„Stimmt“, erwiderte Hasard.
Hai, dachte er dabei, Marodeur, elender Galgenstrick, ich weiß genau, was du vorhast, aber ich werde es dir nicht auf den Kopf zusagen, ich will es von dir hören.
Strauchritter, dachte Jean Ribault, während er dem Dicken lächelnd in die Augen schaute, Schnapphahn, Küstenwolf, erbärmlicher Leichenfledderer, der Blitz soll dich treffen, daß du zerspringst.
„Aber Lordadmiral Sir Howard von Effingham, der Oberbefehlshaber der englischen Flotte, hat diesen dreisten Angriff zurückgeschlagen, ja?“ fuhr Bingham fort. „Die Armada ist zerschlagen, ihre Reste irren um die Insel herum, nicht wahr? Wie ist denn die Schlacht im einzelnen verlaufen? War das nicht ein Freudentanz für die englische Nation?“
„Wir haben das nicht so genau verfolgen können“, teilte Hasard ihm eher mürrisch mit. „Wir waren Statisten und haben kaum eingegriffen, während Lord Howard, Sir John Hawkins, Sir Martin Frobisher und Sir Francis Drake die Hauptaktionen leiteten.“ Das entsprach nun ganz und gar nicht der Wahrheit, aber Hasard hatte keine Lust, sich mit seinen Taten zu rühmen und dem Fettwanst die Einzelheiten der Schlacht gegen die Armada auf die Nase zu binden.
„Ach so“, meinte Bingham. „Und warum segeln auch Sie jetzt um die Insel herum, bis an Irlands Küsten?“
Jean Ribault beugte sich ein wenig vor. „Na, nun raten Sie doch mal, werter Richard.“
Bingham hob seine rechte Hand und stieß seinen wurstigen Zeigefinger in die Luft. „Ich hab’s! Sie sind hinter den letzten spanischen Hunden her, um ihnen den Rest zu geben.“
„Gewissermaßen“, bestätigte Jean so freundlich wie möglich.
Hasard griff jetzt nicht ein – bewußt nicht. Er wollte Bingham die Mission verschweigen, die er sich selbst gestellt hatte. Diese Mission lautete, den schiffbrüchigen Spaniern nach Möglichkeit zu helfen. Es war ein Gebot der Ritterlichkeit und der Fairneß, denn einen Gegner, der schon am Boden lag, trat man nicht auch noch mit den Füßen.
So dachte Hasard. So dachte aber bei weitem nicht jeder englische Seemann und Kapitän, wie sich erwiesen hatte.
Bingham nun zählte zu der übelsten Kategorie von Schnapphähnen und Profitgeiern. Hasard hätte ihm am liebsten eine geharnischte Antwort entgegengeschleudert, aber er brauchte den Proviant und das Trinkwasser wirklich, denn bei den Orkneys hatten sie mit ihren eigenen Schiffsvorräten verzweifelten Spaniern aus der Klemme geholfen.
Der Seewolf hatte beschlossen, zum Schein auf Binghams schmutziges „Geschäft“ einzugehen. Genauso sah es auch Jean Ribault. Hasard kannte ihn lange genug, sie brauchten sich in vielen Dingen nicht erst lange abzustimmen, um denselben Weg zu beschreiten oder dieselbe Taktik zu wählen.
Bingham ließ sich auf seinen Sitzplatz zurücksinken und bot auch Hasard und Jean durch eine großzügige Geste endlich an, sich hinzusetzen.
Er strahlte plötzlich über sein pausbäckiges Gesicht, breitete die kurzen Arme aus und sagte: „Das trifft sich ja ausgezeichnet, meine lieben Freunde. Sie tun mir einen kleinen Gefallen, der auf einer Linie mit ihrem eigentlichen Vorhaben liegt, und ich stelle Ihnen dafür reichlich Proviant und Trinkwasser zur Verfügung.“ Er legte eine kleine Pause ein, ließ die Arme sinken, faltete die Hände über dem Bauch und erkundigte sich: „Nun, wie ist es? Werden wir handelseinig?“
Hasard überlegte, bevor er antwortete.
Bingham war, nachdem er den Kaperbrief gelesen hatte, dazu verpflichtet, den Männern der „Isabella VIII.“ und der „Vengeur“ Hilfe zu leisten. Hasard konnte leicht auf seine königlichen Privilegien pochen, die er jetzt genoß. Er konnte sein Recht ausspielen, und Bingham hatte keine Chance, ihn kalt ‚abfahren“ zu lassen.
Aber wie gesagt: Vielleicht war ein solches Verhalten nicht gerade taktisch klug. Vielleicht konnte man den Spanieren, die ihre grausige Odyssee um England und Irland herum fuhren, besser beistehen, wenn man diesen Fettwanst täuschte.
Sir Richard Bingham indes meinte, diesen Killigrew und diesen Ribault durch sein Geschick zu nutzbaren und willfährigen Werkzeugen in seinen Händen machen zu können. Sie sollten ihm helfen, die an der Clew Bay und an Murrisk vorbeisegelnden halbwracken Spanier auszuplündern.
Er war geradezu verrückt darauf. Und ihm standen fast die Tränen der Wut in den Augen, wenn er daran dachte, wie viele Spanier bereits an der Clew Bay vorbeigezogen waren, die eine leichte Beute für ihn hätten werden können.
„Diese Spanier“, sagte er mit verschlagenem Gesichtsausdruck. „Wir sollten sie nicht nur versenken, damit sie ihr Heimatland nicht mehr wiedersehen, wir sollten ihnen auch wegnehmen, was sie noch an Bord ihrer Schiffe mitschleppen. Gentlemen, alles, was sie nach Spanien und Portugal zurückbringen, dient doch letztlich ihrem verfluchten König, diesem Philipp, wieder eine neue Flotte aufzubauen und auszurüsten. Habe ich recht?“
Diesmal war es Jean, der darauf erwiderte: „Sehr richtig, lieber Freund. Vom kriegstechnischen und vernunftmäßigen Standpunkt aus gesehen, ist dem, was Sie eben ausgesprochen haben, nur unter außergewöhnlichen Umständen eine gehörige Portion Schlauheit zu leugnen.“
„Wie?“ sagte Bingham verdutzt.
„Ich meine, was Sie da über König Philipp II. von Spanien gesagt haben, stimmt schon“, entgegnete Jean, ohne dem Dicken zu verraten, wie er über den Rest seiner Worte dachte.
So rechtfertigte Bingham also, was er plante – Spanien zu schaden, wo man konnte. Fehlte nur noch, daß er behauptete, er tue dies für seine Königin, der er treu ergeben sei.
„Mit den wenigen kleinen Schiffen, die Sie im Hafen liegen haben, dürfte ein solches Unternehmen aber scheitern“, sagte nun der Seewolf. „Mit den Einmastern können Sie nur was anfangen, wenn Sie hervorragende Entermannschaften haben, Burschen, die weder Tod noch, Teufel fürchten und reiche Erfahrung im Kapern haben.“
Bingham rang die Hände. „Daran mangelt es mir ja gerade, Freunde. Keiner meiner Untergebenen ist kampferfahren genug, um so was leisten zu können. Meinen Sie denn, ich säße sonst noch hier herum?“
„Und die Iren?“
„Die irischen Bastarde sind dazu sowieso nicht zu gebrauchen“, sagte Bingham verächtlich. „Mit anderen Worten, nur Sie können das erledigen.“
Hasard schlug ein Bein über. „So viele spanische Schiffe wie möglich entern? Darüber läßt sich reden, denn das ist unsere Spezialität. Und wie sieht es mit unserem Anteil aus?“
„Proviant und Trinkwasser, reichlich …“
„Ach. Und Sie glauben, damit begnügen wir uns?“
Bingham rutschte ein Stück auf seinem Stuhl vor und legte die Hände auf das blankgewetzte Pult. „Gold und Silber habt ihr Seewölfe auf euren Fahrten doch genug gerafft. Was ihr jetzt braucht, ist ausreichend gutes Essen, Wasser, Wein, Bier, Whisky – ihr glaubt ja nicht, wie gut es um meine ganz privaten Vorräte bestellt ist.“
Doch, Hasard glaubte fest daran, daß Bingham sich gut eingedeckt hatte, denn wo man den Iren kein Geld und keine Wertsachen entreißen konnte, da nötigte man ihnen eben Naturalien ab, an denen man sich gütlich tun und mit denen man auch einen schwunghaften Tauschhandel betreiben konnte.
„So?“ sagte Jean Ribault. „Habe ich richtig gehört? Sie haben auch Whisky? Etwa den echten irischen, der mit einem ‚e‘ vor dem ‚y‘ geschrieben wird: W-h-i-s-k-e-y?“
„Ja, den.“
Jean blickte zu Hasard. „Also, das sollten wir uns aber wirklich gut überlegen. Da ist doch einiges für uns drin, Hasard.“
„Kann sein.“
Hasard spielte den Zögernden und feilschte noch eine Weile mit Bingham über die Mengen herum, die er forderte, obwohl er dem Dicken am liebsten zwei deftige Maulschellen verpaßt hätte.
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