Jeder ist berufen, Mentor zu sein: Wir werden als Kinder großgezogen, damit wir Eltern werden.
1Erik Johnson, How to Be an Effective Mentor, Christianity Today 21, 2000, S. 36. Internetquelle: www.christianitytoday.com/biblestudies/areas/biblestudies/articles/le-2000-002-5.36.html (Zugriff Januar 2007).
2Ebd.
3Etwa: „In Verbindung leben. Die Mentorenbeziehungen, die Sie brauchen, um im Leben Erfolg zu haben“ – Anm. d. Übersetzers .
4Paul D. Stanley / J. Robert Clinton, Connecting: The Mentoring Relationships You Need to Succeed in Life, Colorado Springs, CO 1992, S. 11.
5Ebd.
Kapitel 2: Geistlich investieren
Geistliche Kinder sind unser Erbe.
Wäre es nicht toll, wenn jemand Ihr Potential in Christus erkennen und sich entschließen würde, in Ihr Leben zu investieren? Was, glauben Sie, würde passieren, wenn sich mehr Christen für geistliche Elternschaftsbeziehungen zur Verfügung stellten?
Mein Freund Don Finto, langjähriger Hauptpastor der Belmont-Gemeinde in Nashville/Tennessee, hat eine große Leidenschaft dafür, jüngeren Männern im geistlichen Dienst ein Vater zu sein. Einer der berühmteren seiner „geistlichen Söhne“, der Sänger und Musiker Michael W. Smith, sagt, dass das eine tiefgreifende Auswirkung auf sein Leben gehabt habe:
Ich glaube nicht, dass ich da wäre, wo ich heute bin, wenn Don nicht gewesen wäre. Ich habe alle seine Briefe aufgehoben. Er hat mich auf so vielfältige Weise ermutigt im Blick auf mein Selbstvertrauen und darauf, wer ich im Herrn bin. Er hat Sachen aus mir rausgeholt, die sonst keiner rausholen konnte. 1
Wirklich, wir haben heute in der Gemeinde Jesu ein enormes Potential für Beziehungen wie die zwischen Don und Michael. Gänse fliegen in V-förmigen Formationen, weil dabei eine Aerodynamik entsteht, die es den Vögeln ermöglicht, mehr als siebzig Prozent weiter zu fliegen, als wenn sie jeder für sich unterwegs wären. Der Flügelschlag jedes Vogels produziert Auftrieb für den jeweils dahinter fliegenden. Wird der Vogel, der vorneweg fliegt, müde, dann wechselt er die Position und ordnet sich weiter hinten in der Formation ein. Die Gänse kommen sehr viel weiter, indem sie zusammenarbeiten. Genau darum geht es in einer geistlichen Elternschaftsbeziehung: Auch kommen wir geistlich sehr viel weiter, wenn wir in familienartigen Einheiten zusammenarbeiten, um die Welt zu erreichen.
Ein geistliches Vermächtnis hinterlassen
Haben Sie schon einmal von den Shakers („Schüttlern“) gehört? Die Shaker waren eine religiöse Gruppe, deren Blütezeit im frühen 19. Jahrhundert lag und die im Osten der Vereinigten Staaten große Gemeinden aufbaute. Shaker nannte man sie, weil sie den speziellen Brauch pflegten, während ihrer Versammlungen ins Zittern zu geraten.
Heute sind die Shaker Geschichte. Die letzte und sichtbarste Spur dieser Leute sind die schlichten, solide gearbeiteten Möbel, die sie hergestellt haben. Wie kam es, dass diese einst blühende Gruppe so rasch ausstarb? Weil die Shaker an den Zölibat glaubten und ihn über die Ehe stellten. So konnten sie sich kaum vermehren. Schon bald verloren sogar die religiösen Erweckungen, die dem Shakertum viele Neubekehrte zuführten, an Schwung, und im späten 19. Jahrhundert kam es zum Niedergang der Gruppierung.
Wenn wir keine Kinder in die Welt setzen, wird unser Vermächtnis ausgebremst und wir haben eben keine Nachkommenschaft, ganz ähnlich wie die Shaker . Wenn es keine geistlichen Väter und Mütter gibt, die die nächste Generation großziehen, laufen wir ernstlich Gefahr, auszusterben. Dann bleibt nichts weiter übrig als religiöses Mobiliar, das man irgendwo in einer Ecke aufstapelt und von Zeit zu Zeit mit ebenso nostalgischen wie wehmütigen Gefühlen bewundert.
Meine erweiterte Familie versammelt sich jedes Jahr zu einem Familientreffen: Tanten, Onkel, Brüder, Schwestern, Cousins und Kusinen, Neffen und Nichten, allesamt Leute, die eine Verbindung zum Kreiderschen Familienstammbaum haben. Als meine Großeltern noch lebten, konnte ich beobachten, wie sie sich bei diesen Familientreffen immer wieder verschmitzt ansahen. Sie wussten, dass es uns alle nur ihretwegen gab, und ihre Nachkommenschaft versammelt zu sehen, verschaffte ihnen eine tiefe Befriedigung.
Der Herr möchte geistliche Familien sehen, die sich fortwährend von Generation zu Generation reproduzieren. Der Apostel Paulus dachte über vier Generationen hinweg, als er Timotheus seinen Sohn nannte und ihn ermahnte, sich seinerseits vertrauenswürdige Männer auszusuchen, an die er weitergeben konnte, was Paulus ihm anvertraut hatte: „… was du [zweite Generation] von mir [erste Generation] in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Menschen an [dritte Generation], die tüchtig sein werden, auch andere [vierte Generation] zu lehren!“ (2 Tim 2,2). Paulus dachte an sein geistliches Vermächtnis und sprach als geistlicher Vater zu seinem Sohn, von dem seine geistlichen Enkel und Urenkel kommen sollten. Die gesamte Bibel ist mit einer Familienperspektive geschrieben. Für Paulus war es ganz natürlich, in der Kategorie geistlicher Nachkommenschaft zu denken, denn die biblische Gesellschaft war in Familienverbänden organisiert. Das hatte Gott so gewollt. Er hat eine Generationenperspektive, und auch wir müssen diese Sicht einnehmen.
Das eigene Erbe multiplizieren
Gott hat uns berufen, in unserer Generation geistliche Väter und Mütter zu werden. Damit verbindet sich die Erwartung, dass unsere geistlichen Kinder wieder ihre eigenen geistlichen Kinder hervorbringen werden und diese wieder andere, sodass sich unsere Nachkommenschaft beständig vermehrt.
Ihr Erbe wird aus all den geistlichen Kindern bestehen, die Sie eines Tages Jesus Christus werden vorstellen können. Egal, welcher Arbeit Sie nachgehen, ob Sie nun Hausfrau, Student, Fabrikarbeiter, Gemeindepastor, Missionar oder Chef eines großen Unternehmens sind, auf Ihnen liegen der Segen und die Verantwortung von Gott her, geistliche Kinder, Enkel und Urenkel zu gebären. Sie sind berufen, anderen das reiche Erbe weiterzugeben, das Gott verheißen hat.
Während meiner Dienstzeit als Pastor wurde ich einmal gebeten, ein Trainingsseminar zu halten, um Gemeindeleiter zu wirkungsvollen geistlichen Vätern und Müttern zuzurüsten. Veranstaltungsort des Seminars war eine seit vier Jahren bestehende Gemeinde unter dem Pastorat von Daren Laws in Lincoln, Kalifornien. Was ich dort erlebte, begeisterte mich. Über achtzig Prozent der Gemeindemitglieder waren neubekehrt. Selbst der Bürgermeister und seine Frau waren zum Glauben an Jesus gekommen. Die quicklebendige Gemeinde umfasste bereits 600 Menschen und legte ihren Schwerpunkt darauf, geistliche Väter und Mütter zu trainieren, damit sie jungen Christen dienen konnten. Daren und seine Mitarbeiter konzentrierten sich nicht auf Gemeindeprogramme, sondern auf Jesus und auf geistliche Elternschaft.
Wenn jemand zu Jesus kam, wurde er sofort zu einer Hauskirche (bzw. Kleingruppe) eingeladen. Dort wurde der neue Christ durch Beziehungen in den Leib Jesu eingebunden. Ein geistlicher Vater oder eine geistliche Mutter nährte den neuen Gläubigen so lange, bis er selbst Vater oder Mutter in Christus sein konnte. So wurde eine neue Generation von Gläubigen geboren! Diese kalifornische Gemeinde weiß, wie sie ihr Erbe vervielfachen kann.
Mir gefällt die Reaktion Abrahams, als der Herr ihm die Sterne am Himmel zeigte und ihm Nachkommen so zahlreich wie diese Sterne versprach: „Und er [Abraham] glaubte dem HERRN“ (Gen. 15,6). Was glaubte er dem Herrn? Dass er ihm ein Erbe verschaffen würde! Auch wir müssen „dem Herrn glauben“, dass er uns viele geistliche Kinder geben will. Wir dürfen Gott zutrauen, dass er es tut. Vielleicht verwirklicht es sich nicht über Nacht, aber wenn wir auf Gottes Treue vertrauen und unserer Berufung zur geistlichen Mentorenschaft gehorchen, wird es geschehen.
Читать дальше