Esther-Marie Merz
Mathilde Schwabeneder
FRANZISKUS
Vom Einwandererkind zum Papst
Mit einem Vorwort von
Bischof Erwin Kräutler
Cover
Titel Esther-Marie Merz Mathilde Schwabeneder FRANZISKUS Vom Einwandererkind zum Papst Mit einem Vorwort von Bischof Erwin Kräutler
Vorwort von Erwin Kräutler, Bischof vom Xingu Amazonien. Bewährungstest für Kirche und Gesellschaft in Brasilien Der Weltjugendtag in Rio 2013, Papst Franziskus und Amazonien Ein Vorwort von Erwin Kräutler, Bischof vom Xingu
1 Fast vom Ende der Welt
2 Kindheit und Jugend. Ein erfülltes und bescheidenes Leben
3 Jesuit, Lehrer, aber kein Professor
4 Militärdiktatur. „Keiner sollte seine Hände in Unschuld waschen“
5 Seite an Seite. Der alltägliche Kampf gegen die Ungerechtigkeit
6 Freundschaft und interreligiöser Dialog
7 Ein weiser Großvater
8 Geht an die Ränder der Gesellschaft
9 Petrus hatte kein Bankkonto
10 Ich will keinen Jugendlichen, der nicht protestiert
11 Seid Hirten mit dem Geruch der Schafe
Schlussworte der Autorinnen
Kurzbiografie von Papst Franziskus
Bibliografie
Bildnachweis
Impressum
Fußnoten
Die Kapitel 1 und 7 bis 11 wurden von Mathilde Schwabeneder verfasst, die Kapitel 2 bis 6 stammen von Esther-Marie Merz.
Papst Franziskus
Amazonien.
Bewährungstest für Kirche und Gesellschaft in Brasilien
Der Weltjugendtag in Rio 2013,
Papst Franziskus und Amazonien
Ein Vorwort von Erwin Kräutler,
Bischof vom Xingu
Schon kurz nach seiner Ankunft beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro am 22. Juli 2013 erwähnte Papst Franziskus Amazonien. Seine Grußadresse an Präsidentin Dilma Rousseff und Vertreterinnen und Vertreter der politischen Szene Brasiliens schloss er mit den Worten: „In diesem Augenblick weiten sich die Arme des Papstes, um die ganze brasilianische Nation in ihrem vielschichtigen menschlichen, kulturellen und religiösen Reichtum zu umarmen. Von Amazonien bis zur Pampa, von den Trockenregionen bis zum Pantanal, von den kleinen Dörfern bis zu den Metropolen fühle sich keiner von der Zuneigung des Papstes ausgeschlossen.“ Jemand könnte argumentieren, dass sich der Papst auf diese Makroregion nur im rein „geografischen“ Sinn bezog. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass er „Amazonien“ ausdrücklich nennen wollte, denn Amazonien macht mehr als die Hälfte Brasiliens aus. Er hätte ja auch sagen können „Von Chuí bis Oiapoque“ (die äußersten geografischen Punkte im Süden und Norden), wie es ansonsten hierzulande der Brauch ist, wenn jemand von ganz Brasilien spricht. Amazonien erregt heute weltweit mehr Aufmerksamkeit als der Karneval in Rio und die Seleção . Und so verbinde ich mit der Umarmung Amazoniens auch den Aufruf an die Präsidentin und Regierungsmitglieder und selbstverständlich an die Jugendlichen: „Geht über die Grenzen des menschlich Möglichen hinaus und gestaltet eine Welt von Geschwistern!“
„Eine Welt von Geschwistern“
Die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte und die Gegenwart beweisen uns offenkundig, dass viele Menschen in Amazonien über das menschlich Mögliche hinausgegangen sind und immer noch gehen. In positiver, nachahmenswerter, aber auch in negativer, krimineller Hinsicht!
Seit Jahrhunderten haben Frauen und Männer in Amazonien Strapazen und Schikanen auf sich genommen, um den Ureinwohnern und später den Siedlern entlang der Flüsse und Straßen hilfreich zur Seite zu stehen und für sie und mit ihnen gegen Unterdrückung und Diskriminierung anzukämpfen. Frauen und Männer gingen über die „Grenzen des menschlich Möglichen“ hinaus bis zum Äußersten, wie es in der Einleitung zur Fußwaschung im Johannesevangelium (Joh 13,1)1 heißt, und wurden deshalb verfolgt, des Landes verwiesen und schreckten nicht einmal davor zurück, ihren Einsatz mit dem eigenen Blut zu bezahlen.
Wer denkt da nicht an die Grundsatzrede über die Aufgabe der Kirche, die Kardinal Bergoglio wenige Tage vor Konklavebeginn vor den bereits in Rom versammelten Kardinälen hielt. In dieser Rede forderte er die Kirche auf, dass sie aus sich herausgehen und nicht nur die geografische, sondern auch die existenzielle Peripherie erreichen müsse. In Amazonien geht die Kirche seit Jahrhunderten an die geografische, viel mehr aber noch an die existenzielle Peripherie.
Es gab und gibt aber gleichzeitig andere, die auch vor nichts zurückschrecken und über die „Grenzen des menschlich Möglichen“ hinaus wollen, um Amazonien skrupellos auszubeuten. In ihrer Habgier gehen diese Leute über Leichen. Im Namen von „Entwicklung“ und „Fortschritt“ verfolgen und ermorden sie Menschen, die ihren Ambitionen im Wege stehen und die Rechte der indigenen Völker und Siedler, die Würde der Frauen und Kinder verteidigen.
Das ist der grausame Hintergrund, der den ersten Appell des Papstes an Brasilien, an Kirche und Gesellschaft, motiviert und ihn ausrufen lässt: „Gestaltet eine Welt von Geschwistern!“
Ein Untertitel seiner Ansprache an die Bischöfe am 27. Juli 2013 bringt das Thema der gewünschten Geschwisterlichkeit auf den Punkt. Papst Franziskus spricht von Amazonien als Bewährungstest für die brasilianische Kirche und Gesellschaft. Amazonien ist so etwas wie die Nagelprobe „für den augenblicklichen wie den zukünftigen Weg nicht nur der Kirche in Brasilien, sondern auch für das gesamte gesellschaftliche Gefüge“.
Wörtlich sagt der Papst: „Ich möchte alle einladen, über das nachzudenken, was Aparecida über Amazonien gesagt hat, auch über die eindringliche Aufforderung zur Achtung und Bewahrung der gesamten Schöpfung, die Gott dem Menschen anvertraut hat, nicht um sie skrupellos auszubeuten, sondern um sie wie einen Garten zu pflegen.“
Das Schlussdokument der V. Konferenz der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik, die von 13. bis 31. Mai 2007 im brasilianischen Nationalheiligtum Aparecida (São Paulo) tagte, trägt ganz sicher die Handschrift des Papstes. Der Kardinal von Buenos Aires war Mitglied der Redaktionskommission. Als Papst beweist er nun, dass er voll und ganz hinter diesem Dokument steht. Bei der ersten Begegnung mit der Präsidentin Argentiniens Cristina Kirchner überreichte er ihr ein Exemplar des Schlussdokuments von Aparecida. Und die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff bekam kurz darauf dasselbe Geschenk aus der Hand des Papstes.
Aparecida beklagt, dass die Urbevölkerung des Kontinents bei Entscheidungen über die Nutzung von Naturreichtümern praktisch ausgeschlossen sei. Amazonien werde geplündert, die Erde vergiftet, Wasser zum Handelsgegenstand degradiert und Wasserreserven monopolisiert (DAp 84). Weiters betont das Dokument die Bedeutung Amazoniens für die gesamte Menschheit. Ein Entwicklungsmodell sei zu schaffen, „das den Armen dient und das Gemeinwohl fördert“ (DAp 475).
Parrhesia : Seid corajudos !
Papst Franziskus erinnert, dass die Kirche in Amazonien von Anfang an präsent war, und will, dass sie auch weiterhin bestimmend für die Zukunft dieser Region sei. Das„amazonische Gesicht“ der Kirche soll immer mehr zum Ausdruck kommen. „Ich bitte euch, seid mutig, setzt euch ein mit Parrhesia 2. Oder, wie wir in Buenos Aires sagen, seid corajudos (= kühn, wagemutig, verwegen)“.
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