"Sie können gerne selbst die Systeme überprüfen. Meines Erachtens laufen sie einwandfrei. Aber der Absetzer ist trotzdem verschwunden, seit er den Erfassungsbereich unserer optischen Sensoren verlassen hat."
Acondos Finger glitten über das Kristallsensor-Terminal der Konsole. Er versuchte, die Systemeinstellungen zu modifizieren. Aber im Hinblick auf den verlorenen X-Space JUMPER ZERO brachte das rein gar nichts.
Schließlich gab Acondo auf.
Er atmete schwer.
"Ich würde zu gern genauer wissen, wie die den Absetzer genau umgebaut haben... Ein verkleinerter X-Space-Effekt-Antrieb allein kann ja noch nicht alles erklären..."
Ornelas zuckte die Achseln.
"Was auch immer sich die Kameraden von der Garde auch ausgedacht haben mögen—es scheint ausgezeichnet zu funktionieren. Ich nehme mal an, sie sind längst transitiert."
Acondo nickte leicht.
Auf rein rationaler Ebene konnte er verstehen, dass sich die Raumgarde was technische Einzelheiten des neuen Absetzers anging, sehr bedeckt gehalten hatte. Schließlich waren die Details streng geheim. Aber auf der anderen Seite konnte es Acondo nur schwer ertragen, nicht zu den Eingeweihten zu gehören.
"Farmoon und seine Leute haben meinen vollen Respekt", drang Ornelas' Stimme in Acondos Bewusstsein.
Acondo schwieg.
Aber er dachte genauso.
3. Teil: Sommer 2959, Eldorado (Boulanger III)
Am Rande des AX-4321-Systems wurde an Bord des X-Space JUMPER ZERO der "X-Space"-Effekt-Antrieb aktiviert. Der Absetzer legte in Nullzeit die 1,5 Lichtjahre zurück, die ihn noch von seinem Zielsystem trennten.
"Hier sind wir richtig", stellte Kurt Farmoon fest, als auf dem Panorama-Schirm die gelbe Sonne Boulanger erschien, die beinahe ein Zwilling Sols hätte sein können. Kurt wandte sich an André. "Immer vorausgesetzt, die Ortungssysteme sagen uns nicht irgendetwas Abweichendes!"
"Nein, alles ist glatt gegangen", bestätigte André. "Wir sind exakt an der angemessenen Zielposition aus dem Hyperraum getreten."
Kurt konnte keinerlei Nebenwirkungen spüren.
Von einem je nach Sprungweite mehr oder minder stark ausgeprägten Übelkeitsgefühl, wie es bei gewöhnlichen Transitionen mit Alienwandler-Technologie Gang und Gäbe war, konnte keine Rede sein.
Der Absetzer befand sich noch am Rand des Boulanger-Systems. Auf einer schematischen Drei-D-Darstellung war die gegenwärtige Position markiert. Eldorado war derzeit vom X-Space JUMPER ZERO aus nicht sichtbar. Der Planet befand sich auf der anderen Seite seiner Sonne.
"Mit Magnetantrieb unserem Ziel entgegen", befahl Kurt an Wladimir gewandt.
"Nichts lieber als das!", gab dieser zurück und aktivierte den Unterlichtantrieb. Ein sonores Brummen ließ den Absetzer einige Augenblicke lang vibrieren. "Alle Antriebssysteme arbeiten einwandfrei", meldete Wladimir nach kurzer Pause.
André Souan zoomte das Zentralgestirn des Systems näher heran.
Ein gewaltiges Naturschauspiel bot sich dort.
Der Gasriese Boulanger VI, etwa viermal so groß wie Jupiter, wenn auch nur mit der zweieinhalbfachen Masse ausgestattet, hob sich als dunkle Scheibe vor dem Hintergrund seines Zentralgestirns ab.
"So etwas sieht man auch nicht alle Tage!", kommentierte Wladimir diesen Anblick.
Das Raumschiff beschleunigte auf die mit dem Magnetantrieb erreichbare Maximalgeschwindigkeit. Die Energiespeicher des X-Space JUMPER ZERO waren prall gefüllt. Der interne Reaktor konnte abgeschaltet daher bleiben.
"Wir sind jetzt unsichtbar", stellte Kurt fest. "Schon irgendetwas von der Sternschnuppe SPECTRAL unter Kommandant Roy Cabezas zu sehen?"
"Ich nehme an, sie befindet sich im Orbit um Eldorado", vermutete André Souan. "Ich empfange allerdings bislang keine für die Sternschnuppen der Panther-Klasse typischen Energiesignaturen."
Wladimir flog den Absetzer an der Sonne Boulanger vorbei. Sie flogen an Boulganger I vorbei, einem atmosphärelosen Steinbrocken von anderthalbfacher Erdgröße, dessen sonnenzugewandte Seite eine Oberflächentemperatur von über 6oo Grad Celsius aufwies.
Schließlich tauchte Eldorado auf dem Panoramaschirm auf.
Eine blaugrün-braune Scheibe mit gut erkennbaren Wolkenwirbeln, die vor allem über dem Großen Meer zu sehen waren, während die glühend heiße Äquatorregion so gut wie wolkenlos war. Temperaturen bis zu 80 Grad Celsius zur Mittagszeit waren in den Wüstenregionen der Äquatorialzone von Eldorado keine Seltenheit.
Die Sternschnuppe SPECTRAL war allerdings nirgends zu orten. Sie umkreiste keineswegs wie erwartet den Planeten in einem Orbit.
"Die wissen, dass wir kommen", stellte Kurt fest. "Ich verstehe das nicht..."
"Das heißt, sie suchen jetzt wie die Verrückten nach uns", glaubte Wladimir.
"Ja, und die SPECTRAL hätte es aus dem Orbit doch viel leichter, uns optisch zu erfassen!"
"Die Chance ist gering", gab Wladimir zu bedenken.
"Aber vorhanden."
"Soll ich dir sagen, was ich denke, Kurt?"
"Nur zu!"
"Dass die SPECTRAL bewusst im Hintergrund gehalten wird, kann ich mir nicht denken. Das würde bei diesem Einsatz keinerlei Sinn machen."
"Und wo denkst du, ist sie dann?"
"Auf der Oberfläche. An einer strategisch günstigen Stelle."
"Du meinst auf einer Anhöhe oder dergleichen?"
"Ja."
Kurt zuckte die Achseln. "Wir werden sehen. Das einzige, was uns gefährlich werden kann sind jedenfalls optische Sensoren. Wir dürfen nie so nahe an unsere Gegner heran, dass man uns sehen kann."
"Dann müssten wir Cabezas und seiner Mannschaft direkt vor der Nase herfliegen", lachte Wladimir.
"Ich möchte, dass weiterhin intensiv nach der SPECTRAL gesucht wird. Gleichgültig, wo sie nun auch sein mag."
Wladimir grinste.
"Sonst fliegen wir ihr am Ende doch noch vor der Nase her."
Kurts Finger glitten über sein Kristallsensor-Terminal. Im Zielgebiet um den Vorposten herum herrschte noch Nacht. Die Eigenrotation von Eldorado dauerte 22 Stunden 12 Minuten.
"Ich möchte, dass du in ein Orbit einschwenkst, das uns genau in Opposition zum Vorposten bringt", befahl Kurt an Wladimir gewandt.
"Klar, wenn die im Vorposten ein gutes Teleskop haben, tauchen wir darin sonst plötzlich als kleine grüne Männchen auf!", mischte sich André Souan ein.
Wladimir hingegen war irritiert.
"Orbit?", fragte der Russe. "Ich dachte, wir landen gleich."
"Erst in vier Stunden. Dann geht im Zielgebiet die Sonne auf. Wir können darauf wetten, dass Karalaitis seine Frischlinge rings um den Vorposten verteilt hat und den Himmel mit Infrarotspürern nach uns absuchen lässt. Aber im Sonnenlicht bringen die nicht so viel Kontrast."
"Das heißt, die Chance ist größer, dass sie uns übersehen", schloss Wladimir.
Kurt nickte.
"So ist es. Außerdem bleibst du bitte während des Landeanflugs immer unterhalb des Horizonts."
"Kein Problem."
"Wir werden in einem Abstand von ca. 100 km zum Vorposten landen."
"Würden nicht auch 50 Kilometer Abstand ausreichen?", fragte André. "Du weißt, wie ich diesen Vogel fliegen kann. Wenn ich sehr dicht an der Oberfläche bleibe, wäre das Risiko entdeckt zu werden..."
"...immer noch zu hoch!", schnitt Kurt seinem Freund das Wort ab. Er schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, ich bestehe auf hundert Kilometer Mindestabstand für die Landung. Wir dürfen in dieser Phase einfach nicht riskieren, dass die andere Seite auf uns aufmerksam wird."
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