Sind wir nicht alle ein bisschen blaublütig?
… Schließlich sind wir von diesem Planeten, die Christel von der Post, der Mann von der Tankstelle, manchmal aber auch von gestern. Leider benimmt man sich nicht immer »blaublütig«.
»Liebling, warum lässt du dich so gehen«, möchte ich manchmal fragen. Warum? Weil’s scheen macht, weil man einfach mal aus dem Standardmuster ausbrechen muss, etwas rumblödeln muss, um wieder ernst zu sein. Das Beste beim nach Hause kommen? BH ablegen und erst mal kalt duschen. Reginald schenkte mir einen batteriebetriebenen Minipropeller (für einen Euro). Herrlich!
»Zurück in die Vergangenheit« oder die »schwarzen Löcher«
Ich kann sie nicht sehen, die schwarzen Dinger, geschweige denn mir schwebende Sphären vorstellen. Reginald kann das. Er ist erquickt von der Zeitverschiebung. Nehmen wir nur den gregorianischen Kalender. Die Abweichung zum Sonnenkalender beträgt immerhin elf Minuten und vierzehn Sekunden. Diverse Kardinäle im 16. Jahrhundert befassten sich mit deren zeitlicher Festlegung, auf welches Kalenderdatum dies fallen sollte. Im Geburtsjahr meines Sohnes erschien eine Sonderbriefmarke zu dem Thema. Was man mit dieser gewonnenen Zeit so anstellen könnte? Sex. Genau das ist es auch, was mir dazu einfällt. Hätte man diese Zeit, ich würde sie kuschelnd und küssend verbringen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Dinge sich erst viel später erschließen, die einige Zeit zurückliegen. Das Beste zuerst – das Beste zum Schluss? Ach nö, es muss ja nicht immer das Größte und Beste sein. Aber auch nicht gerade der »Rest«.
Ich frage mich manchmal, wie wir früher alles geschafft haben. Mal wieder keine Zeit? Bis zur letzten Minute im Bett geblieben, alles läuft nach der Uhr, es darf heute nichts dazwischenkommen. Gott sei Dank sind 2 Toiletten vorhanden (Stereo). Schnell noch ein Käffchen im Stehen, wir nennen das »Stehpiepe«. Jeden Morgen dasselbe Dilemma. Langsam ist irgendwie anders. Hektischer Start in den Tag, das Chaos war vorprogrammiert. Nur Reginald hat wieder die totale Ruhe. Fleißig studierte er jede »Letter« der Tageszeitung so, als ob die Zeitung irgendwie ausgelesen wäre. Ich sagte dann: »Die Zeitung hat schon Löcher«, dann wusste er, wir müssen mal wieder los. Heute ist das anders. Je ruhiger der Tag startet, desto gut gelaunt bin ich.
Abendstimmung
Ich schau aus dem Fenster, oh welche Ruh. Die Lichter im Dunkel, ich höre zu. Im Gebüsch eine Grille, sie zirpt ganz allein. Ich träum ganz versunken und denk, was wird wichtig nun sein. Schatz, komm ins Bett, hör ich‘s sagen. Ganz langsam, ohne Hast. Cheri, hörst du die Kirschen platzen?
Endlich kam Dolores nebst sympathischem Gatten angereist. Wir hatten wie immer viel zu erzählen. Die Chemie zwischen unseren Männern stimmte auch. Was will man mehr. Für den ersten Abend hatte ich etwas gekocht, wir saßen bis Mitternacht im Freien bei Wein und Ziegenkäse mit Feigenmarmelade. Reginald entpuppte sich als »Stadtführer«. Wieder entdeckte ich eine seiner Qualitäten. Danach genossen wir nur noch das »Lotterleben«. Wir zogen von Italiener zu Italiener. Der Beste ist immer der, der das perfekte Bruschetta kreiert. Nach einer halben Stunde Spaziergang ertappten wir vier uns schon wieder beim Käffchen. Das Gitarrenkonzert »Alhambra« der Villa Musica auf einem nahen Schloss mit spanischen und deutschen Klängen war unser Highlight. Die in goldenen Satin gehüllte, charismatische Künstlerin beherrschte absolut ihr Handwerk. Mit geschlossenen Augen und nur mit dem Herzen ohne Noten spielte sie für uns ein kleines Wunder in Tönen. Sie erklärte die Stücke und spielte »… ein rauschendes Bächlein …«, welches man durchaus als solches virtuos erkennen konnte. Die Legende besagt, dass ein Buhle im Mittelalter seiner Liebsten ein Stück schrieb und vor dem Fenster darbot – mit Liebesbotschaft »Ich bin hier«. Rührend schön. Danach ging‘s dann zu unserem gekürten »Lieblingsitaliener« mit Lieblingsterrasse zum Salat, und flambierter Pasta al dente im Parmesanlaib an Steinpilz. So ließen wir unser Treffen ausklingen. Es war schön. Doch vor das Schlemmen hat Gott die Arbeit gesetzt. Es war ein langer, schöner Tag. Wir saßen vorm Fernseher und begrüßten den »Wetterfrosch«, mit dem wir im Wohnzimmer kommunizieren. In Gedanken war ich jedoch momentan ganz woanders. Ich sinnierte auf meiner Sonnenliege, der Rosenduft streifte meine Nase und ich dachte zurück an die erste Begegnung mit Henning und wollte sagen: »Wir beide beginnen ganz neu. Viele Umwege sind wir gegangen, haben gemeinsam die Stille gespürt, gehört. Du, mein Sonnenschein. Ich umarme dich mitten in der Stadt, komme auf dich zu gerannt vor Glück, dich wieder gesund zu sehen. Siebenmeilenstiefel möchte ich haben. Endlich wieder die vertrauten fantastischen Gefühle leben. Meine Antennen sind ganz auf Empfang. Wo waren wir stehengeblieben? Es war der Tag, als die Margeriten blühten. Unsere Augen haben sich immer gefunden, wenngleich ich immer an deinen Lippen hängen blieb, weil du so groß bist. Auch ich habe dir irgendwie gutgetan, denn du hast es geschafft. Der Abschied nachts auf unserem Berg war wohl zu früh. Eines Tages, zur richtigen Zeit, werde ich dein sein. Inspire me.«
Zeit
Du fragst mich, ob ich Zeit habe. Doch frag nicht zu laut, zu oft. Eisig ist die Zeit. Aller Elemente Ewigkeit. Berührt mein Herz. Getaucht in ferner Welten Glanz. Eine Kapuze voll Erinnerung. Wohlerkannt im jetzigen Gefühl. Halte ein, bis ich soweit. Licitum est – es ist erlaubt, erlaubt, was wir fühlen .
Das war doch mal eine tolle Nachricht. Du fragtest, ob ich Zeit hätte. Ja, ich nehme sie mir. Dein Gang ist noch immer sehr männlich. Ich denk den ganzen Tag nur an dich. »Später, Marie!«
Na, so ganz taufrisch ist er auch nicht mehr, aber Sie wissen ja, frisch gewaschen ist immer fast wie neu. Oder? In meinem kleinen privaten Büro war ich heute wohl etwas fusselig. Peng, der Toner verstreute sich auf dem Fußboden. Ich dachte an den Schornsteinfeger. »Bringt doch Glück«, redete ich mir ein. Ja, die Seife habe ich heute gebraucht. Ich glaub, heute fasse ich nichts mehr an, außer dem Telefonhörer, versteht sich. Reginald ist abends dran mit Kochen. Es gibt ein indisches Reisgericht mit Käse, Banane, Filet, Kokosmilch, Curry und scharfen Sachen.
Ich war eigentlich nur auf dem Wochenmarkt, um zarte Wachsböhnchen und Eier zu kaufen. Meine Bekannte, Rosi, bereits »frisch gebackene Rentnerin«, lud mich auf ein Frühstück ein. Wir suchten den Schatten und saßen mitten am Straßenrand, unsere halben Brötchen zum Kaffee genießend. Das tat richtig gut, mal zu reden, was wir beide in den letzten Wochen erlebt hatten. Taufe, Tod, Strickmuster, Frisör, mal wieder alles dabei an »Themchen«. Leider war noch keine Tageszeit für ein Glas guten Rotwein. Mit echtem Korken. Finde dieses Material toll. Faszinierender nachwachsender Rohstoff aus der Natur und ein hervorragender Dekoartikel in großen Glasbehältern. Dann ist da noch dieser überraschende »Blupp« beim Öffnen der Flasche. Wir hatten etwas die Zeit vergessen und trennten uns für unsere geplanten Einkäufe.
Diesmal spielte das Wetter leider einen »Streich«. Dafür waren wieder mal alle wichtigen Leutchen gekommen. Josefine singt Sopran. Daher wird sie oft für diverse Anlässe gebucht. Ich bekam zum 40. auch ein tolles Ständchen von ihr: »The Rose« von Amanda McBroom aus 1979. Das Lied gibt es in vielen Versionen. Stilvoll hat sie uns wieder von der Vorspeise bis Nachspeise alle Gänge kredenzt. Sie muss wohl einen halben Tag nur geschnippelt haben. Lecker. Zu vorgerückter Stunde wurden auch wir immer »verrückter«. Wir tanzten Sirtaki über die Terrasse, um uns warm zu halten. Dann gab‘s tatsächlich als Jackenersatz die geblümte Bettwäsche. Wir hatten wieder sehr viel Spaß.
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