichkeiten dafür bietet, sich selbst als angenommen und kompetent zu erfahren, ihr kulturelles und sprachliches Wissen einzubringen und zugleich zu erweitern. Für diese Aufgabe sind professionell agierende Lehrkräfte und Pädagog*innen elementar, die zum einen über ein großes Handlungsrepertoire verfügen und andererseits auch das eigene Handeln reflektieren, aktiv Potenziale und Gemeinsamkeiten in den Blick nehmen und die Unterschiede als konstitutiv für migrationsgesellschaftliche Verhältnisse respektieren. Denn kulturelle und sprachliche Unterschiede sind »Kennzeichen der einen (pluralen) Gesellschaft: Wir sind different, sprechen Türkisch, Kurdisch, Russisch und Deutsch, haben unterschiedliche Weltanschauungen, die traditionell oder in neuen, hybriden Formen verknüpft, geglaubt und gelebt werden« (Karakaşoğlu/Mecheril 2019: 25).
Dennoch ist die Tatsache, dass Deutschland eine Migrationsgesellschaft ist, weder in Schulen noch an den Universitäten angekommen und gelebte Praxis.
So zeigen die jüngeren Ergebnisse der vom Stifterverband initiierten Projekte »Stark durch Diversität – interkulturelle Bildung in der Lehrerbildung« 1 1 Im Mittelpunkt des dreijährigen Projektes (2016–2019), das vom Stifterverband gemeinsam mit der Schöpflin- und der Mercatorstiftung finanziert wurde, standen die Vernetzung und das gemeinsame Lernen universitärer Projekte, die zum Thema ›Migration in der Lehrerbildung‹ Projektideen entwickelt haben.
, dass es an deutschen Universitäten zwar vereinzelt qualitativ hochwertige Bildungsangebote für Lehramtsstudierende zum Thema Migration und Mehrsprachigkeit gibt. Da es sich aber in den meisten Fällen um singuläre oder additive Einzelprojekte handelt, bleibt die Nachhaltigkeit begrenzt (vgl. Stifterverband 2020). Auch Universitäten bedürfen einer Lehrerbildung für die Einwanderungsgesellschaft (ebd.), in der nicht nur Konzepte für mehrsprachiges, bildungs- und fachsprachliches Handeln entwickelt werden, sondern eine systemisch-konzeptionelle Perspektive eingenommen wird, in der sozio-kulturelle, religiöse und sprachliche Bedingungsfaktoren zusammengedacht werden. In einer Zeit, in der rassistische und diskriminierende Positionen in der Gesellschaft zunehmen, ist dies wichtiger denn je.
In schulischen und auch pädagogisch-fachdidaktischen Kontexten wird Integration/Inklusion heute häufig auf das Erlernen der deutschen Sprache reduziert. Doch ein erfolgreicher Integrationsprozess ist vor allem auch daran gebunden, dass Schüler*innen und Eltern neue positive Erfahrungen machen können, eigene Stärken erfahren und ausbauen, dass soziale Beziehungen entstehen und Kinder und Familien sich als Teil der Aufnahmegesellschaft fühlen.
Unter dem Slogan »Integration durch Bildung« gibt es zahlreiche Veröffentlichungen (z. B. KMK 2016; 2020), die Bedingungen für die Integration von Kindern mit Migrations- und Fluchthintergrund formulieren. Doch konkrete Maßnahmen zur Integration lassen soziale und kulturelle Aspekte oft außer Acht.
Der 2016 von King und Lulle herausgegebene europäische Forschungsbericht zur Migration weist eindrücklich darauf hin, dass Integration ein komplexer Prozess ist, der wirtschaftliche, soziale, kulturelle und bildungsorientierte Aspekte umfasst, die nicht losgelöst voneinander wirken, sondern einander wechselseitig bedingen (vgl.
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