„Na, ich fahr dem ja scho seit Uehlfeld hinterher“, erklärte Horst Jäschke, „der is solche Schlangenlinien gfoahrn, dass ich mich net amol überholn hab traut.“
„Könna Sie des bezeugen?“, wollte der Beamte wissen.
„Jederzeit!“
„Derf ich dann noch Ihre Personalien aufnehma?“
„Jederzeit!“, antwortete Horst Jäschke erneut. „Des is ja auch meine Bürgerpflicht, die Polizei zu unterstützen.“ Er war hochzufrieden mit sich selbst. Es hatte sich gelohnt, dass er dem Hornauer gefolgt war, als der ihn am frühen Abend kurz nach Gremsdorf mit Hundert überholt hatte, obwohl dort nur siebzig Kilometer pro Stunde erlaubt waren. Als der Dicke in Uehlfeld im Brauerei Gasthof Zwanzger verschwunden war, witterte er seine große Chance, denn der Hornauer war dafür bekannt, dass er gerne mal einen über den Durst trank, auch wenn er mit dem Auto unterwegs war. Okay, er hatte Stunden mit Warten zugebracht, aber je länger es dauerte, desto mehr wuchs seine Zuversicht, dass sich der kleine Rambo ordentlich angesoffen ans Steuer setzen würde. Seine Rechnung ging auf. Eines würde er daheim noch tun, bevor er zu Bett ging: Er würde seinen Kontakten bei den „Nordbayerischen Nachrichten“ und beim „Fränkischen Tag“ noch eine E-Mail mit ein paar Fotos und einem Kurzkommentar schicken. Er spürte, wie das Adrenalin immer noch in ihm wütete.
Am Samstag, den 16. August 2014 berichteten die Nordbayerischen Nachrichten auf der ersten Seite des Regionalteils:
Schwere Alkoholfahrt – Ampel umgefahren
Kostet die Alkoholfahrt dem Vorstandsvorsitzenden der Genossenschaft Aischgründer Spiegelkarpfen Amt und Ansehen? Mit 2,5 Promille Ampel umgefahren und Polizeibeamte bedroht.
Zu einer spektakulären Verfolgungsjagd kam es in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Nachdem die Landpolizei Höchstadt an der Aisch einen anonymen Anruf erhalten hatte, in dem der Hinweis auf eine Alkoholfahrt gegeben wurde, gingen zwei Beamte des Streifendienstes der Sache nach und legten sich im Stadtgebiet auf der Bundesstraße 470, auf Höhe des örtlichen OBI-Marktes, auf die Lauer. Es dauerte keine zehn Minuten, als sich der gemeldete VW Tiguan mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit der Verkehrskontrolle näherte. „Als uns der Fahrer gesehen hatte, bremste er erst leicht ab“, wird einer der beteiligten Beamten, Polizeihauptwachtmeister Max Wunderlich zitiert, „dann plötzlich gab er Gas und fuhr direkt auf mich zu. Wenn ich nicht in den Straßengraben gesprungen wäre, hätte er mich überfahren. Wir verfolgten ihn dann bis Gremsdorf, dort fuhr er bei der Abbiegung nach Krausenbechhofen die Ampel um. Als ich ihn dann aus dem Auto herauszog, wurde er auch noch frech und bedrohte mich.“ Wie sich anschließend herausstellte, handelt es sich bei dem Unfallverursacher und Alkoholsünder um keinen Unbekannten im Landkreis. Erst Anfang der Woche feierte er mit hoher, lokaler Politprominenz einen spektakulären Erfolg seiner Genossenschaft Aischgründer Spiegelkarpfen, welche aufgrund seiner Initiative mit einem wertvollen Qualitätszertifikat für den Aischgründer Spiegelkarpfen ausgezeichnet wurde. Nun stellt sich natürlich die Frage, welche Konsequenzen die Alkoholfahrt für Josef H. haben wird. Wäre es verträglich, wenn er seine Aufgabe als Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft beibehalten würde, oder ist er auf dieser Position nicht länger tragbar? Wir haben versucht, vom stellvertretenden Vorsitzenden, Waldemar Keller, hierzu eine Aussage zu erhalten, die uns aber leider versagt wurde. Der Alkoholfahrer wurde am Donnerstagmorgen aus der Ausnüchterungszelle nach Hause entlassen. Sein Führerschein wurde eingezogen. Er muss mit einer Strafanzeige rechnen. Wer den anonymen telefonischen Hinweis gegeben hat, ist nicht nachvollziehbar. „Der Anruf kam aus einer öffentlichen Telefonzelle in Uehlfeld“, klärte uns Polizeihauptwachtmeister Max Wunderlich auf. Dass der Verkehrssünder aufgrund seiner Position in der Genossenschaft nicht nur Freunde hat, ist allgemein bekannt. Schadenfrohe Stimmen behaupten, dass er mit dem kürzlich erhaltenen Qualitätszertifikat hauptsächlich Eigeninteressen verfolge.
*
„Super, Horst“, wieherte Hanni der Hammer, „des hast du eins a gmacht.“ Die Fotos, die Knöllchen-Horst zwei Nächte zuvor in Gremsdorf gemacht hatte und die zeigten, wie der Vorsitzende der Genossenschaft Aischgründer Spiegelkarpfen in das Polizeifahrzeug verfrachtet wurde, lagen ausgedruckt auf dem Tisch herum. Es waren die gleichen Fotos, wie sie auch in den lokalen Medien abgedruckt waren.
„Des kost dem Hornauer sein Job als Genossenschafts-Boss“, gab sich auch Bertl Holzmichl zuversichtlich. Kennt ihr den Waldemar Keller?“
„Des is der gleiche Depp“, meinte Horst Jäschke, „a su a Bio-Freak. Wohnt und hat seine Weiher in Dachsbach. Da kummt nix Bessers nach. Des kannst vergessen.“
„Schad“, gab sich der Bertl enttäuscht.
Die drei Teichwirte saßen in Johann Hammers Gartenlaube und tranken ihr erstes Bier. Draußen im Garten, am Hang, der zum Brünnleinsgraben abfiel, glühten die Holzkohle-Eierbricketts in einem gusseisernen Grill und warteten auf die ersten Fleischstücke. „Trinkt aus“, ordnete der Hausherr in der Laube an, „ich glab, mir kenna des erschte Fleisch auflegn. Bertl, machst nu drei Fläschli auf, des Bier is im Kühlschrank. Und nachm Essen sollt mer mal drüber redn, was wir etz machen.“
„Geh mer zum Essn naus“, schlug Knöllchen-Horst vor, „Bertl, bringst die Seidli mit?“
„Geht ner zu, ich bring des Bier scho mit naus.“
Johann Hammer schmiss die von seiner Frau vorbereiteten, marinierten Fleischstücke auf den Grillrost. Nach wenigen Sekunden fielen die ersten Fetttropfen auf die glühende Holzkohle. Es zischte und sprutzelte. Qualmwölkchen stiegen auf, und hie und da zuckte eine Flamme nach oben und versuchte sich des Grillgutes zu bemächtigen. Johann Hammer passte auf. Sofort schüttete er etwas Bier auf den Brandherd. Erneut zischte und sprutzelte es, bis an anderer Stelle eine neue Flamme hochschlug.
„Was is Horst“, wollte er von dem Neuhauser Teichwirt wissen, „hast du dir etz scho mal überlecht, ob du den Angerweiher, den Großen Torweiher und den Großen Neuweiher an den Bertl und an mich verkafst? Schau, etz wirst bald dreiasechzig. Mit dem Kormoran ärgerst du dich sowieso ständig rum, hast gsacht. Könnst doch deim Hobby nachgehn und Autos aufschreibn, die falsch geparkt sen, wennst dich nimmer um dei Fisch kümmern müssest. Also dei Fra hätt nix dagegen, hats gsacht …“
„Mei Fra, seit wann redsnt du darüber mit meiner Fra?“, brauste Knöllchen-Horst auf. „Ich habs eich scho a poar mal gsacht: Ich verkaf nix. Basta. Und wenn ihr meine Weiher wollt, dann red gefälligst mit mir da drüber und net mit meiner Fra. Verstanden?“
„Is ja scho gut, Horst. Etz reg dich halt net su auf. Habs ja bloß gut gmant.“
Nebenan, unten im Brünnleinsgraben, quakten die Frösche, und auf dem kleinen Weiher, drüben in den Feuchtwiesen, zogen zwei Kanadagänse ihre Bahnen. „Sche habt ihrs da“, kommentierte der Bertl, „bloß die Hauptstraß is a weng zu nah dran.“
„Da hast recht“, bestätigte der Hausherr und goss erneut etwas Bier auf den Grill. „Die Lkw machen an gscheitn Lärm, aber mier ham uns scho dran gwöhnt. Horst, wo hastn dei Auto parkt?“
„Auto? Des steht dahamm in der Garage.“
„Sach bloß, du bist zu Fuß kumma?“
„No frali, des sen ja bloß knapp drei Kilometer durchn Wald. A Spaziergang sozusagn.“
„Und hamwärts?“, wollte der Bertl wissen.
„Hamwärts sens a bloß drei Kilometer”, antwortete Horst Jäschke feixend. Er hatte sich zwischenzeitlich wieder beruhigt.
„Doldi“, ging ihn Bertl Holzmichl an, „des waß ich a. Ich man, wennst bsuffen bist, dann läfst du a durch den dunkln Wald? Do siehgst doch nix.“
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