„Schlage mich als Einstimmer vor, Sir“, sagte Carberry sofort. „Du weißt, daß ich auch den Hundesohn Luis Carrero bestens eingestimmt habe, nicht wahr? Wenn er mich sah, wurde er immer grün in seiner schönen Visage, so grün wie – wie …“
„… Kuhkacke“, ergänzte Dan O’Flynn. Und die Männer einschließlich des Paters Aloysius grinsten.
„Mister O’Flynn“, sagte der Profos mit Würde. „Das sind nicht meine Worte. Ich meinte, so grün wie Gras.“
„Ist ja auch Gras, was die Kuh verdaut“, entgegnete Dan.
„Das ist durchaus richtig, Mister O’Flynn“, erklärte der Profos. „Es muß also heißen, der Hundesohn Luis Carrero wurde so grün wie das von der Kuh verdaute Gras.“
„Kuhkacke klingt besser“, sagte Dan ungerührt. „Das mußt du zugeben, Mister Carberry.“
Der Profos schnaufte verächtlich. „Das ist Vulgärsprache, Mister O’Flynn. Sie ziemt sich nicht …“
Carberry wurde wieder unterbrochen. Aus dem Nebenstollen, wo die Maultiere standen, ertönte ein eindeutiges Geräusch – donnernd und kurz darauf auch riechend.
„Dein Diegolein“, sagte Dan O’Flynn, „in der Vulgärsprache, die sich nicht ziemt. Manchmal frage ich mich wirklich, wie merkwürdig es ist, daß es immer deine Tiere sind, die sich so unflätig äußern.“
„Deine Tiere?“ Der Profos hatte den Kopf vorgeschoben und lauerte. „Was soll das denn heißen?“
„Ich denke da an Sir John, mein lieber Mister Carberry“, erwiderte Dan O’Flynn.
Edwin Carberry, Profos der Arwenack-Crew, schwoll an und pumpte sich voll Luft wie eine Schweinsblase.
„Ich …“, begann er.
Hasard sagte sanft: „Ed, unser Thema hatten wir auf die Gefangennahme des Don Ramón abgesteckt, und ich habe nichts dagegen, daß du ihn auf deine bewährte Art ein bißchen einstimmst, aber nicht mit den Fäusten …“
„Völlig richtig, Sir“, unterbrach ihn Carberry, „völlig richtig. Ich werde dem feisten Rübenschwein nur erzählen, wie ich mit dem Hundesohn unsere Decks aufgewischt habe und daß unsere liebe Plymmie nach seiner Kehle gelechzt hätte. Wäre das was?“
„Etwa so“, erwiderte Hasard lächelnd.
„Alles klar, Sir“, sagte Carberry und schoß einen wilden Blick auf Dan O’Flynn ab. „Und du Kuhkacker wirst nie ein Gentleman!“
„Hab ja auch noch Zeit“, sagte Dan O’Flynn freundlich.
Hasard sagte gelassen: „Ich habe nichts dagegen, daß ihr euer Thema weiterspinnt, wenn wir anderen aufgebrochen sind, um den Dicken zu schnappen. Oder wolltet ihr mit dabeisein?“
„Natürlich muß ich dabeisein“, brummte der Profos.
„Ich auch“, erklärte Dan O’Flynn.
„Das freut mich“, sagte Hasard. „Also weiter. Frage an Pater Aloysius: Du kennst den Weg zu den Thermalquellen – ist das Gelände für einen Überfall geeignet?“
„Es könnte besser nicht sein“, sagte Pater Aloysius. „Und du hast recht, Bruder Hasard. Miraflores liegt für unsere Zwecke zu weit entfernt von Potosi, ganz abgesehen davon, daß das Landhaus Diener, Lakaien und weitere Bewacher beherbergt, die unter Kontrolle gebracht werden müßten. Nein, da ist es richtiger, den Kerl auf dem Weg zum Landhaus zu packen, zumal er da nur von den vier Soldaten und dem Teniente bewacht wird.“
„Gut“, sagte Hasard, „dann schlage ich vor, daß wir sofort aufbrechen. Allerdings brauchen wir einen Freiwilligen, der hierbleibt, um auf unsere Maultiere aufzupassen. Sie müssen ja auch versorgt werden.“ Hasard blickte in die Runde der Männer, die um ihn herumsaß. „Gibt’s einen Freiwilligen?“
Pater David hob den rechten Arm, grinste ein bißchen und sagte: „Wenn Mister Carberry nichts dagegen hat, daß ich auch seinen Diego versorge.“
„Genehmigt, Bruder David“, sagte Carberry sehr großzügig. „Aber du weißt, daß er seine Launen hat, was, wie?“
„Haben wir Menschen die nicht auch?“ fragte der Pater zurück.
„Hm-hm“, brummte der Profos und warf Dan O’Flynn einen schiefen Blick zu. „Du sagst es, Bruder David, und ich bemühe mich ständig, sanft wie ein Reh zu sein und die Vulgärsprache zu vermeiden, die manche Affenärsche als übellaunig auffassen. Dabei ist es nur der Herr, der in mich fährt und mir befiehlt, gewisse Kuhkacker in die Schranken zu weisen.“
„Du lieber Gott“, murmelte Dan O’Flynn und blickte zur Stollendecke hoch.
„In Ordnung“, sagte Hasard energisch, bevor der Profos und Dan O’Flynn erneut das Thema der Vulgärsprache zu erörtern begannen. „Pater David sei gedankt, daß er freiwillig hierbleibt. Nehmt etwas Proviant mit, Männer, und eure Waffen.“ Er grinste zu Jean Ribault hinüber. „Du siehst, Jean, mit der Ruhe ist es bereits vorbei.“
„Hab’s begriffen, Sir“, erwiderte der schlanke Franzose und grinste ebenfalls. „Du hattest wohl doch was auf der Pfanne.“
„Noch mehr, mein Freund“, sagte Hasard. „Wir werden uns über Langeweile nicht zu beklagen haben.“
Der Kontrast zwischen Potosi und der Bergwelt ringsum war nahezu greifbar – hier quirlendes, lautes Leben, dort schweigende Einsamkeit; hier einmalige Prunkbauten, von Menschenhand geschaffen, dort karge Felsen, zum Teil von bizarren Formen, entstanden in einer Zeit, die man die Schöpfungsgeschichte nennt.
Der Trupp unter Führung von Pater Aloysius bezog am frühen Nachmittag eine Lauerstellung in einer kleinen Schlucht, durch die der Weg nach Miraflores zu den Thermalbädern verlief. Sie waren in einem Bogen – Potosi östlich lassend – nach Nordwesten marschiert. Niemand war ihnen begegnet. Man hätte meinen können, es gäbe kein Potosi.
Die Schlucht verlief von Südosten nach Nordwesten. Felsen vulkanischen Ursprungs begrenzten die beiden Seiten, etwa hundert Fuß hoch, zum Teil nackt oder von Flechten und Moosen bewachsen. Es war ein sonniger Tag, aber ein kalter Wind strich von Süden her über das rauhe Bergland und erzeugte zwischen den Felsen einen singenden Ton, flötenähnlich und von eigentümlicher Wehmütigkeit.
Am Fuß der beiden Schluchtseiten lagen Geröllbrocken, zum Teil groß genug, um dahinter Deckung nehmen zu können. Der Platz war ideal für einen Überfall.
Dan O’Flynn war am Schluchtanfang im Südosten auf einen Felsturm geklettert, von dem aus er den ganzen südlichen Bereich einschließlich der Route nach Miraflores überblicken konnte. Am Nachmittag meldete er das Herannahmen der Sänfte, die wieder von sechs Indios getragen wurde. Eine weichgefederte Prunkkarosse mit prächtigen Pferden wäre dem Dicken mit dem Froschgesicht wahrscheinlich lieber gewesen – weil schneller und aufwendiger –, aber die Route zwischen Potosi und Miraflores war nichts weiter als ein Trampelpfad und völlig ungeeignet für ein Gefährt auf Rädern.
„Keine Knallerei, Leute!“ sagte Hasard noch einmal. „Setzt die Pistolengriffe ein, das genügt. Außerdem sind wir in der Überzahl.“
Die Männer nickten und verschwanden hinter den Steinbrocken – fünf auf der einen und fünf auf der anderen Seite.
Die Sänfte wurde von der vierköpfigen Leibwache und dem Teniente eskortiert. Die Tätigkeit des Teniente bestand darin, die sechs Indios anzutreiben. Er benutzte dazu eine Reitgerte mit einem sehr fein ziselierten silbernen Griffstück. Von dem, was das Ding gekostet hatte, wären vermutlich ein paar Indiofamilien für einige Wochen satt geworden.
„Vorwärts, ihr faulen Hunde!“ krähte der Gockel-Teniente. „Hier wird nicht geschlafen! Schneller, schneller!“ Die Reitgerte pfiff durch die Luft und fetzte über einen Indiorücken, einen aufquellenden Striemen hinterlassend.
Im Vergleich zum Tampen war diese Reitgerte eine höllisch scharfe Sache, dem schnappenden Zubiß einer Schlange nicht unähnlich. Der Indio war zusammengezuckt und hatte einen kurzen Schmerzlaut ausgestoßen.
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