Der Hader erreichte binnen Kurzem den Höhepunkt.
George Burke warf seinem Mädchen mit wutverzerrtem Gesicht noch etwas an den Kopf, dann schlug er mit der Faust auf den Tisch – gleichsam, um einen Schlusspunkt zu setzen –, sprang auf und verließ die Terrasse.
Bathseba Lane putzte sich mit einem blütenweißen Taschentuch die Nase und griff dann mit einer zornigen, aggressiven Handbewegung nach ihrem Glas, während Burke die Terrassenstufen hinunterlief und die daran angrenzende Mole erreichte.
Mel Kowalski folgte seinem Opfer mit dem Fernglas.
Burke begab sich an Bord seiner Jacht, die er vor drei Tagen für den Rest des Urlaubs gemietet hatte. Er machte alle Taue los und fuhr dann mit rasch zunehmender Geschwindigkeit auf den Atlantik hinaus.
Der Killer setzte das Fernglas ab.
„Mehr entgegenkommen hätte er mir gar nicht können“, brummte er in seinen imaginären Bart. „Dort draußen werde ich mit ihm allein sein. Es wird keine Augenzeugen geben, wenn George Burke stirbt.“
Hastig machte der Vertragskiller der Mafia kehrt. Er stürmte durch das Hotelzimmer und hatte es sehr eilig, zum Bootsverleih zu kommen, denn eine günstigere Gelegenheit, Burke zu beseitigen, würde er wohl kaum mehr haben.
Roberto Tardelli traf auf dem Miami International Airport ein und hatte das Gefühl, in einen Backofen geraten zu sein. Die Sonne glühte vom Himmel. Kein Wölkchen verpatzte das perfekte Blau. Kein Lüftchen verschaffte den schwitzenden Menschen Linderung.
Roberto, ein schlanker, wendiger Bursche Ende zwanzig, dem man nicht ansah, wie zäh er war, steuerte den erstbesten Autoverleihschalter an.
Kurz darauf saß er in einem schiefergrauen Pontiac Firebird, dessen zusätzlich eingebaute Klimaanlage bei geschlossenen Fenstern für eine konstante Temperatur von angenehmen zwanzig Grad sorgte. Das war ein Grund, aufzuatmen.
Miami ist mit Miami Beach und einigen anderen Orten eines der bedeutendsten und modernsten Touristenzentren der Erde. In den Motels, Hotels, Ferienhäusern und Wohnungen ist Platz für mehr als 120.000 Touristen. Und in der Hochsaison ein Betrieb, der einem Hexenkessel gleicht.
Roberto konnte nicht verstehen, dass sich George Burke, der sich doch von seinen Strapazen erholen wollte, ausgerechnet hierher begeben hatte, wo er erholsame Ruhe doch nicht finden konnte.
Burke. Unvermittelt wurden Roberto Tardellis Züge hart. Er war in diesem Augenblick zu jenem Hotel unterwegs, in dem der Staatsanwalt mit seiner Verlobten abgestiegen war.
Nicht eine Sekunde durfte verschenkt werden. Roberto hatte den Eindruck, ohnedies schon verdammt spät dran zu sein.
COUNTER CRIME, die geheime Regierungsstelle, für die Roberto Tardelli als Agent arbeitete, und deren Aufgabe es war, die Mafia mit allen ihren Nebenerscheinungen und Auswüchsen zu bekämpfen, hatte erfahren, dass George Burke von der Cosa Nostra auf die Abschussliste gesetzt
worden war.
Und zwar als Nummer eins!
Es gab den verschleierten Verdacht, dass der Mord an Burke an die Unterorganisation „Black Friday“ delegiert worden war. Deshalb lag die Vermutung nahe, dass Sergio Patana seinen derzeit schlagkräftigen Mann losgeschickt hatte: Mel Kowalski.
Wenn man wusste, wie blitzschnell und eiskalt dieser Killer zuschlug, war klar, dass man in einer solchen Situation nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde vergeuden durfte.
Aus diesem Grund fuhr der Top Agent von COUNTER CRIME auf dem kürzesten Wege zu Burkes Hotel. Er konnte nur hoffen, dass Mel Kowalski seinen Auftrag noch nicht ausgeführt hatte.
Am Strand von Miami Beach reihte sich ein Superhotel an das andere.
Roberto ließ den Pontiac auf dem hoteleigenen Parkplatz ausrollen. Er sprang aus dem Wagen, warf die Tür zu und eilte in den schickesten Glas-Beton-Kasten, den es in weitem Umkreis gab.
Das Fünfsternehotel strahlte eine gediegene, vornehme Atmosphäre aus.
Roberto erfuhr an der Rezeption, dass sich George Burke mit seiner Verlobten auf der Hotelterrasse befand. Er spürte, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel.
Solange der Staatsanwalt mit Bathseba Lane noch in der Lage war, auf der Terrasse einen Drink zu schlürfen, war der Ofen noch nicht aus. Roberto wollte ab jetzt dafür sorgen, dass sich an diesem Zustand auch in Zukunft nichts änderte.
Er trat ins gleißende Sonnenlicht.
Kleine Schweißtröpfchen bildeten sich auf seiner Stirn. Ein gut gebautes Bikinimädchen stelzte an ihm vorbei. Sie hatte sichtlich Langeweile und warf ihm deshalb einen Blick zu, der ihn wissen ließ, dass er von ihr so ziemlich alles haben konnte, wenn es ihm gelang, sie zu zerstreuen.
Er beachtete das Girl kaum. Sein Blick glitt an ihr vorbei. Er streifte rasch Tisch für Tisch und entdeckte schließlich Bathseba Lane. Sie war allein. Das gefiel Roberto ganz und gar nicht. Wo war der Staatsanwalt? Roberto suchte die restlichen Tische nach Burke ab, doch ohne Erfolg.
Das Bikinipüppchen blieb stehen und blies den Brustkorb auf, als wollte es den winzigen BH sprengen.
Roberto schob sie kühl zur Seite. „Gestatten Sie. Darf ich vorbei?“
Das war zu viel für die Kleine. Sie schwirrte wütend ab und würde wohl eine ganze Weile brauchen, um ihr Selbstvertrauen wiederzufinden.
„Miss Lane“, sagte Roberto, als er Bathsebas Tisch erreicht hatte.
Sie hob den Kopf.
Bathseba Lane war eine Augenweide. Rundherum üppig, aber nicht fett, blond und blauäugig. Sie trug weiße Shorts, die verdammt knapp saßen, und einen zyklamenfarbenen Blouson, den sie wegen der Hitze so weit wie gerade noch vertretbar offen gelassen hatte.
„Und wer sind Sie?“, gab das hübsche Mädchen mit einer wohlklingenden Stimme zurück. Roberto erkannte in ihren Augen, dass sie beschwipst war. Ihr Blick war glasig, und ihre Zunge huschte immer wieder über die vollen, sinnlichen Lippen.
„Mein Name ist Tardelli. Roberto Tardelli.“
Bathseba wies auf George Burkes Stuhl. „Wollen Sie sich zu mir setzen, Mr. Tardelli? Dann brauche ich keine Selbstgespräche mehr zu führen.“
Roberto nahm Platz. „Ich muss dringend mit Ihrem Verlobten sprechen, Miss Lane.“
„Wenn Sie möchten, dürfen Sie mich Bathseba nennen“, erwiderte das Mädchen und musterte den dunkelhaarigen jungen Mann eingehend. Sie war von dem, was sie sah, sichtlich angetan. Da war plötzlich ein Ausdruck in ihren großen blauen Augen, der Roberto sagte, dass er sich vor Bathseba in Acht nehmen musste.
Burke war zu bedauern. Dieses Mädchen würde ihm nie ganz allein gehören.
„Würden Sie mir bitte sagen, wo sich Mr. Burke befindet, Miss Bathseba?“, sagte Roberto eindringlich.
Burkes Verlobte zuckte mit den Achseln. Sie schob die Unterlippe trotzig vor. „Wir hatten unseren ersten größeren Streit, seit wir verlobt sind. Als George wegging, beschloss ich, mich zuerst zu betrinken und mich dann dem erstbesten Mann an den Hals zu werfen, der mir über den Weg läuft.“ Bathseba kicherte. „Sie haben Glück, Roberto. Ich bin zwar noch nicht so voll, wie ich es gern sein möchte, aber dafür sind Sie genau der Typ, in dessen Armen ich den Ärger mit George zu vergessen gedenke.“
Roberto schluckte. „Das ist gewiss sehr schmeichelhaft für mich, Bathseba, aber ...“
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