"Verdammt!", brummte Maleficius.
Bei Schlangen das Gift abzumelken war eine hochgefährliche Tätigkeit, die volle Konzentration erforderte.
Die kleinste Ablenkung konnte tödlich sein.
Schüsse krachten. Bewaffnete mit Sturmhauben drangen aus zwei Richtungen in den hallenartigen Raum ein. Auch aus den angrenzenden Korridoren waren Schüsse zu hören.
Außer Maleficius selbst waren noch ein halbes Dutzend weiterer Kuttenträger im Raum. Die meisten waren an den großen Terrarien beschäftigt, die sich auf ehemaligen Labortischen befanden.
Schlangen und Giftspinnen waren in diesen Glaskästen zu finden. Mit den Giftsubstanzen, die diese Tiere absonderten, hatte Maleficius seit Jahren experimentiert.
Die Eindringlinge schossen wild um sich.
"Keine Bewegung!", rief jemand.
Einer der Kuttenträger hielt sich nicht daran. Er vollführte eine ruckartige Bewegung. Der Lauf einer Pistole ragte unter dem Ärmel seiner Kutte hervor. Doch er kam nicht zum Schuss. Eine Kugel fetzte ihm in den Oberkörper. Er sank zu Boden und blieb regungslos liegen.
Ein weiterer Schuss traf die Schlange.
Sie drehte einen Salto und blieb regungslos liegen.
Maleficius erstarrte und hob die Hände. Eine andere Wahl blieb ihm und seinen Leuten nicht. Die Übermacht war einfach zu groß.
Die Maskierten packten die Kuttenträger, warfen sie zu Boden. Mancher bekam einen Schlag mit dem Pistolengriff oder dem Schaft eines Sturmgewehrs.
Einer der Kerle trat Maleficius schmerzhaft in die Seite.
Augenblicke des Schweigens vergingen.
Sie erschienen Maleficius quälend lang.
Schließlich waren die klappernden Schritte von Lackschuhen zu hören.
"Wer von euch ist Maleficius?", fragte eine Stimme.
Die Maskierten rissen den Kuttenträgern die Kapuzen vom Kopf.
"Hier ist er, Mister Montalban!", rief der Kerl, der in Maleficius Nähe stand. Maleficius wurde gepackt und auf die Füße gestellt.
Dirty Rick Montalban trat auf ihn zu. Er musterte das vernarbte Gesicht des Satanistenführers. Es sah furchtbar aus.
"Wie bekommt man so ein Gesicht?", fragte El Columbiano. "Madre de Dios, es sieht aus, als hätte dich der Herr der Finsternis persönlich gestraft!"
"Ich habe vor ein paar Jahren mit Säuren experimentiert", sagte Maleficius.
"Kannst du dir denken, warum ich hier bin?"
"Sie werden es mir sicher sagen..."
Dirty Rick ließ seine Faust vorschnellen. Sie bohrte sich in Maleficius' Magengrube. Der Satanistenführer ächzte.
Zwei der maskierten Mobster hielten den Narbigen fest. Rick ließ noch eine Rechts-Links-Kombination folgen.
Dann rieb sich der große Boss die Fingerknöchel.
"Es ist lange her, dass ich so etwas selbst gemacht habe", sagte er. "Aber in deinem Fall verschafft es mir Genugtuung. Du bist ein Stück Dreck und ich werde dich so behandeln. Leute wie du faseln viel von der Hölle und solchen Dingen. Aber ihr wisst nicht, was die Hölle ist. Ich kann dir versichern, du wirst sie bald kennen lernen, wenn ich keine vernünftigen Antworten von dir bekomme."
In Maleficius' zerstörtem Gesicht leuchtete pure Angst.
"Was wollen Sie?"
"Es geht um meine Tochter. Ich möchte wissen, warum sie sterben musste. Versuch nicht drum herum zu reden. Meine Leute haben eine junge Frau namens Francine auf sehr intensive Weise befragt. Ich weiß alles. Bis auf den Grund."
Rick Montalbans Stimme klirrte wie Eis. Kalte Grausamkeit stand in seinem Gesicht.
"Es war ein Unfall, Mister Montalban. Wirklich! Sie wollte das Eingangsritual durchlaufen, aber wir wussten nicht, dass sie überempfindlich auf..."
Rick schnipste mit den Fingern.
Einer der Maskierten warf ihm eine Pistole zu. Der Kolumbianer fing sie sicher auf. Er legte an, zielte kurz auf Maleficius' Knie und drückte ab.
Der Satanistenführer schrie auf, sank zu Boden. Blut floss auf den grauen Beton.
"Ich sagte doch, was passiert, wenn mich deine Antworten nicht zufrieden stellen." Ein zynisches Lächeln erschien auf Rick Montalbans Gesicht. "Was glaubst du perverser Satansanbeter wohl, wie viel Blei ein Mensch aushält?"
"Mister Montalban..."
"Ich mach dich so fertig, wie nicht einmal so ein Schweinehund wie du sich das vorzustellen vermag. Jedes Detail möchte ich wissen. Warum habt ihr meine Tochter entführt und sie getötet, bevor es überhaupt die Möglichkeit einer Geldübergabe gegeben hätte?"
"Es gab keine Entführung!", stieß Maleficius hervor. "Es sollte nur der Anschein erweckt werden."
"Wer sollte so einen Schwachsinn veranlassen?"
"Ein paar Leute, die sie gerne in ihrer Hand haben wollten, Mister Montalban."
Auf der Stirn des Kolumbianers erschien eine tiefe Falte. Er schien einige Augenblicke lang nachzudenken.
Einer seiner Männer nahm ein Walkie-Talkie ans Ohr.
"Mister Montalban!", unterbrach der Maskierte anschließend das unmenschliche Verhör.
Der Kolumbianer drehte sich herum. "Was gibt es?"
"Unsere Leute haben draußen ein paar Personen aufgegriffen. Sie hatten Sprengstoff und Waffen dabei. Einer von ihnen..."
"Herein mit ihnen!", rief der Kolumbianer.
Der Maskierte gab den Befehl seines Bosses sofort über Funk weiter. Augenblicke später wurden fünf Personen in den Raum geführt. Vier Mann und eine Frau. Ihre Hände waren auf dem Rücken mit Kabelbindern zusammengebunden.
Einen der Männer starrte El Columbiano vollkommen entgeistert an.
Montalban glaubte seinen Augen nicht zu trauen.
Der Kinnladen fiel ihm herunter und er vergaß für ein paar Augenblicke, seinen Mund wieder zu schließen.
"José!", stieß er hervor.
"Mí Padre! Dad! Deine Söldner scheinen mich nicht zu kennen. Sag Ihnen, dass sie mich losbinden sollen."
"Was tust du hier, José?"
"Dad, diese Kabelbinder tun verdammt weh an den Handgelenken!"
"Ich kann Ihnen einiges über Ihren Sohn sagen, das Ihnen nicht gefallen wird!", rief der am Boden liegende Bruder Maleficius.
Josés Gesicht verzog sich zur Grimasse. Er wollte losstürzen, um dem Satanistenführer zum Schweigen zu bringen. Auch gefesselte Hände konnten ihn davon nicht abhalten.
Ein paar der maskierten Killer, die der Kolumbianer engagiert hatte, sprangen hinzu und hielten ihn fest.
Rick Montalbans Gesicht war zu einer starren Maske geworden. "Scheint, als würde das heute so etwas wie der Tag der Wahrheit", murmelte er zwischen den Zähnen hindurch. Sein Mund glich dabei einem dünnen, geraden Strich.
Der Telefonanschluss, zu dem die Nummer aus José Montalbans gehörte, war schnell identifiziert. Sie gehörte einem sogenannten Tempel der Dunkelheit in 432 Minnesota Road, Yonkers. Eine sogenannte "Darkness Foundation" war als Besitzerin des Grundstücks ausgewiesen. Dahinter steckte wahrscheinlich die Satanistensekte jenes Mannes, der sich Maleficius nannte.
Einheiten des Yonkers Police Department und der State Police des Staates New York wurden verständigt und sorgten dafür, dass das Gelände um die Minnesota Road weiträumig abgesperrt wurde.
Clive, Orry, Milo und ich flogen mit einem unserer FBI-Helikopter zum Ort des Geschehens.
Über Funk wurden wir ständig durch den Einsatzleiter der Yonkers Police auf dem Laufenden gehalten.
Der sogenannte "Tempel" lag in einem Gewerbegebiet.
Es handelte sich um ein ehemaliges Fabrikgelände, das die Sekte offenbar für ihre eigenen Zwecke umfunktioniert hatte.
Der gesamte Komplex bestand aus einem zweistöckigen, quaderförmigen Gebäude und mehreren großen Garagen. Ein weiträumiger Parkplatz umgab den "Tempel".
Das Gelände war durch die Kollegen vor Ort eingekreist worden.
Eine Reihe von Fahrzeugen standen dort. Außerdem bewaffnete Wächter mit Sturmhauben. Eine schwarze, überlange Limousine fiel uns auf. Per telefonische Fernabfrage ließen wir uns den Wagenhalter durchgeben.
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