Jens Hacke - Liberale Demokratie in schwierigen Zeiten

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Liberale Demokratie in schwierigen Zeiten: краткое содержание, описание и аннотация

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"Die Demokratiedebatte der Zwischenkriegszeit gehört fraglos zu den Sternstunden der politischen Ideengeschichte. In der Auseinandersetzung mit den Vordenkern der liberalen Demokratie lässt sich der existenzielle Ernst der Argumentation nachempfinden. Ihre Einsichten bleiben aktuell, weil sie uns daran erinnern, wie anspruchsvoll das Projekt der liberalen Demokratie tatsächlich ist."
Demokratie war in Weimar und ist auch im 21. Jahrhundert ein Versprechen auf die Zukunft, getragen von Hoffnungen auf Verbesserung, dem Leitbild einer sozialen Demokratie folgend und von der Vision erfüllt, Klassenkonflikte zu überwinden. Die kurzen vierzehn Jahre ihrer Existenz gleichen einem Laboratorium der Moderne. Der fatale Ausgang des Demokratieexperiments ist bekannt, aber die Wagnisse und Erfahrungen Weimars entfalteten eine langfristige Wirkung – als Beispiel Periode intensiver politischer und gesellschaftlicher Krisenreflexion und als Warnung vor antidemokratischer Militanz und populistischer Leichtfertigkeit.
Die Stärke der liberalen Demokratie liegt darin, dass sie verbesserungs- und lernfähig ist. Garantien für ihren Bestand gibt es nicht. Ihr Gelingen hängt davon ab, dass die Bürger*innen die Vorzüge der demokratischen Lebensform erkennen und sich für das Gemeinwesen engagieren. Die Einsichten der Weimarer Denker bleiben aktuell, weil sie die Existenzgrundlagen der Demokratie durchdachten. Bei ihnen ging es ums Ganze, und sie erinnern uns daran, wie voraussetzungsreich das Projekt der liberalen Demokratie bis heute tatsächlich ist.

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Jens Hacke

Liberale Demokratie

in schwierigen Zeiten

Weimar und die Gegenwart

In Erinnerung an HansChristoph Schröder 19332019 EBook ePub CEP - фото 1

In Erinnerung an

Hans-Christoph Schröder (1933–2019)

E-Book (ePub)

© CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021

Alle Rechte vorbehalten.

Coverabbildung: Kurt Schwitters, »Merzbild 25 A. Das Sternenbild«,

bpk / Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf / Walter Klein

Covergestaltung: Christian Wöhrl, Hoisdorf

Signet: Dorothee Wallner nach Caspar Neher »Europa« (1945)

ePub:

ISBN 978-3-86393-574-0

Auch als gedrucktes Buch erhältlich:

© CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021

Print: ISBN 978-3-86393-111-7

Informationen zu unserem Verlagsprogramm finden Sie im Internet unter www.europaeischeverlagsanstalt.de

Inhalt

Einleitung: Weimar und die Gegenwart

Orientierungen

Das Wagnis der Demokratie

Der Liberalismus zwischen Erneuerung und Existenzkrise

Max Weber – Interpret der Moderne an der Schwelle zur Demokratie

Die Herausforderung des Autoritarismus

Selbsttäuschung aus Enttäuschung

Robert Michels’ Parteiensoziologie auf dem Weg von der Demokratie in den Faschismus

„Volksgemeinschaft der Gleichgesinnten“

Liberale Faschismusanalysen in den 1920er Jahren und die Ursprünge der Totalitarismustheorie

Carl Schmitt – Antiliberalismus, identitäre Demokratie und Weimarer Schwäche

Liberale Vernunft

Demokratischer Kapitalismus

Moritz Julius Bonns Defizitanalyse der wirtschaftlichen Ordnung in der Weimarer Republik

Ein Liberalismus der Ambivalenz

Überlegungen zu Thomas Manns politischem Denken

Probleme in Vergangenheit und Gegenwart

Stabilität durch „Wehrhaftigkeit“?

Karl Loewenstein und die Debatte um die gefährdete Demokratie

Die Fragilität der Demokratie

Zum Verhältnis von Recht und Politik in der Weimarer Republik

Krise der repräsentativen Demokratie – gestern und heute

Nationalismus und Liberalismus – eine komplizierte Beziehungsgeschichte

Anmerkungen

Literatur

Drucknachweise

Einleitung: Weimar und die Gegenwart

„Bonn ist nicht Weimar“ – diese sprichwörtlich gewordene Diagnose des Schweizer Publizisten Fritz Réné Allemann aus dem Jahr 1956 beinhaltete die Staatsräson der Bundesrepublik. Warum Weimar scheiterte und was den Nationalsozialismus an die Macht brachte, diese Fragen gehörten zum Selbstverständnis einer Nachkriegsdemokratie, die aus der Geschichte gelernt hatte. Mit jedem Jahrzehnt rückte die Zwischenkriegsepoche mit ihren politischen Extremen ferner: Radikalnationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiliberalismus, Irrationalismus und Gemeinschaftssehnsucht – diese Verirrungen konnten mit Verweis auf bewegte Zeiten, die psychosozialen Folgen des Krieges und die Verzweiflung angesichts des ökonomischen Zusammenbruchs erklärt werden. Alles sehr weit weg. Lange schienen die Lektionen aus der Geschichte verinnerlicht, und die Welt der (Ur)Großeltern lieferte den Rahmen für schaurige Historienfilme, ähnlich fremd wie das Mittelalter.

In der letzten Zeit hat sich die gefühlte Überlegenheit der Nachgeborenen verflüchtigt. Wenn vom Aufschwung des Rechtspopulismus und von der Krise der Demokratie die Rede ist, sind die 1920/30er Jahre wieder bedrohlich nahe an die Gegenwart herangerückt. „Nächste Ausfahrt Weimar?“, fragte nach den Ereignissen von Chemnitz im Spätsommer 2018 Albrecht von Lucke, einer der führenden Publizisten der Republik. Die Kooperation bürgerlicher Parteien mit der AfD im Thüringer Landtag, um Anfang Februar 2020 die Wahl des FDP-Fraktionsvorsitzenden Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu bewerkstelligen, weckte vielfach Weimar-Assoziationen. Der renommierte Historiker Timothy Snyder diagnostiziert ein Revival faschistischer Ideologie, in Russland, aber auch in den USA, und sieht die westliche Welt auf dem Weg in die Unfreiheit. Politikwissenschaftler sinnieren darüber, wie Demokratien scheitern und zerfallen. So sehr sich die historischen Umstände nach neun Jahrzehnten unterscheiden, so sensibel registrieren die Ideenhistoriker ihre Déja-vu-Erlebnisse. In der Tat reaktivieren die nationalistischen Homogenitätsfantasien europäischer Populisten das Vokabular von Rechtsintellektuellen wie Carl Schmitt. Ressentiment und Aggression richten sich gegen das Fremde und gegen diejenigen, die für Pluralität, Toleranz und kulturelle Vielfalt eintreten. Schuld an allem sind die Liberalen, damals wie heute.

Beschleunigter Fortschritt, sozialer Wandel, internationale Krisen und ökonomische Ungewissheit machen Demokratien erneut anfällig für den Irrationalismus. Statt komplizierter Problembewältigung will man einfache Lösungen, statt mühsamer Kompromisssuche herrscht die Sehnsucht nach Führung von oben, statt Möglichkeiten für das politische Engagement wahrzunehmen, erklärt man die politische Elite zum Sündenbock.

Zutiefst irritierend ist allerdings, dass uns kein adäquater Krisenbegriff zur Verfügung steht, der uns hilft, die gegenwärtige Situation zu verstehen. Sozioökonomisch war in Deutschland vor Corona keine größere Not erkennbar als in früheren Jahren. Im Gegenteil: Die Wirtschaft boomte, die Arbeitslosigkeit bewegte sich auf einem historischen Tiefstand, und Haushaltsüberschüsse boten politische Handlungs- und Verteilungsspielräume wie niemals zuvor. Trotzdem erreichte die Unzufriedenheit mit der liberalen Demokratie in der Bundesrepublik ein bislang ungekanntes Ausmaß.

Das Misstrauen in das politische System zeigt sich am Erfolg der Rechtspopulisten überdeutlich. Ihnen gelingt es, als reine Protestparteien, Ablehnung und Unzufriedenheit zu bündeln, ohne auch nur den Ansatz einer tragfähigen politischen Programmatik erkennen zu lassen. Als die AfD Mitte 2015 vor dem Sturz in die politische Bedeutungslosigkeit stand, sicherte sie sich durch die monothematische Instrumentalisierung der Flüchtlingsfrage ihr vorläufiges Überleben. Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, lediglich die Rechtspopulisten zu dämonisieren und nicht nach den Schwächen der etablierten Parteien zu fragen.

Die Krise wurzelt mithin in tieferen Ursachen und kollektiven Projektionen, in Statusverlustängsten und im Gefühl bestimmter Bevölkerungsgruppen, benachteiligt zu sein. Dabei verweist die Abkehr von der liberalen Demokratie auf drei Defizite, die oberflächliche Strukturähnlichkeiten zur Weimarer Lage aufweisen. Erstens werden die Leistungsfähigkeit und die demokratische Legitimation der parlamentarisch-repräsentativen Regierungsweise generell in Frage gestellt. Zweitens traut man der liberalen Demokratie nicht mehr zu, hinreichend für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen und Antworten auf Sinnfragen zu finden. Drittens gibt es einen Vorbehalt gegenüber den Verteilungsungerechtigkeiten einer kapitalistischen Ordnung; auch die Wendung gegen Asylsuchende und Flüchtlinge ist dafür ein Zeichen, denn sie vollzieht sich in der Regel mit dem Hinweis darauf, dass sich ein Anrecht auf Unterstützung auf Staatsbürger*innen beschränken sollte. Dieser Umstand kennzeichnet eine Leerstelle: Soziale Gerechtigkeit und prekäre Lebensumstände werden weder zureichend problematisiert noch Gegenstand politischer Auseinandersetzung.

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