Wein hervorzubringen, nicht bloß die Jahreswärme 9°½ übersteigen, sondern auch einer Wintermilde von mehr als +0°,5 eine mittlere Sommer-Temperatur von wenigstens 18° folgen muß. Bei Bordeaux am Flußthal der Garonne (Br. 44° 50’) sind die Temperaturen des Jahres, des Winters, des Sommers und des Herbstes 13°,8; 6°,2; 21°,7 und 14°,4. In den baltischen Ebenen (Br. 52°½), wo ungenießbare Weine erzeugt, und doch getrunken werden, sind diese Zahlen 8°,6; -0°,7; 17°,6 und 8°,6. Wenn es befremdend scheinen kann, daß die großen Verschiedenheiten, welche die vom Klima begünstigte oder erschwerte Weincultur zeigt, sich nicht noch deutlicher in unseren Thermometer-Angaben offenbaren; so wird diese Befremdung durch die Betrachtung vermindert, daß ein im Schatten beobachtetes, gegen die Wirkungen der directen Insolation und nächtlichen Strahlung fast geschütztes Thermometer nicht in allen Theilen des Jahres bei periodischen Wärme-Veränderungen die wahre oberflächliche Temperatur des die ganze Insolation empfangenden Bodens anzeigt.
Wie das milde, jahrzeitengleichere Küsten-Klima der Halbinsel Bretagne sich zum winterkälteren und sommerheißeren Klima der übrigen compacten Ländermasse von Frankreich verhält, so verhält sich gewissermaßen Europa zum großen Festlande von Asien, dessen westliche Halbinsel es bildet. Europa verdankt sein sanfteres Klima der Existenz und Lage von Afrika, das in weiter Ausdehnung, den aufsteigenden Luftstrom begünstigend, einen festen wärmestrahlenden Boden der Tropenregion darbietet, während südlich von Asien die Aequatorial-Gegend meist ganz oceanisch ist; seiner Gliederung und Meeresnähe an der westlichen Küste der alten Feste; dem eisfreien Meere, da, wo es sich gegen Norden ausdehnt. Europa würde demnach kälter werden Vergl. meine Abhandlung über die Haupt-Ursachen der Temperatur-Verschiedenheit auf dem Erdkörper in den Abhandl. der Akad. der Wissensch. zu Berlin aus dem Jahre 1827 S. 311., wenn Afrika, vom Meere überfluthet, unterginge; wenn die mythische Atlantis aufstiege und Europa mit Nordamerika verbände; wenn der wärmende Golfstrom nicht in die nördlichen Meere sich ergösse; oder wenn ein anderes festes Land sich, vulkanisch gehoben, zwischen die scandinavische Halbinsel und Spitzbergen einschöbe. Sieht man in Europa die mittleren Jahres-Temperaturen sinken, indem man unter denselben Parallelkreisen von der atlantischen Küste, von Frankreich aus durch Deutschland, Polen und Rußland gegen die Uralkette, also von Westen nach Osten fortschreitet; so ist die Hauptursach dieses Erkältungs-Phänomens in der nach und nach minder gegliederten, compacteren, an Breite zunehmenden Form des Continents, in der Entfernung des kältemindernden Meeres, wie in dem schwächeren Einflusse der Westwinde zu suchen. Jenseits des Urals werden diese Westwinde schon erkältende Landwinde , wenn sie über weite mit Eis und Schnee bedeckte Länderstrecken fortwehen. Die Kälte des westlichen Sibiriens wird durch solche Verhältnisse der Ländergestaltung und Luftströmung: keinesweges Die sibirische Bodenfläche zwischen Tobolsk, Tomsk und Barnaul vom Altai zum Eismeere liegt nicht so hoch als Manheim und Dresden: ja selbst weit in Osten vom Jenisei liegt Irkutsk (208 Toisen) noch fast ⅓ niedriger als München. aber, wie schon Hippocrates und Trogus Pompejus annahmen und noch berühmte Reisende des 18ten Jahrhunderts fabelten, durch große Höhe des Bodens über dem Meeresspiegel, erzeugt.
Wenn wir von der Temperatur-Verschiedenheit in der Ebene zu den Unebenheiten der polyedrischen Gestalt der Oberfläche unsres Planeten übergehen: so betrachten wir die Gebirge entweder nach ihrem Einfluß auf das Klima der benachbarten Tiefländer; oder nach den Einwirkungen, die sie, in Folge der hypsometrischen Verhältnisse, auf ihre eigenen, oft in Hochebenen erweiterten Gipfel ausüben. Die Gruppirung der Berge in Bergketten theilt die Erdoberfläche in verschiedene Becken; in, oft eng umwallte Rundthäler, circusartige Kessel: die (wie in Griechenland und in einem Theile von Kleinasien) das Klima örtlich in Hinsicht auf Wärme, Feuchtigkeit und Durchsichtigkeit der Luft, auf Häufigkeit der Winde und der Gewitter individualisiren . Diese Umstände haben von je her einen mächtigen Einfluß ausgeübt auf die Natur der Erzeugnisse und die Wahl der Culturen: auf Sitten, Verfassungsformen und Abneigung benachbarter Volksstämme gegen einander. Der Charakter der geographischen Individualität erreicht so zu sagen da sein Maximum, wo die Verschiedenheiten der Bodengestaltung in verticaler und horizontaler Richtung, im Relief und in der Gliederung der Continente die möglich größten sind. Mit solchen Bodenverhältnissen contrastiren die Steppen des nördlichen Asiens, die Grasebenen ( Savanen , Llanos und Pampas ) des Neuen Continents, die Heideländer (ericeta) Europa’s, die Sand-und Steinwüsten von Afrika.
Das Gesetz der mit der Höhe abnehmenden Wärme unter verschiedenen Breiten ist einer der wichtigsten Gegenstände für die Kenntniß meteorologischer Processe, für die Geographie der Pflanzen, die Theorie der irdischen Strahlenbrechung und die verschiedenen Hypothesen, welche sich auf die Bestimmung der Höhe der Atmosphäre beziehen. Bei den vielen Bergreisen, die ich in und außerhalb der Tropen habe unternehmen können, ist die Ergründung dieses Gesetzes ein vorzüglicher Gegenstand meiner Untersuchungen gewesen. Humboldt , Recueil d’Observations astronomiques Vol. I. p. 126–140; Relation historique T. I. p. 119, 141 und 227; Biot in der Connaissance des tems pour l’an 1841 p. 90–109.
Seitdem man die wahren Verhältnisse der Wärme-Vertheilung auf der Oberfläche der Erde, d. i. die Inflexionen der Isothermen und Isotheren und den ungleichen Abstand derselben von einander, in den verschiedenen östlichen und westlichen Temperatur-Systemen von Asien, Mittel-Europa und Nordamerika, etwas genauer kennt; darf man nicht mehr im allgemeinen die Frage aufwerfen, welcher Bruchtheil der mittleren Jahres-oder Sommerwärme einer Veränderung der geographischen Breite von 1° entspricht, wenn man auf demselben Meridian fortschreitet. In jedem Systeme gleicher Krümmung der Isothermen herrscht ein inniger und nothwendiger Zusammenhang zwischen drei Elementen: der Wärme-Abnahme in senkrechter Richtung von unten nach oben, der Temperatur-Verschiedenheit bei einer Aenderung von 1° in der geographischen Breite, der Gleichheit der mittleren Temperatur einer Bergstation und der Polar-Distanz eines im Meeresspiegel gelegenen Punktes.
In dem ost-amerikanischen Systeme verändert sich die mittlere Jahres-Temperatur von der Küste von Labrador bis Boston jeden Breitengrad um 0°,88, von Boston bis Charleston um 0°,95; von Charleston bis zum Wendekreise des Krebses in Cuba hin wird die Veränderung aber langsamer: sie ist dort nur 0°,66. In der Tropenzone selbst nimmt die Langsamkeit dergestalt zu, daß von der Havana bis Cumana die einem Breitegrade zukommende Variation nur noch 0°,20 beträgt.
Ganz anders ist es in dem System der Isothermen von Mittel-Europa. Zwischen den Parallelen von 38° und 71° finde ich die Temperatur-Abnahme sehr übereinstimmend ½ Grad für einen Breitengrad. Da nun in demselben Mittel-Europa die Abnahme der Wärme 1° in 80 bis 87 Toisen (480 bis 522 Fuß) senkrechter Höhe beträgt, so ergiebt sich hieraus, daß 40–44 Toisen (240–264 Fuß) der Erhebung über dem Meeresspiegel dort einem Breitengrad entsprechen. Die mittlere Jahres-Temperatur des Bernhard-Klosters, das 1278 Toisen (7668 Fuß) hoch, in 45° 50’ Breite, liegt, würde sich also in der Ebene bei einer Breite von 75° 50’ wiederfinden.
In dem Theil der Andeskette, welcher in die Tropenzone fällt, haben meine bis zu 18000 Fuß Höhe angestellten Beobachtungen die Wärme-Abnahme von 1° auf 96 Toisen (576 Fuß) gegeben; mein Freund Boussingault hat 30 Jahre später als Mittelresultat 90 Toisen (540 Fuß) gefunden. Durch Vergleichung der Orte, welche in den Cordilleren in gleicher Höhe über dem Meere am Abhange selbst oder in weit ausgedehnten Hochebenen liegen, habe ich in den letzteren eine Zunahme der Jahres-Temperatur von 1°½ bis 2°,3 beobachtet. Ohne die nächtliche erkältende Wärmestrahlung würde der Unterschied noch größer sein. Da die Klimate schichtenweise über einander gelagert sind, von den Cacao-Wäldern des Tieflandes bis zum ewigen Schnee, und da die Wärme in der Tropenzone während des ganzen Jahres sich nur sehr wenig ändert; so kann man sich eine ziemlich genaue Vorstellung von den Temperatur-Verhältnissen machen, welchen die Bewohner der großen Städte in der Andeskette ausgesetzt sind, wenn man diese Verhältnisse mit der Temperatur gewisser Monate in den Ebenen von Frankreich und Italien vergleicht. Während daß an den Waldufern des Orinoco täglich eine Wärme herrscht, welche um 4° die des Monats August zu Palermo übertrifft; findet man, indem man die Andeskette ersteigt, zu Popayan (911 t) die drei Sommermonate von Marseille, zu Quito (1492 t) das Ende des Monats Mai zu Paris, und auf den mit krüppligem Alpengesträuch bewachsenen, aber noch blüthenreichen Paramos (1800 t) den Anfang des Monats April zu Paris.
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