Während ich enttäuscht meinen Blick über den Stand gleiten ließ, fiel mein Blick endlich auf die gesuchten Gegenstände, die von zwei Standhelfern nach vorne getragen wurden. Sie waren einen halben Meter groß und bis auf zwei kleine Ornamente schmucklos. Durch ihre graue Farbe, die mich an die Wände der Station erinnerten, wirkten sie äußerst unscheinbar.
Zwei Mitglieder der Stationssicherheit standen mit dem Rücken zu mir bereit, die Vasen auf einen kleinen Wagen aufzuladen und mitzunehmen. Zu spät, ärgerte ich mich. Ich wollte nicht noch ein ganzes Jahr warten, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, denn so lange würde es dauern, bis Miraklo wieder Ega besuchte.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich einen der beiden Männer kannte. Ich ging zu ihm hin. Vielleicht konnte ich durch ihn herausfinden, wohin sie ihre Fracht brachten, oder die Männer zumindest lange genug belauschen, um selbst etwas herauszufinden.
„Hallo Linus“, begrüßte ich ihn.
Er drehte sich gemächlich zu mir um. Mein Erscheinen schien ihn nicht großartig zu überraschen. „Oh, hallo. Wenn das nicht unsere galaktische Momo ist. Was führst du wieder im Schilde?“, begrüßte er mich gut gelaunt.
Ich spielte die Unschuldige, obwohl ich genau wusste, dass er mich durchschaute. „Ich? Ich bin doch immer lieb. Und was machst du hier? Solltest du nicht in der Station arbeiten?“
Er warf den Standhelfern und seinem Kollegen einen verstohlenen Blick zu, die sich mit den Vasen plagten. „Ich arbeite. Das siehst du doch.“
Sein Kollege mischte sich ein, nachdem er schnaufend und unter großer Anstrengung die Vase auf den Transporter gehoben hatte. Er wollte Linus’ Faulheit nicht akzeptieren. „Was hältst du davon, wenn du nicht einfach herumstehst, sondern wirklich arbeitest?“
Genervt drehte sich Linus um. „Ich arbeite. Diese Bürgerin braucht eindeutig meine Hilfe. Du siehst doch, dass es ein Notfall ist.“
Der junge Mann schnaubte und warf Linus einen vernichtenden Blick zu. „Die Dinger sind verdammt schwer! Und es gibt Ärger, wenn wir wieder so lange brauchen. Willst du Basset den Grund dafür erklären?“
Linus seufzte resigniert. „Tut mir leid. Ich muss noch etwas tun, aber wir sehen uns. Ich weiß immerhin, wo du wohnst, Nachbarin. Also brav bleiben.“ Linus zwinkerte mir zu und machte sich an die Arbeit.
Enttäuscht sah ich den Männern zu, wie sie ihre Arbeit beendeten und in Richtung der Schleuse fuhren. War es das? Konnte ich Linus vielleicht ein anderes Mal ganz zufällig auf diese Vasen ansprechen? Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich wieder ein ganzes Jahr lang warten müsste, um deren Geheimnis zu ergründen. Ich konnte es ja zumindest versuchen. Wirklich gut kannten wir uns nicht, aber er kam hin und wieder zum Abendessen vorbei.
Dann fiel mein Blick auf einen gefalteten Zettel, der am Boden lag. Hatte Linus ihn verloren? Das Stück Papier war zwar etwas knittrig, aber viel zu weiß, um schon länger hier zu liegen. Ich nahm es in die Hand und entfaltete es vorsichtig.
Neben den unsauber verfassten Notizen befand sich eine Skizze. Ich wusste nicht genau, um was es sich handelte, aber mir war sofort klar, dass diese Information nicht für meine Augen bestimmt war. Mein Herz schlug schneller, als ich das Papier aufgeregt in meiner Hosentasche verschwinden ließ.
Ich machte mich auf den Weg zu einem Ort, an dem ich den Zettel ungestört studieren konnte.
Kapitel 2- Geflüsterte Geheimnisse
Objekt A-239 war eine der vielen, kleinen Hafenbars von Sektor A, die von mittags bis spätnachts geöffnet hatte und in erster Linie von Meteoritenfarmern besucht wurde, da diese länger als die Bewohner von Ega am Hafengelände bleiben durften und der Weg zurück von hier zur Station eine Stunde dauerte. Der Besitzer hatte sich mit dem Namen nicht viel Mühe gegeben, daher war es nicht überraschend, dass die Speisekarte genauso dürftig war. Das schien niemanden zu stören, denn die Hauptkundschaft bestand aus Meteoritenfarmern, die sich nur für die neusten Schnäpse interessierten.
Im Vergleich zu vielen anderen Bars dieser Preisklasse war diese dank des Barmannes, der die aus Plastik bestehenden Bänke und Tische immer zu Dienstschluss mit einem Hochdruckreiniger von Alkoholresten und anderen Hinterlassenschaften befreite, relativ sauber. Den Geruch von abgestandenem Alkohol und Männerschweiß konnte er jedoch nie komplett wegspülen.
Auch wenn dies kein Ort für junge Frauen war, fühlte ich mich hier wohl, denn hier war jeder für sich und mischte sich nicht in die Angelegenheiten anderer Gäste ein. In anderen Bars war dies nicht immer der Fall.
Selbst wenn meine Freunde nicht da waren, gab es hier oft Gelegenheit, Menschen wie mich zu treffen, die im Flüsterton über mystische und absonderliche Dinge sprachen. Dinge, die sonst zu viel Aufsehen auf sich gezogen hätten.
Die Gesprächsthemen, die ich suchte, waren nicht verboten, jedoch waren sie auch nicht erwünscht. Geschichten von dunklen Kulten, Ritualen und Menschenopfern kursierten seit Jahrzehnten, jedoch hatte der Vereinte Rat der Stationen vor ein paar Jahren aufgerufen, aktiv dagegen vorzugehen, und hielt auch die Bürger aller Stationen an, entsprechende Vorfälle zu melden.
Ich betrat vorsichtig die Bar und hielt Ausschau nach bekannten Gesichtern.
Zu meiner Freude waren Becher und drei seiner Brüder schon anwesend. Ich erkannte sie sofort. Sie hatten alle blonde Haare und trugen auch die gleiche, abgenutzte Schutzkleidung. Sie waren in eine Diskussion verstrickt, in der Ido, der Älteste von ihnen, behauptete, dass er mithilfe seiner Zahnbürste Goldadern in einem Meteoriten aufspüren konnte. Ich verstand nicht besonders viel von Meteoriten, konnte mir aber nicht vorstellen, wie er das anstellen wollte. Sie waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie mich erst bemerkten, als ich mich zu ihnen setzte. Sie schenkten mir einen musternden Blick und ein kurzes Nicken, führten ihre hitzige Diskussion jedoch unbeirrt weiter.
Becher, der neben mir saß, winkte und rief dem Kellner seine Bestellung zu. „Für mich noch einen Zaubertrank und für Momo einen Momo!“ Er lallte leicht und hatte anscheinend schon ein paar Becher zu viel intus. Genau richtig, um mit ihm über den Zettel zu sprechen, erkannte ich freudig.
Becher bekam seinen Namensvetter, gefüllt mit einer wilden Mischung aus verschiedenen Bränden, die bestialisch stanken, aber bei den Meteoritenfarmern äußerst beliebt war. Ich bekam eine Plastikflasche, gefüllt mit meinem Namensvetter. „Das süße Zeug hat doch nie einen Pfirsich gesehen. Ich verstehe nicht, wie du es trinken kannst“, sagte Becher, als ich einen großen Schluck nahm und mein Getränk auf die weiße Tischplatte stellte. „Du hast noch nie einen Pfirsich gesehen, abgesehen davon kostet ein Pfirsich auch zehnmal so viel wie eine Flasche Momo“, antwortete ich schnippisch, musste aber grinsen.
„Dann bring doch das nächste Mal einen Pfirsich mit“, schlug er vor.
„Geht nicht. Nur zertifizierte Händler dürfen Lebensmittel in den Hafen mitnehmen. Ich will keinen Ärger mit dem Zoll“, zitierte ich die offiziellen Aushänge, die ich jedes Mal zu sehen bekam, wenn ich durch die Kontrollen wollte, um an den Hafen zu gelangen. „Aber ich habe etwas viel Besseres mit als Obst.“ Ich zog den Zettel aus der Tasche.
Dieser schien ihn jedoch nicht zu überzeugen.
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