Sag Josef, was sind das hier für wunderschöne Hausfassaden?
Josef Bratfisch (folgt dem Blick der Kaiserin)
Aja! Das sind die sogenannten „Wienzeilenhäuser“ von Otto Wagner. Die sind ein bisserl nach deiner Zeit gebaut worden und sind sehr bekannt wegen der Wiener Jugendstilarchitektur.
Oh, aber an den Herrn Wagner kann ich mich schon noch erinnern. Seine Pläne waren sehr vielversprechend. Und wie ich seh’, hat er einiges davon umgesetzt.
Josef Bratfisch nickt und deutet auf ein Gebäude nur wenige Meter von ihnen entfernt.
Heute gilt der gute Wagner als einer der bedeutendsten österreichischen Architekten. Sind auch wirklich schön seine Häuser! Schau Sissi, da vorn steht zum Beispiel das berühmte Majolikahaus.
Bewundernd folgt Sissi den Ausführungen des Fiakers und betrachtet interessiert die Werke des berühmten Architekten, als sie plötzlich hinter sich eine laute, weibliche Stimme vernehmen: „Spüst du wieda Reiseführer, Josef?“
Als die beiden sich umdrehen, steht ihnen eine ältere, rundlich gebaute Frau in einem einfachen, altmodischen Arbeitskleid mit einer Schürze darüber und einem Kopftuch, das sie unter ihrem Kinn zusammengebunden hat, gegenüber.
Josef Bratfisch (freudig überrascht)
Des Sopherl vom Nachmarkt! Dich hab ich ja scho’ lang nimmer gesehen! Was machst denn hier?
Na was glaubst denn was i hier moch? Ich muss doch mei Ware verkaufen oder glaubst, des mocht sich von alan?
Sopherl, du hast dich kein bisserl verändert. Bist immer noch eine hantige Standlerin, aber eine mit einem goldenen Herzal.
Der Standinhaberin huscht ein Lächeln übers Gesicht und lässt damit erahnen, dass sich die Worte des Kutschers bewahrheiten. Als die beiden sich aus einer freundschaftlichen Umarmung lösen, fallen Sopherls Augen auf die feine Gesellschaft, in der sie sich befindet.
Geh Josef! Sei a Kavalier und stell ma die Dame vor!
Aber Sopherl, erkennst du net die Kai…
Da wird er von Sissi unterbrochen, als diese der Marktfrau freundlich gegenübertritt, ihr selbstbewusst die Hand entgegenstreckt und somit verhindert, dass der Kutscher einerseits die Verkäuferin ob ihrer Unwissenheit bloßstellt und andererseits, um ihn davon abzuhalten erneut in eine Aufzählung ihrer vielen Titel zu verfallen.
Sissi (mit einem kindlichen Lächeln)
Ich bin die Sissi.
So a liabs Madl! Servus Sissi!
Sissi wirft dem Kutscher einen zufriedenen Blick zu und bringt ihre Freude zum Ausdruck, unerkannt geblieben zu sein.
Liebe Frau Sopherl, erzählen’s mir doch bitte mehr über den Naschmarkt.
Oh mei liabs Kind, übern Naschmarkt gibt’s so viel zum dazähln. Und auch mi gibt’s scho so lang da. Jeden Tag, bei jedem Wetter bin ich bei meim Standl gwesn und hab Obst, Gemüse und Kräuter verkauft. Des war i g’wöhnt und des macht mir a Freud, drum bin i immer no da.
Wir Standlerinnen sind damals sogar richtig berühmt gwordn. Der Vinzenz Chiavacci, a Dichter und Redakteur, hat hunderte Male über mich in der Zeitung g’schriebn. Und so kennt man mi heut’ noch, als des „Sopherl vom Naschmarkt“.
Sissi und der Fiaker lauschen aufmerksam den Erinnerungen der Marktfrau und beobachten gleichzeitig die Menschenmengen, die vom und auf den Naschmarkt strömen. Erst jetzt scheinen sie die vielen wohlriechenden Düfte und Aromen wahrzunehmen, die ihnen von den Ständen aus in die Nase steigen.
Sissi (sehr interessiert)
Sagen’s, Frau Sopherl, hat sich viel verändert hier am Naschmarkt?
Oh und wie! Und guat is so. Warad ja a Schand, wenn alles so blieb, wie’s einmal war. Heut’ gibt’s immer no die heimischen Bauern mit an guaten Käs’, ihrem Obst und Gemüse. Und zusätzlich find’ man jetzt Standln aus vielen andren Nationen. Asiaten, Inder, Türken und andre orientalische Länder. Simmer froh, dass es so is. Am Naschmarkt, da kommt’ halt die Welt zam.
Begeistert von der Vielfalt blicken sich die drei um und schlendern an einigen Ständen vorbei.
Sopherl (wirft aufgeregt ihre Arme in die Höhe)
Ah, da wartet a Kundschaft auf mi! Mei liabe Sissi, mach’s guat und hab no a schöne Zeit!
Sie umarmt die Kaiserin und wendet sich dann Josef Bratfisch zu.
Sopherl (unter vorgehaltener Hand)
Und du pass guat auf unsre Kaiserin auf!
Der Kutscher sieht sie erstaunt an. War er doch der Annahme, dass die Marktfrau nicht wusste, mit wem sie gesprochen hatte.
Schau net so! Hast glaubt i kenn die Kaiserin von Österreich net? Aber i behandel an jeden Menschen gleich. Und i hab gwusst, dass des liabe Kind des a so möcht.
Sopherl (zwinkert dem Kutscher wissend zu)
So jetzt muss i aber wirklich gehn. Macht’s es guat!
Und so verschwindet die robuste Frau im geschäftigen Treiben des belebten Naschmarkts.
Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck steigen der Kutscher und sein Fahrgast wieder auf den Fiaker und setzen ihre Rundfahrt durch Wien fort.

Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.