„Affenürsche!“ stieß Paddy plötzlich etwas heiser hervor. Auf seiner Stirn hatten sich schwere Denkfalten gebildet. „Was ist das denn?“
Die Männer lachten. Smoky schaute zu Paddy und sagte: „Na, dann will ich dich aufklären. Das muß sich doch auf Hirsche reimen, klar?“
„Was denn?“
„Na, das mit den Ürschen.“
„Den Affenürschen?“
„Richtig“, erwiderte Smoky „Leuchtet dir das nicht ein?“
„Nein.“
„Paß mal auf“, erklärte Jack. „Sag mal Hirsche und Ürsche, dann fällt dir doch sicher was auf.“
„Ich sage Hirsche und Ärsche, das ist das gleiche“, sagte Paddy störrisch. „Das ist sogar richtig, oder?“
„Nicht, was den Reim betrifft“, versuchte Smoky ihm auseinanderzusetzen. „Ärsche reimt sich höchstens auf Bärsche.“
„Stimmt nicht“, sagte Jeff Bowie. „Es heißt Barsche und nicht Bärsche.“
„Was? Hab’ ich doch auch gesagt!“ stieß Smoky hervor.
„Nein! Und Barsche hat mit Ärsche nichts gemeinsam“, sagte der Kutscher, der sich nun ebenfalls zu ihnen gesellt hatte.
Paddy kratzte sich verzweifelt am Kopf, er war jetzt völlig verstört.
„Das mit den Affenürschen“, sagte er. „Das kann er doch nicht einfach machen.“
„Wer?“ rief Pete Ballie aufgebracht.
„Na, der Profos“, sagte Paddy bestürzt.
„Der macht, was er will!“ brüllte Pete. „Und ich hab’ keine Lust, mich mit Ürschen und Hirschen ’rumzuschlagen!“
„Paddy“, sagte der Kutscher und legte ihm dabei sogar mitfühlend die Hand auf die Schulter. „Nun hör mal gut zu. Man nennt das dichterische Freiheit. Ein Dichter darf auch zu einer Rah Baum sagen, wenn die Verse es so erfordern.“
„Was? Nein!“
„Es ist aber so, und man muß es ihm nun mal durchgehen lassen.“
„Wem?“ brüllte Pete. „Dem Profos? Unerhört!“
Blacky trat zu dem Rudergänger und sagte: „Nun halt aber mal die Luft an, Mister Ballie. Du brauchst dich hier nicht gleich aufzuregen, wenn es um solche Kleinigkeiten geht, nicht wahr?“
Pete sah ihn verdutzt an. „Wer regt sich denn auf?“
„Eins ist jedenfalls sicher“, sagte der Kutscher zusammenfassend. „Unser verehrter Profos ist ein großer Dichter und Poet. Vielleicht wird er mal berühmt.“
„Jetzt versteh’ ich die Welt nicht mehr“, sagte Paddy und zog dabei ein Gesicht, als wolle er mit Mac Pellew, der mit der Miene eines Totengräbers neben ihn getreten war, in Tränen ausbrechen. „Plötzlich sind die Affenärsche zu Affenürschen geworden – das geht doch nicht!“
„Alles Unsinn!“ rief Bob Grey plötzlich. „Ürsche reimt sich höchstens auf Hürsche, hat das noch keiner bemerkt?“
„Ich hab’s gleich begriffen“, erwiderte Hasard junior grinsend.
„Und Potosi reimt sich auch nicht auf Carberry“, fügte Philip junior hinzu.
„Das ist dichterische Freiheit!“ brüllte Pete Ballie.
„Hört jetzt endlich auf!“ schrie Blacky. „Ich habe die Schnauze voll. Merkt ihr nicht, daß ihr spinnt?“
Batuti blickte ihn an und entblößte seine perlweißen Zähne. „Du spinnst wohl nicht, was? Wenn wir schon spinnen, dann spinnen wir alle zusammen.“
„Soll ich den Spruch noch mal wiederholen?“ fragte Smoky mit treuherziger Miene.
„Nein!“ schrie Luke Morgan. „Schluß! Das hält keiner mehr aus!“
Auch auf dem Achterdeck herrschte Frohsinn.
„Sieh mal an“, sagte Ben lachend. „Ed ist wirklich ein Mann, den man so leicht nicht vergißt. Er sorgt auch dann noch für Heiterkeit, wenn er nicht an Bord ist und ihn alle vermissen.“
„Wer vermißt ihn denn?“ fragte Shane.
„Ohne ihn wird’s langweilig“, sagte Ferris. „Warte mal ab.“
„Wir haben aber noch zu tun“, sagte Ben. „Wir werden hier nicht nur rumstehen und Däumchen drehen. Wir haben noch eine Aufgabe, oder habt ihr das schon vergessen?“
Es fiel den Männern jetzt, nachdem genügend über Carberrys „Gedicht“ gelacht und diskutiert worden war, wieder ein: Ein weiterer Vorschlag von Hasard mit einer entsprechenden Empfehlung an Ben Brighton lautete, er möge doch in Erwägung ziehen, den Padres oben im Tal von Tacna bei den Aufbauarbeiten ihrer ziemlich zerstörten Anlagen zu helfen.
Ben Brighton sprach diesen Plan noch einmal mit den Männern durch. „Wir sollten gleich einen Trupp einteilen, der mit der Jolle nach Tacna aufbricht“, erklärte er. „Hasard hat ja auch gesagt, wir könnten unsererseits von dort Proviant beziehen, nicht wahr?“
„So ist es“, bestätigte Smoky. „So vervollkommnen wir unseren Speisezettel, nicht wahr?“
„Hat jemand was an der Kombüse auszusetzen?“ fragte der Kutscher mit ziemlich lauter Stimme.
„Niemand“, erwiderte Ben lachend. „Aber es bietet sich hier eine Gelegenheit, ein wenig Abwechslung zu schaffen.“
„Wir können nicht immer nur Eier essen, und die Hühner legen im Moment auch ziemlich schlecht“, sagte Blacky.
Mac Pellew sah ihn giftig an. „Setzen wir euch etwa nur Eier vor, du Prielwurm?“
„In letzter Zeit nicht, weil die Hühner schlecht legen“, erwiderte Blacky grinsend.
„Los, keine Sprüche mehr klopfen“, sagte Sam Roskill. „Geht’s endlich los? Gut!“ Er spuckte in die Hände. „Es wird Zeit, daß es wieder was zu tun gibt!“
„Sehr richtig!“ rief Ferris. „Ganz abgesehen davon, daß die Wartezeit dann nicht so eintönig ist!“
„Das hab’ ich ja gemeint“, brummte Sam.
„Ein guter Vorschlag“, sagte Big Old Shane. „Ich glaube, die Männer begrüßen ihn auch alle, Ben.“
„Ja.“ Ben ließ seinen Blick über die Gesichter der Männer wandern. „Wer meldet sich freiwillig?“
„Ich als erster!“ rief Sam.
„Alle!“ brüllte Pete Ballie, und schon flogen die Arme hoch.
„Ferris“, sagte Ben. „Du übernimmst die Leitung des Trupps. Stell ihn beliebig zusammen.“
„He!“ schrie Jan Ranse von Bord der „San Lorenzo“ zu ihnen herüber. „Wir haben alles gehört! Nehmt wenigstens ein paar von uns mit! Wir sterben sonst vor Langeweile!“
„Einverstanden!“ rief Ben.
„Wann bricht der Trupp auf?“ wollte Smoky wissen.
„Morgen“, erwiderte Ben. „Heute bleiben wir noch an Bord. Ihr könnt euch also Zeit lassen.“
Ferris stellte in aller Ruhe den Trupp zusammen.
„Smoky“, sagte er. „Du bist auf jeden Fall mit dabei. Schließlich kennst du die Route bereits.“
„He, Ferris“, sagte Sam Roskill. „Vergiß mich nicht. Schließlich habe ich mich als erster gemeldet.“
Der rothaarige Riese grinste. „Gut, einverstanden. Weiter hätte ich gern Roger Brighton und den Kutscher dabei – und Bill.“
„Uns hättest du aber auch gern mitnehmen können“, sagte Philip junior, und sein Bruder Hasard pflichtete ihm mit grimmigem Nicken bei.
„Hier wird nicht debattiert“, sagte Ferris. „Wen ich brauchen kann und wen nicht, das bestimme ich, klar?“
„Aye, Sir“, antworteten sie wie aus einem Mund.
„Kerls, beruhigt euch“, sagte Ferris einlenkend. „Wir lösen uns natürlich ab, und zwar im Drei-Tage-Turnus. Bei der nächsten Schicht seid ihr mit dran.“
Die Mienen der Zwillinge hellten sich wieder auf, und auch die anderen Mitglieder der Crew blickten wieder etwas zuversichtlicher drein. Nichts setzte ihnen mehr zu als die Aussicht, auf unabsehbare Zeit dem absoluten Nichtstun ausgeliefert zu sein.
Sie waren daran gewohnt, zu handeln, und jedes zu lösende Problem gingen sie am liebsten frontal an. Potosi hingegen war ein besonderer Fall. Das hatten sie schon gewußt, als Jean Ribault auf der Schlangen-Insel das Unternehmen zur Sprache gebracht und sie darüber abgestimmt hatten.
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